Michael Heiber im Interview – „Musik ist bei mir eine rein emotionale Angelegenheit“

Beinahe ein Jahr ist seit der Gründung des Labels Krachladen Records vergangen. In der Zeit musste Michael Heiber sehr viel lernen über das Geschäft mit Vinyl. Anfang März sind nun die ersten beiden Veröffentlichungen erschienen. Sie stammen von dem Düsseldorfer Duo GRAPH und der Kölner Band OCTO. theycallitkleinparis hat mit Michael Heiber gesprochen.

Du hast Krachladen Records im April 2016 gegründet, um gute Musik zu veröffentlichen. Was macht gute Musik in deinen Augen – oder besser Ohren – aus?

Ich sag immer, wenn man eine Gänsehaut bekommt, ist es gute Musik. Das kann Klassik sein, Stoner Doom, Jazzcore oder Electronica. Nur bitte kein Mainstream. Ich bin hochsensitiv, habe ein sehr feines Gehör, das auf andere Frequenzen positiv reagiert. Das hat sicher meinen Musikgeschmack mitgeprägt. Musik ist bei mir eine rein emotionale Angelegenheit, entweder erreicht sie mich oder eben nicht.

Wie wurdest du musikalisch sozialisiert?

Meine Wurzeln liegen im Punk. Es begann mit Elvis, bis ich mit ungefähr 13 Jahren The Exploited kennengelernt habe. Noch in der Schule habe ich mein Herz für experimentelle und progressive Sachen entdeckt, Casper Brötzmann Massaker, Einstürzende Neubauten, The Fall, Sonic Youth oder The Ex. Mittlerweile mag ich auch elektronische Musik.

Fast ein Jahr nach der Gründung erscheinen nun am 3.3. die ersten beiden Veröffentlichungen auf dem Label. Warum hat das so lange gedauert?

Weil es eine relativ spontane Entscheidung war, das Label zu machen. Durch Zufall ergab sich die Gelegenheit, das Album von GRAPH zu veröffentlichen. Ich habe daraufhin Krachladen Records gegründet. Ich hatte keine Erfahrung, aber große Lust auf die Herausforderung. Ich musste alles lernen, habe mit vielen Leuten gesprochen und viel recherchiert. Da ich Vollzeit arbeite und in einer Patchwork-Familie lebe, ist mein verfügbares Zeitfenster sehr begrenzt. OCTO habe ich dann im November des letzten Jahres unter Vertrag genommen, hier ging schon alles viel schneller. Mich unterstützt die Agentur CZ! Promotions aus Hamburg bei der Promotion, das würde ich zeitlich nicht schaffen.

Was kannst du uns zu GRAPH und OCTO sagen, was für ein Sound erwartet die Hörer?

Das erste Release ist das Album „Shift“ von GRAPH. GRAPH ist das Düsseldorfer Electronica-Projekt von Stefan Jürke und Jens Beyer. „Shift“ ist bereits ihr viertes Album. Die beiden sind tief in der Düsseldorfer Szene verwurzelt. Ihre Musik ist elektronisch, experimentell und intelligent, aber auch sehr tanzbar. Die Beschäftigung mit Klang und rhythmischen Strukturen steht bei den beiden im Vordergrund. Das zweite Release ist von OCTO, heißt „Kitsch“ und ist etwas vollkommen anderes: OCTO sind ein Bass-Noise-Rock-Trio aus Köln mit zwei Bässen, einem Schlagzeug und ohne Gesang. Sehr ungewöhnliches Setup, aber es funktioniert hervorragend!

Apropos Sound: Wie ist diesbezüglich das Spektrum von Krachladen Records?

Ich möchte mich auf gute elektronische Musik und auf im weitesten Sinne noisige stromverstärkte Gitarren- und Bass-Musik konzentrieren. Ich werde jetzt erst mal entspannt den Krachladen weiterentwickeln und beobachten, was noch so passiert. Mein Ziel ist es, zwei bis drei Alben pro Jahr rauszubringen.

Die Veröffentlichungen erscheinen ausschließlich auf Vinyl. Dabei legst du auch auf die Optik gesteigerten Wert. Wie macht sich das bei den ersten beiden Veröffentlichungen bemerkbar?

Wir bieten den gesamten digitalen Vertriebsweg per iTunes und Co. und Downloadcodes mit an. Aber der Fokus liegt auf sehr gut klingendem Vinyl. Limitierte Auflagen, ein tolles Artwork und ein Cover mit einer guten Haptik, das ist mir wichtig. Das ist auch bei „Shift“ und „Kitsch“ so. Die Alben enthalten Beilagen wie Poster, CD, Sticker oder zum Teil obskure, alte Fotos. Die Auflagen sind mit 300 Stück recht klein, 50 davon sind in Farbe.

In welchen Läden bekommt man die Platten in Düsseldorf?

Die Platten wird man bei Hitsville, Heimindustrie Records und ich hoffe bei Slowboy bekommen. Den Vertrieb übernimmt für mich der Independent Distributor Broken Silence aus Hamburg. Ich gehe aber davon aus, dass die meisten Platten auf Konzerten verkauft werden.

Wie viel Zeit investierst du in das Label?

Da ich fast alles DIY-mäßig komplett alleine mache, sind das locker 40 bis 50 Stunden im Monat, denke ich.

Du bist nicht nur Labelmacher, sondern auch Konzertveranstalter. Was ist denn diesbezüglich in der nahen Zukunft geplant?

Der Fokus liegt auf dem Label, aber es stimmt, ich veranstalte auch unregelmäßig Konzerte. Im Rahmen der Micro Pop Week findet am 24. März die Release-Party von GRAPH im Golzheim statt. Support ist Harmonious Thelonious. GRAPH werden das neue Album live mit Videoprojektionen von Stefan Ettlinger präsentieren, danach legen Herbert Druschke und Stefan Yuerke auf. Einen Tag später feiern wir die „Release the Kitsch“-Party mit OCTO & Friends im The Tube in der Altstadt. An dem Abend werden noch Ex-Nerven aus Saarbrücken, eine Noise-Punk-Band mit ehemaligen Mitgliedern von Steakknife, und die Soul Invaders aus Hagen spielen.

Letzte Frage: Der Labelsitz ist in Gerresheim. Was hat dich dahin verschlagen?

Die Liebe. Meine Freundin wohnt in Gerresheim und wir sind irgendwann zusammengezogen. Da ich kein Ladenlokal habe, ist es egal, wo das Label seinen Sitz hat. In Gerresheim ist es schön grün und ruhig, sehr angenehm zum Arbeiten.

24.3. GRAPH, Release Party, Golzheim, Düsseldorf

25.3. „Release the Kitsch“-Party mit OCTO & Friends, The Tube, Düsseldorf

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