Die Idee, ja, die Idee wäre eigentlich so naheliegend. Gerade in Düsseldorf. Trotzdem ist bisher noch keiner darauf gekommen, ein Festival zu veranstalten, dass elektronische Kunst und elektronische Musik zusammenbringt. die digitale tut das nun zwischen dem 3. und 6. November erstmals an diversen Locations in der Landeshauptstadt. Initiiert wurde sie von Werner Pillig und Peter Witt. theycallitkleinparis hat mit Witt gesprochen.
Wie entstand die Idee zu „die digitale“?
Die Idee kam uns sinnigerweise, als wir, Werner Pillig und ich, vor zwei Jahren gemeinsam auf der Autobahn fuhren. Wir fragten uns: Warum gibt es überall Festivals für elektronische Kunst und Musik – aber ausgerechnet in Düsseldorf nicht, wo der Videokunstpionier Nam June Paik an der Kunstakademie lehrte, wo Kraftwerk entstand, wo wir mit dem Salon des Amateurs einen der wichtigsten Clubs für elektronische Musik in Europa haben. Erstaunlich, oder? Also haben wir uns gedacht, mal sehen, ob wir so was auf die Beine gestellt bekommen.
Wie sieht das Konzept des Festivals aus?
Das Motto heißt: „screenshots digitaler kultur“. Wir zeigen Momentaufnahmen aus der Kunst und aus der Musik. Auch szenen- und institutionsübergreifend. Die Idee ist, dass wir möglichst viele unterschiedliche Aspekte aufzeigen. Das liegt auch nahe, denn die Digitalisierung umfasst ja inzwischen fast alles. Ursprünglich wollten wir auch etablierte Kunstinstitute wie das Museum Kunstpalast einbeziehen, die das internationale Lucas Cranach Digitalarchiv betreuen. Das hat sich dann leider zerschlagen, aber wir hoffen, dass nächstes Jahr eine Zusammenarbeit zustande kommt, vielleicht auch mit der Kunsthalle oder dem Kunstverein. Schön ist auf jeden Fall, dass die Hans-Peter-Zimmer-Stiftung und der Salon des Amateurs mitmachen sowie viele Off-Räume wie das onomato, damenundherren, Brause, w5sieben, WP8 mit eigenen Veranstaltungen. Und auch das Tonstudio Masterplan ist dabei, wo es ein Studiokonzert geben wird.
Du machst das Festival zusammen mit Werner Pillig. Wie ist euer beider beruflicher Background?
Werner hat an der Kunstakademie bei Nam June Paik studiert, ist Meisterschüler und heute in der Event- und Filmbranche tätig. Ich bin gelernter Germanist, arbeite in der Werbebranche als Konzeptioner und mache mit meiner Band rhein elektronische Musik.
Warum habt ihr euch für den Zeitpunkt Anfang November entschieden und damit kurz nach dem Electricity Conference und kurz vor dem Approximation Festival?
Platt gesagt: Da war noch Platz. Eigentlich wollten wir das Ganze Anfang März stattfinden lassen – wo die Festivaldichte deutlich geringer ist als im Herbst. Nur doof, dass Fördermittel im Herbst beantragt werden müssen und frühestens gegen Jahresende bewilligt werden. Das ist für ein Festival im Frühling viel zu knapp. Und natürlich mit ein Grund, warum so viele Festivals erst im Sommer und Herbst stattfinden. Da knubbelt sich das, dann sind ja auch noch die Herbstferien, wo man auch ungern Festivals veranstaltet – also, nach einem Blick in den Kalender blieb uns nur das erste Novemberwochenende.
- An Electricity wird gerne kritisiert, dass es sehr rückwärtsgewandt ist, dass überwiegend alte Männer auf der Bühne stehen. Ist das bei „die digitale“ anders?
