Sonntag Morgen um neun ist die Welt noch in Ordnung, auch auf der Mintropstraße. Nur vereinzelt hoppelt ein Auto über das Kopfsteinpflaster, der türkische Imbiss bekommt eine Lieferung Fladenbrote und unweit der Glascontainer füttert eine alte Frau die Tauben, weil sie sonst niemanden hat. Auf dem Trottoir sieht es aus wie am Morgen nach Silvester. Zerbrochene Flaschen, Plastikschalen, Kronkorken, Zigarettenkippen und Schokoriegelpapiere sind – leider stumme – Zeugen des nächtlichen Geschehens. Wären sie der Sprache mächtig, sie hätten einiges zu erzählen von einer Nacht, die wieder einmal wild war wie beinahe jede auf Düsseldorfs Mini-Kiez.
Wenn das Tagewerk vollbracht ist und die Leuchtreklamen der Animierbetriebe lockend blinkern, suchen zwischen Mintrop- und Stresemannplatz einsame männliche Herzen Gesellschaft. Der Koberer vor der Bar „Klein-Paris“ versucht Passanten in das rot Illuminierte Etablissement zu quatschen. Von „gepflegtem Ambiente“ ist in dem unverbindlichen Gespräch ebenso die Rede wie von „günstigen Getränkepreisen“ (diverse Schnäpse 5 DM) und „tollen Mädels“. Tolle Mädels gibt es auf der Mintropstraße überall. Sie tanzen im „Explosion“, im „Sex Vision“ und natürlich im „Solid Gold“. Letzteres bietet, so wußte ein Angestellter auf Nachfrage eines Passanten zu berichten, sogar „die heißeste Show von hier bis Texas“. Weniger weit entfernt als die Heimat von George W. Bush sind Manhattan und Monte Carlo. Das Automatencenter Manhatten und die Spielhalle Monte Carlo wohlgemerkt – sie liegen direkt nebenan und warten ebenfalls auf solvente Kundschaft. Und doch dreht sich nicht alles ums Geld ausgeben. Wem das Sparen näher ist als das Verprassen, der läßt sich bei Marilyn’s Hairfashion (natürlich mit Apostroph!) einen Maschinenhaarschnitt für spottbillige 17 DM verpassen, löffelt im Grill bei Slavka eine schmackhafte Erbsensuppe für 5,50 DM oder fernspricht aus der Telefon-Service-Bude für 2 DM pro Minute nach Afghanistan bzw. für 1,69 DM nach Dschibuti. Jedem das seine, alles ist möglich und eben das ist es, was das Pflaster der Laster so liebenswert macht. „Mein Haus ist meine Burg“ steht über dem Eingang zu Haus Nummer 11. Wer wollte da nicht einziehen?
Liebe Leser, dieser Text stellt natürlich nicht den aktuellen Stand der Dinge dar. Er stammt vielmehr aus dem Jahr 2001, einer Zeit, als man noch in DM bezahlte und die Autorin des Textes auf der Mintropstraße, im Haus Nummer 11, wohnte. Von den erwähnten Etablissements gibt es heute nurmehr das „Klein-Paris“ sowie das „Solid Gold“. Jüngster Neuzugang im Nackedei-Business ist hingegen die Bar mit dem schönen Namen „Flamingo“.
1 Kommentar
Kommentierender Stadtteil wurde sehr gut kommentiert,bravo!