Der kleine Platz vor dem Büdchen an der Linienstraße leuchtet normalerweise im Frühjahr. Dann, wenn die japanischen Kirschen blühen und die herabrieselnden Blütenblätter das Pflaster in einen zartrosa Teppich verwandeln, über den man mit nackten Füßen gehen möchte. Aber es ist nicht Frühling, sondern unverkennbar Herbst. Und es sind auch keine rosa Blüten, die dieser Tage vor dem Büdchen im Wind schaukeln, sondern rosa Zettel. Unzählige davon! Sie sind die Vorboten der Theaterproduktion „Dorthin wo Milch und Honig fließen“. Die macht an insgesamt vier Terminen ab dem 9. September den öffentlichen Oberbilker Raum erneut zur Bühne. Das Stück kam bereits im Juni mehrfach zur Aufführung und erfreute sich großen Zuspruchs. Das Sujet, dem sich die Dramaturginnen Charlott Dahmen und Karin Frommhagen widmen, hat seitdem sogar noch an Dringlichkeit gewonnen: Es geht um Flüchtlinge. Um Menschen, die alles zurücklassen mussten, was ihnen lieb ist. Familie. Freunde. Heimat.
Die Produktion möchte das Thema ein Stück weit begreifbarer machen und hat dafür neben professionellen Schauspielern auch jene verpflichtet, die bei Rimini Protokoll „Experten des Alltags“ heißen. Menschen aus dem Stadtteil. Mit einem Audioguide ausgerüstet machen sich die Theaterbesucher auf den Weg. Die Stimme weist ihnen einerseits die Route, erzählt aber auch andererseits eine Fluchtgeschichte – angefangen bei den Umständen im Heimatland über die Flucht selber bis hinzu der Ankunft in Deutschland und den damit verbundenen Erfahrungen und Eindrücken. Auf dem Parcours kommt es zu Begegnungen mit Menschen aus dem Veedel. Mit Wilfried Weiser, dem eigenwilligen Betreiber der Kneipe „Beim Box-Papst“, mit den Oberbilker Stadtgärtnern oder mit einem Kontaktbeamten der Polizei.
Der Ort des Geschehens wurde durchaus bewusst gewählt. Schließlich ist das Hinter-Bahnhofs-Viertel Oberbilk das zweitgrößte maghrebinisch geprägte in ganz Deutschland. Die marokkanische Community ist allgegenwärtig. Shisha-Bars, Gemüseläden und Teehäuser prägen das Straßenbild. Aus dicken Autos, die von sehr jungen Männern gelenkt werden, dringt laute orientalische Musik. Vor den Büdchen sammeln sich Menschen, um gemeinsam dem Alkohol zuzusprechen. Dieses Milieu, das mancher aus Wittlaer oder Urdenbach als sehr fremd empfinden mag, werden die Besucher von „Dorthin wo Milch und Honig fließen“ erkunden. Auf einem theatralen Rundgang, der rund 120 Minuten dauert und auf dem obersten Deck des Parkhauses am Bertha-von-Suttner-Platz startet. Festes Schuhwerk wird empfohlen. Aber die Flip-Flop-Tage sind für dieses Jahr vermutlich ohnehin vorbei. Genauso wie die Blüte der japanischen Kirsche.
9., 16.+17.9., jeweils 17:30; 12.9., 12:00; Treffpunkt: Parkhaus Bertha-von-Suttner-Platz, oberstes Deck, Düsseldorf; engagement-global-de/theater