Die großen Themen des Lebens #1: Fußball (1/2)

Mario Comune humpelt. Im Fußball würde man sagen, er läuft unrund. Das linke Knie macht Probleme. Malheur beim Joggen. Stammgast Armin fasst Comune ans Knie und drückt. „Tut das weh?“ Tut es. „Meniskus, wie bei mir“, diagnostiziert Armin und nennt gleich einen guten Arzt. Mario flucht, trocknet Geschirr und kocht Kaffee. Ein ganz normaler Abend an der Bilker Brunnenstraße. Seit 12 Jahren betreibt Comune das Caffè Enuma. Bis 2013 an der Graf-Adolf-Straße, seitdem in Bilk. Im hinteren Teil des Cafés mit dem roten Fußboden steht ein Kicker. Vorne sitzt Hund Lilli. Und drei männliche Gäste. Sie reden über Fußball. Das geht an diesem Ort nicht anders. Mario ist Fußball-Freund und -Kenner. Fan vom AC Mailand und Borussia Mönchengladbach. Er war zwei Mal live im Stadion, als Italien Weltmeister wurde. Hat sieben Champions League Finales mit Milan vor Ort erlebt. Comune ist zu Fußball-Spielen in die ganze Welt gereist. Nach Japan, China, Brasilien, Argentinien und Mexiko. Im Caffè Enuma ist das Enfant terrible aus Italien Thema: „Balotelli hat auf Facebook ein Foto von seinem Wagen gepostet, nur den Tacho“, sagt einer der Gäste, „420 km/h Spitze. Ein Bugatti. Hatte ich vorher noch nie gesehen so was.“ Balotelli habe aber doch gar keinen Führerschein im Moment, wendet ein anderer Gast ein. „Der lässt jetzt fahren.“ Gelächter. Das Gespräch beginnt.

Wo wir schon bei Balotelli sind, lass uns gleich beim Thema bleiben. Die hiesigen Medien zeichnen den Stürmer, der Deutschland bei der EM 2012 mit zwei Treffern im Halbfinale aus dem Turnier schoss, als eine Mischung aus Depp und Wildem. Welches Bild vermitteln die italienischen Medien?
Da gibt es keinen großen Unterschied zwischen Deutschland und Italien. Balotelli polarisiert, weil er schwarz ist. Und die Italiener sind alle Rassisten. Wenn zum Beispiel Tottenham Hotspur, ein Club der ähnlich wie Ajax Amsterdam mit dem Judentum verbunden wird, in Rom spielt, wollen die Lazio-Fans am liebsten Kleinholz aus den englischen Fans machen.

Gut, Kleinholz machen wollen ja heute viele. Früher war es wesentlich friedlicher in den Stadien. Erinnerst du dich an deinen ersten Stadionbesuch?
Klar erinnere ich mich daran. Ich war 11 Jahre alt. Meine Eltern hatten damals eine Gaststätte an der Graf-Adolf-Straße, genau an der Stelle, wo viele Jahre später auch das Caffè Enuma war. „Zum Löwenbräuhof“. Luigi, ein Stammgast, hat mich gefragt, ob ich mit ihm zum Fußball gehen möchte. Wir sind dann zu einem Auswärtsspiel von Fortuna Düsseldorf gefahren. Bei Hamborn 07. Regionalliga West, das entspricht heute der 2. Bundesliga.

Wie ging das Spiel aus?
Das weiß ich nicht mehr. War mir damals auch nicht wichtig.

Warst du von da an regelmäßig im Stadion?
Nein, nicht wirklich. Bei TuRU war ich noch mal. Damals wohnte ich in Oberbilk, der Weg zum Stadion an der Feuerbachstraße war also nicht weit. Pfingsten fand bei TuRU immer ein Jugend-Turnier statt. Der Verein machte damals gute Jugendarbeit. Bei dem Turnier war unter anderem der HSV zu Gast. Viele Spieler, die ich da gesehen habe, sind dann später richtig groß raus gekommen. Manfred Kaltz (der mit den Bananenflanken! Gibt es eigentlich ein italienisches Wort für Bananenflanken?), Peter Hidien (Spitzname: Der schwarze Peter), Caspar Memering und natürlich Rudi Kargus, der Elfmetertöter. Der ist übrigens heute Künstler. Er malt, hatte schon mehrere Ausstellungen.