Was hast du gegen alte Männer, wir sind auch keine Youngsters! Im Ernst: Die Geschichte und damit die Ausrichtung von Electricity und der digitale sind völlig unterschiedlich. Electricity ging aus einer wissenschaftlichen Konferenz in Birmingham hervor, die sich mit der Hochzeit elektronischer Musik Ende der 70er Jahre in Düsseldorf und besonders mit Kraftwerk beschäftigte. Rüdiger Esch lud diese Konferenz 2015 nach Düsseldorf ein und organisierte dazu ein Konzertprogramm. Da geht es eher um Aufarbeitung und Nostalgie, ein absolut berechtigtes Anliegen und ein berechtigtes Gefühl. Werner und ich kommen aber aus der Kunst- und aus der aktuellen Off-Szene. Wir wollen zeigen, was jetzt los ist, und zwar nicht nur in der Musik, sondern auch in der Kunst. Auch dies nicht ohne erfahrenere Künstler wie Mouse on Mars, Marcus Schmickler oder Kurt Dahlke, der am Sonntag als Pyrolator spielt. Diese treten auf dem gleichen Konzert mit jungen Musikern wie Orson Hentschel, Elephant Power oder Waking Up In Stereo auf. Und die Ausstellung „splitter & amalgam“ im Weltkunstzimmer zeigt neben etablierten auch wirklich junge Positionen, so sind vier Studierende der Kunstakademie aus der Odenbach-Klasse mit tollen Arbeiten vertreten. Kurz, unsere Schwerpunkte sind andere, sowohl was die Gattungen als auch die zeitliche Orientierung angeht.
Neben Konzerten, DJ-Sets und Ausstellungen mit digitaler Kunst steht am 5.11. auch ein Barcamp im Factory Campus auf dem Programm. Was erwartet die Besucher dort?
Das Oberthema für dieses Barcamp lautet „digitalität designen“. Dabei soll es nicht um die Frage gehen, wie man digitales Design macht, sondern wie wir alle den Prozess der Digitalisierung im Großen und Kleinen in unserem Sinne gestalten können. Da scheint der Zug schon fast abgefahren zu sein, Silicon Valley und globale Konzerne scheinen den Prozess ganz alleine in Gang zu halten und zu kontrollieren. Aber es tauchen auch immer wieder Start-ups auf, die mit neuen Ideen neue Prozesse in Gang setzen – und der Factory Campus ist ja als Brutstätte für so was angelegt. Barcamps sind übrigens Unkonferenzen, es gibt keine vorher festgelegten konkreten Themen. Die Besucher bringen ihre Themen mit, stellen sich im Plenum vor und dann legt dieses die Agenda fest. Wer also gerade irgendein Projekt laufen hat, das mit Digitalität zu tun hat, kann es dort vorstellen. Die Teilnehmerzahl ist auf 70 beschränkt – es könnte clever sein, sich noch schnell ein Ticket zu besorgen.
Wann wäre „die digitale“ für euch als Veranstalter ein Erfolg?
Wenn unsere Besucher inspiriert sind von dem, was sie gesehen, gehört, erlebt haben. Und man uns zurückspielt, dass wir mit unserer Analyse richtigliegen, dass so etwas in Düsseldorf bisher gefehlt hat.
Soll das Festival in Zukunft regelmäßig stattfinden?
Wir haben einen jährlichen Rhythmus vor, sind aber auf die Unterstützung der Stadt und weiterer Sponsoren angewiesen. Da sieht es im Moment nicht prickelnd aus, die Gelder des Kulturhaushalts sind knapper geworden und daher noch heißer umkämpft. Von uns aus muss jetzt auch nicht das Schauspielhaus abgerissen werden. Wir hoffen aber sehr, dass die Stadt irgendwo noch Geld für die sogenannten Zukunftsinvestitionen übrighat, dass sie das Potential unseres Festival sieht und uns eine Fortsetzung nächstes Jahr ermöglicht.
die digitale: 3.-6.11. diverse Locations, Düsseldorf