Myriam Resch im Interview – „Die Ambivalenz von Schönheit und Schrecken“

Am Anfang stand ein Chemieunfall im chinesischen Tianjin. Bilder von deformierten Autos, Containern und zerstörten Gebäuden. Die Künstlerin Myriam Resch fand sie auf Spiegel online – und übertrug sie in das Medium Malerei. Die sogenannte „Desasterserie“ entstand. Ab dem 11. Juni sind rund 40 Arbeiten aus der Serie in dem Heerdter Projektraum Neues aus dem Wald ausgestellt. theycallitkleinparis hat mit Myriam Resch gesprochen.

Als Künstlerin interessierst du dich für die eher unscheinbaren und unansehnlichen Orte einer Stadt. Was für Orte können das beispielsweise sein?
Meist sind es Orte, an denen man im Alltag vorbeiläuft, ohne sie aktiv wahrzunehmen. Das können Häuserfassaden sein, mit Graffiti überzogene Mauern und Wände oder Trafohäuschen. Zudem Orte, die an der urbanen Peripherie liegen wie stillgelegte Fabriken oder Industriebrachen. Es kann aber auch der Blick aus dem Atelierfenster oder aus meinem Zimmer sein.

Und wie erklärst du dir die Faszination solcher Orte?
Ich mag die eher kaputten Orte, deren Spuren des Zerfalls deutlich zu sehen sind. Leer stehende Fabrikhallen, in denen noch Spuren der ursprünglichen Funktion zu sehen sind, die aber schon von anderen vereinnahmt wurden. Die Natur holt sich ihren Platz zurück, überwuchert alte Klinkerfassaden, mit Graffiti überzogene Mauern. Es ist eine merkwürdige Mischung aus Romantik und Zerstörung, die mich daran fasziniert.

Düsseldorf eilt das Image einer schönen Stadt für schöne Menschen voraus. Wie schwierig ist es, hier das Hässliche zu finden?
Inzwischen sind die schmutzigen Orte abseits der gläsernen Fassaden und gentrifizierten Stadtviertel etwas rar geworden. Anfang der Neunziger, als ich zum Kunststudium nach Düsseldorf kam und die Stadt für mich entdeckte, war ich häufig auf einem alten Schrottplatz in Lierenfeld unterwegs, um Kram zu sammeln und Fotos zu machen. Der Schrottplatz ist inzwischen verschwunden, hat einer schicken Wohnanlage Platz gemacht. Andere Orte liegen mir quasi vor der Nase. Von meinem Atelierfenster auf dem ehemaligen Liesegang-Gelände blicke ich direkt auf eine S-Bahnhaltestelle, den Durstbunker, Car-Wash. Fast alle Mauern sind besprüht. Wenn Züge vorbei fahren, spiegeln sich in ihren Scheiben immer wunderschön die Graffitis, die den unteren Teil der Atelierfassade überziehen.

Wie gehst du bei der Suche vor, gibt es ein System?
Es gibt kein System. Mich interessieren unterschiedliche Aspekte des urbanen Raums. Wenn ich unterwegs bin und ein für mich interessantes Motiv finde, fotografiere ich es. Es gibt hunderte dieser Fotos, die ich nach Themen und Motiven ordne. Sie bilden die Grundlage für meine Bildideen und sind inzwischen wie ein Archiv, da viele der Orte heute so nicht mehr existieren.

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Foto: Myriam Resch

Im Rahmen deiner Ausstellung im Projektraum Neues aus dem Wald sind nun Arbeiten aus deiner sogenannten Desasterserie zu sehen. Wie sind die entstanden?
Die Serie umfasst circa 40 kleinformatige Bilder, jeweils 24 mal 30 Zentimeter. Ich habe sie Anfang 2015 begonnen, als ich auf Spiegel online ein Bild des Chemieunfalls in Tianjin sah. Die sichtbare Deformation von Autos und Containern, die zerstörten Gebäude und neonfarbenen Behältnisse von Rettungskräften hatten trotz aller Dramatik eine enorme visuelle Kraft. Mich faszinierte unter anderem die Ambivalenz von Schönheit und Schrecken, die darin sichtbar wurde. Danach folgten immer mehr Bilder von Katastrophen, Unglücken, Terrorattacken. Ich hatte einfach das Bedürfnis, einzelne Motive aus der medialen Bilderflut herauszulösen und in das Medium Malerei zu übertragen.

Wie schaffst du es dabei, keinen voyeuristischen Standpunkt einzunehmen?
Stellenweise wird die Szenerie durch flüchtige und schnelle Pinselstriche oder das Weglassen von Details, zum Beispiel Personen, eher verunklärt. Dadurch versuche ich eine gewisse Distanz zum Dargestellten zu erreichen. Nebel, Staub oder Rauchschwaden verleihen manchen Bildern etwas Surreales und Geheimnisvolles. Andere Motive konzentrieren sich auf die Anordnung und Struktur von Bildelementen, zum Beispiel Feldbetten in Flüchtlingslagern. Man sieht die Spuren der Menschen, die dort untergebracht waren, nicht sie selbst.

Was steht bei dir nach der Ausstellung bei Neues aus dem Wald in diesem Jahr noch an?
Momentan ist eine Wandmalerei von mir in Duisburg zu sehen. Die Ausstellungsmacher Claudia Thümler und André Schweers sowie der Architekt Felix Rahne haben mich zu ihrem Projekt „Quinto Quarto – Das fünfte Viertel“ eingeladen. Architektur, Kunst und Kulinarisches treffen in dem sehr kleinen, sehr netten Lokal Mimi e Rosa, das von Felix betrieben wird, aufeinander. Meine Arbeit „Auster“ ist dort noch bis zur Finissage am 27. August zu sehen. Dann wird es auch eine kulinarische Überraschung geben.
Myriam Resch „Damage, Inc.“: 11.-25.6. Neues aus dem Wald, Viersener Straße 38, Düsseldorf, geöffnet sonntags, 15-18 Uhr und nach Vereinbarung unter 0171-7455520,
Künstlerinnengespräche: 18.+25.6., jeweils 16:30 Uhr

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