Was war mit Fortuna?
In den Jahren 1970/71 war ich öfter im Rheinstadion. Die Mannschaft war damals top, ist dann auch aufgestiegen in die erste Liga. Mein erstes Idol war übrigens Robert Begerau, für mich der beste Fortuna-Spieler aller Zeiten. Leider musste er früh mit dem Profifußball aufhören wegen einer schweren Verletzung. Später ist er dann in Kaarst bei einer Bürgermeisterwahl angetreten. Für Bündnis 90/Die Grünen. Hat’s aber nicht geschafft, da ist ja alles CDU. (Sein Ton jetzt: verächtlich. Mario ist Sympathisant der Grünen. Er hat schon seit Jahren kein Auto mehr, fährt ausschließlich Fahrrad. Im Laden hing lange ein „Atomkraft? Nein Danke“-Banner. Und die heutige Landesvorsitzende der Grünen, Mona Neubaur, gehörte an der Graf-Adolf-Straße quasi zum Inventar des Caffè Enuma.)

Wie hast du dann zu deinem deutschen Herzensclub, Borussia Mönchengladbach, gefunden?
Gladbach habe ich 1973 zum ersten Mal live im Stadion gesehen. Am Bökelberg, beim Rückspiel des UEFA-Cup-Finales gegen den FC Liverpool. Borussia gewann 2:0. Zwei Tore von Bernd Rupp. Leider hatten sie das Hinspiel in England mit 0:3 verloren. Liverpool wurde also Pokalsieger. Trotzdem war das für mich das Schlüsselerlebnis. Gladbach hat damals so schön gespielt. Günter Netzer gehörte zum Team. Und Berti Vogts. Trainer war Hennes Weisweiler.

Neben dem Borussia-Herz schlägt ein zweites in deiner Brust. Für den AC Mailand. Die Leidenschaft hast du von deinem Vater geerbt.
Mein Vater hatte im „Zum Löwenbräuhof“ ein Poster vom AC Mailand an der Wand.

Das hat schon gereicht?
Offenbar, ja.

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Mit Alessandro Del Piero, Foto: privat

Wie regelmäßig gehst du in Mailand ins Stadion?
Früher hatte ich immer eine Jahreskarte. Später habe ich dann Karten vom Verein bekommen. Hat die Tochter von Berlusconi aber mittlerweile gestrichen. Sie sagt, der AC muss sparen. Seitdem gehe ich nicht mehr oft ins Stadion. Dieses Jahr war ich vielleicht drei Mal da. Ich muss ja auch immer arbeiten. (Stichwort Arbeit. Das Telefon klingelt. Marios Sohn ist dran. Alessandro. Er möchte wissen, wie man Reis kocht. Mario hat keine Ahnung, seine Kernkompetenz sind Nudeln. Er gibt die Frage an die Gäste im Café weiter. Steffi weiß Bescheid, bekommt das Telefon weitergereicht und erklärt Alessandro, was zu tun ist. Interview kann weitergehen.)

Wer dich kennt, weiß, dass du ein ziemlich impulsiver Typ bist, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Wie darf man sich dich im Stadion vorstellen?
Da bin ich eher ruhig.

Dann trägst du vermutlich auch keine Fan-Utensilien, oder?
Eher nicht. Manchmal trage ich ein Trikot. Ich habe zehn, zwölf unterschiedliche Milan-Trikots. (Einen Schal hat er übrigens auch. Der hängt aber am Kühlschrank des Caffè Enuma.)

Fortsetzung folgt in den kommenden Tagen.

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