In seinen Büchern „Viva Polonia“, „Expedition zu den Polen“ und „Viva Warszawa“ schaut Steffen Möller mit liebevollem Blick auf Land und Leute, erklärt seinen deutschen Landsleuten Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Kurz vor seinem Auftritt im Stadtmuseum hat theycallitkleinparis mit Möller gesprochen. Über die politische Lage in Polen. Über den polnischen Humor. Und über Möllers Klempner Piotr Szewczynski.
Am 29.11. treten Sie im Stadtmuseum auf. Der Veranstaltung ist mit „Lachen verbindet Europa“ überschrieben. Dabei gibt es derzeit gar nicht so viel zu lachen in Europa. Stichwort Türkei. Stichwort Brexit. Stichwort Flüchtlinge. Wie werden diese Themen in Polen medial verhandelt?
Kontrovers, äußerst kontrovers, so wie alles derzeit in Polen. Es gibt eine neue Regierung, die sich das staatliche Fernsehen und die staatlichen Radioprogramme unterworfen hat – aber es gibt auch eine starke Opposition, die sich in den Privatsendern äußert. So wie das ganze Land zwiegespalten ist, ist es also auch in den Medien. Ich erzähle am Dienstag eine verrückte Geschichte von zwei Gegenspielern, die Brüder sind. Und ich erzähle von einer symbolischen Geste meiner Kabarettkollegen.
Sie arbeiten als Kabarettist, Schauspieler, Entertainer und nicht zuletzt auch Autor. Ihr Buch „Viva Warszawa“, das im vergangenen Jahr erschien und eine Liebeserklärung an die polnische Hauptstadt ist, wollten Sie eigentlich „Komm nach Polen, dein Großvater war auch schon da“ nennen. Ein Witz, über den man in Polen lachen könnte?
Ja, darüber würden die Polen sogar sehr lachen, da bin ich ganz sicher. Sie freuen sich immer diebisch, wenn einer den Deutschen ihre Kriegsvergangenheit unter die Nase reibt, weil sie glauben, dass man das Thema bei uns geflissentlich unter den Teppich kehrt. Es ist an den deutschen Lesern gescheitert. Im Verlag glaubte man, dass die deutschen Leser einen solchen Titel nicht kaufen, weil sie glauben würden, dass er eine Beleidigung für die polnischen Leser ist.
Generell unterscheidet sich der Humor ja von Land zu Land ziemlich gewaltig. Die wenigsten Deutschen könnten vermutlich darüber lachen, wenn sie in England mit „Heil Hitler“ begrüßt werden. Wie würden Sie den polnischen Humor, gerade im Unterschied zum deutschen, charakterisieren?
Der deutsche Humor ist sehr lustig. Das behaupte ich zumindest immer in Polen, doch kein Mensch glaubt mir. Ich füge deshalb hinzu: Allerdings beginnt unser Humor erst abends, wenn die Sonne untergegangen ist und wir im Kabarett sitzen und eine Karte in der Hand halten, auf der „Kabarett“ steht. Dann weiß man: Achtung, Humor im Anzug. In Polen, das ist der Unterschied, kann man eben auch schon am helllichten Tag einen Witz machen. Die Leute haben eine stärkere Selbstironie, eine stärkere Neigung zur Alltagsabsurdität. Das sieht man zum Beispiel an meinem Klempner. Der hat eine Visitenkarte, die er jedem Kunden in die Hand drückt: „Piotr Szewczynski, Klempner – langsam, teuer, unsolide.“ In Deutschland würde der Mann doch pleite gehen, oder?
Eine Zeitlang waren hier in Deutschland ja Polen-Witze sehr populär. Gibt es eigentlich ein polnisches Pendant, haben Sie einen guten Deutschen-Witz auf Lager?
Nicht einen, sondern vier. Die sind aber zu hart, um abgedruckt zu werden. Wer interessiert ist, soll in die Veranstaltung kommen.
Kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA haben Sie auf Ihrer Facebook-Seite gepostet „Leute, erspart euch die US-Wahlen, geht lieber Pilze sammeln.“ Klingt so, als hätten Sie den Ausgang im Urin gehabt. Wie denkt man in Polen über Donald Trump und wie war Ihre Pilz-Ausbeute?
Sorry, ich muss mich wiederholen: Man ist auch in Bezug auf Trump sehr gespalten. Wenn Sie die Regierung fragen, wird eine eher positive Antwort kommen. Wenn Sie die wichtigste Zeitung im Land lesen, die oppositionelle „Gazeta Wyborcza“, die mit unserer „Süddeutschen“ zu vergleichen ist, wird eine sehr negative Antwort kommen. Meine Pilz-Ausbeute war miserabel. Ich bin dieses Jahr nämlich noch kein einziges Mal im Wald gewesen. Nach allem, was man so hört, begegnen sich in Deutschlands Wäldern sowieso nur noch Polen und Russen.
Von Deutschland aus schaut man derzeit besorgt nach Polen. Seit den Parlamentswahlen im Oktober vergangenen Jahres ist die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) am Ruder. Sie haben für Staatsmedien tätige kritische Journalisten entlassen, das Verfassungsgericht mit loyalen Richtern besetzt und lehnen die Aufnahme von Flüchtlingen generell ab. Wie begründet sind die Sorgen hierzulande?
Ach, die sind schon irgendwo berechtigt, zumindest was die neue Regierung angeht. Aber man sollte auch das Wahlvolk ein Stück weit verstehen. Die neue Regierung wurde vor allem von ärmeren Leuten gewählt, die auf dem Land leben, und zwar von weniger als 400 Euro im Monat. Zum Vergleich: Eine Dreizimmerwohnung am Stadtrand von Warschau kostet mindestens 300 Euro Miete, eher mehr. Und die neue Regierung hat versprochen: Wir führen 110 Euro Kindergeld für jedes Kind ein, ab dem zweiten Kind. Und sie halten bislang Wort. Das zählt für die Leute. Wen interessiert schon, dass der Haushalt tief in die Miesen rutscht.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch kurz über Gaumenfreuden sprechen. Wie ich weiß, haben Sie ja ein Faible für polnische Milchbars. Deshalb möchte ich Ihnen unbedingt das „Smacznego“ auf der Erkrather Straße empfehlen, zu Fuß maximal zehn Minuten vom Düsseldorfer Hauptbahnhof entfernt. Es wird von zwei reizenden Damen aus den Masuren betrieben, Ewa und ihrer Mutter Teresa. Die beiden machen himmlische Pierogi. Verraten Sie uns im Gegenzug Ihre Lieblings-Milchbar in Warschau?
Ich gehe entweder in die „Gdanski“-Bar oder in die „Barbakan“-Bar. Dort war ich gerade vorgestern und habe die Kassiererin gefragt, wie lange sie hier eigentlich schon arbeitet. Sie meinte mit wegwerfender Geste: „Sag ich nicht!“ Ich habe nachgebohrt, „bitte bitte!“ Da meinte sie leise: „Dreißig Jahre, eine Schande.“ Ihre Kolleginnen in der Küche haben nur spöttisch gelacht.
29.11., 19 Uhr, Lachen verbindet Europa – Steffen Möller im Gespräch mit Jens Baganz, Stadtmuseum, Berger Allee 2