Im Gegensatz zu vielen anderen ÖPNV-Nutzern trägt Erkan Dörtoluk in Bus und Bahn niemals Kopfhörer. Er braucht schließlich seine Ohren! Seit über fünf Jahren belauscht der Fotograf und Social-Media-Redakteur seine Mitfahrer und stellt deren verbale Ergüsse der Öffentlichkeit zur Verfügung. Das hat ihm viele Likes eingebracht. Und einen wunderbaren Spitznamen: Whistleblower von Tarifzone A. theycallitkleinparis hat Dörtoluk mit ein paar Fragen konfrontiert.
Am 1.8. ist dein Buch „Du hast mir das Kind gemacht, nicht ich“ im Piper Verlag erschienen. Bitte beschreibe uns jenen weiblichen Fahrgast, der dir diesen grandiosen Titel geliefert hat!
Eine junge Mutter in viel zu engen Leggins, die rauchend neben einem mit Primark-Tüten behangenen Kinderwagen an der Haltestelle steht und ihren Mann ankeift. Die Beziehung wurde kurz zuvor durch das samstägliche Shopping mit zwei Kleinkindern auf eine harte Probe gestellt.
Welcher Dialog war die Initialzündung zu Rheinbahn intim?
„Wenn ich eine Tattoomaschine hätte, würde ich mich ganzen Tag selber tätowieren.“ Die zwei, drei Mitschriften davor fanden alle auf meinem Privat-Account auf Facebook statt und zählen daher nicht.
Und seit wann gibt es den Twitterkanal mittlerweile?
Der 5. Geburtstag von Rheinbahn intim war im Februar 2016, kurz vor der Eröffnung der Wehrhahnlinie.
Wie muss man sich dein Vorgehen in der Praxis vorstellen: Scannst du gleich beim Einsteigen die Fahrgäste und erkennst auf den ersten Blick, wer Potential hat?
Eher so: Ich steige ein und wenn es einen freien Platz gibt, setze ich mich dorthin. Alles andere ist Kismet.
Was ist deiner Erfahrung nach ergiebiger: Gespräche mit zwei oder mehr Personen oder Telefonate?
Ich nehme Antwort Nummer drei: Telefonate auf Lautsprecher gestellt. Ich glaube, das hatte keiner von uns auf dem Schirm, dass es einmal soweit kommen würde, oder? Kleine Kostprobe: „Ich habe dich auf Lautsprecher an, damit Jenny und alle meine Zeugen sind! Warst du mit ihr im Kino? Schwöre ja oder nein!“ (Amelia, 14)
Und was ist, wenn gerade ein großartiges Gespräch im Gange ist, du aber aussteigen musst?
…dann weiß ich, dass an der nächsten Ecke/Bahn/Bus das nächste großartige Gespräch auf mich wartet.
Gibt es auch Rückmeldungen von Leuten, die ihr eigenes Gesagtes auf Rheinbahn intim wiedergefunden haben?
Es gibt eine große Zahl von Menschen, die sich durch das Buch oder die Timeline lesen und sich an irgendeinem Punkt denken „Das hat er doch von mir“.
Telefonierst du selber eigentlich noch in Bus und Bahn?
Na klar telefoniere ich in Bussen und Bahnen, bin aber nicht extrovertiert genug, um aus einem Telefonat eine Talk-Show zu machen.
Welche Linie würdest du einem Düsseldorf-Touristen empfehlen, um möglichst interessante Ecken der Stadt kennenzulernen?
Wehrhahnlinie. Da hast du alles dabei: Shopping, Kultur, Alkohol und Fritten, Rheinufer und Parks. Außerdem sind die Künstlerbahnhöfe eine echte Weltsensation. Mein Favorit ist der Weltraumbahnhof Kasernenstraße. Damit bin ich nicht alleine. Ich glaube, es gibt nur wenige Haltestellen, in denen Menschen im Stehen vor großflächigen Weltraumvideos meditieren.
Hast du auch ein Auto? Und, wenn ja, wann nutzt du es?
Ab und zu steht mir ein Auto zur Verfügung. Der Spaß am Fahren ist mir allerdings irgendwo zwischen dem Ruhrschnellweg und dem Autobahnkreuz Köln verloren gegangen. Ich warte sehnsüchtig auf das automatisierte Fahren und benutze das Auto nur noch, wenn der ÖPNV schwächelt. Sonntags, zum Beispiel. Habt ihr mal versucht an einem Sonntag vom Dorf in die Stadt zu gelangen?
Die Sprüche, die du aufschnappst, machen regelrecht Lust, mal wieder Bus oder Bahn zu fahren wegen des hohen Entertainmentfaktors. Hat sich die Rheinbahn eigentlich mal bei dir bedankt bzw. dir ein lebenslanges Ticket2000 garantiert?
Ich glaube, ich bin derjenige, der sich bedanken muss. Nämlich dafür, dass ich einen großartigen Markennamen okkupiert habe, ohne dafür Ärger zu bekommen.
14.3., 20 Uhr, Erkan Dörtoluk, Zentralbibliothek, Düsseldorf