Der Ausstellungstitel ist in diesem Fall auch das Sujet. AKADEMIE. Die Macher schreiben ihn in Großbuchstaben. Als sollten erst gar keine Zweifel an der Wichtigkeit der Institution aufkommen. Der Maler Volker Hermes hat in den Neunziger Jahren an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und nun Erinnerungsstücke aus seiner Studienzeit zu der Schau beigesteuert. theycallitkleinparis hat mit Hermes gesprochen. Über den unbändigen Wunsch, Künstler zu werden. Den Vorwurf farbenblind zu sein. Und den Mythos Akademie.
Erinnerst du dich noch an den Moment, als dir zum ersten Mal bewusst wurde, dass du Künstler werden möchtest?
Es gab weder ein Erweckungserlebnis, noch ist mir irgendetwas in einem brennenden Dornbusch erschienen. Es muss wohl ein Prozess gewesen sein, an den ich mich aber auch nicht wirklich erinnere.
Du warst ja ein sehr guter Schüler, hättest beruflich alles Mögliche machen können. Hast du jemals andere Optionen in Erwägung gezogen?
Durch mein Abi standen mir zumindest theoretisch alle Studienmöglichkeiten offen. Aber ich habe zu keinem Zeitpunkt etwas anderes als Kunst machen wollen. Als ich dann zum ersten Mal an der Akademie abgelehnt wurde, begann ich zunächst Philosophie zu studieren. Spätestens nach den vier Semestern Grundstudium war mir allerdings klar, dass ich das nicht wollte. Allerdings waren drei weitere Ablehnungen von den Akademien dieser Nation durchaus dazu angetan, meinen Entschluss für die Kunst zu hinterfragen. Hab‘ ich getan, mit dem Ergebnis, dass ich weiter gemalt habe.
Du hast dein Studium 1995 begonnen. Wie würdest du das Klima an der Akademie zu der Zeit beschreiben? Wer war Rektor, welche Künstler lehrten und welche waren die starken Disziplinen innerhalb der Hochschule?
Herr Lüpertz war Rektor. Damit wäre das Klima schon ganz gut beschrieben. Es lehrten unter anderem Klapheck, Schwegler, Merz, Herold, Oehlen, Cragg, Immendorff und A.R. Penck. Eine ziemlich männlich dominierte Welt, in der Frauen wie Magdalena Jetelova tatsächlich Ausnahmen waren, was sich Gottseidank geändert hat. Die Professoren waren allesamt klasse Künstler. Und grundsätzlich sind alle Disziplinen so stark,wie die Leute, die sie betreiben.
Wie hast du das Bewerbungsprocedere an der Akademie in Erinnerung?
Man gibt seine Mappe ab, wartet, dann fällt das Urteil. Dazwischen liegt für den Bewerber ein großes Geheimnis. Ich war natürlich nicht dabei. Aber es wurde mir zugeraunt, dass Herr Lüpertz angesichts meiner Mappe bemerkte „Der ist ja farbenblind“ und ich damit eigentlich erneut abgelehnt war. Dieter Krieg, den ich vorher etwas holperig kennengelernt hatte, intervenierte – und musste versprechen, mich letztlich in seiner Klasse unterzubringen. So ist es dann auch passiert.
Wie war der Austausch mit Krieg? Wie der mit den anderen Studenten?
Dieter Krieg und ich hatten relativ oft unterschiedliche Meinungen. Rückblickend haben mich die Diskussionen, die sich daraus ergeben haben, sehr geprägt. Obwohl ich sie damals nicht immer cool fand. Aber ich halte ihn bis heute für einen außerordentlichen und grandiosen Künstler. Ich bin sehr froh, in seiner Klasse gewesen zu sein. Der Kontakt zu Mitstudenten der Klasse war tatsächlich ziemlich eng, wir haben viel gemeinsam gemacht.
Rückblickend betrachtet: Was war für dich das Wichtigste, was du aus deiner Akademie-Zeit mitgenommen hast?
Am Ende habe ich eine voll wichtige Urkunde mitgenommen.
Du hast die Akademie mal als eine Art Blase beschrieben. Wie hoch ist das Risiko, den Kontakt zum wahren Leben zu verlieren? Und was bedeutet das in der Folge für die Kunst?
Man verbringt sehr viel Zeit in der Akademie, mehr als in anderen Unis. Man arbeitet eng beieinander, feiert zusammen und unter Umständen geht man auch noch zusammen ins Bett. Das kann sehr hermetisch sein. Mit der Gefahr, dass Spezialkunst für Spezialisten entsteht. Ich fand es immer toller, wenn andere Disziplinen des Lebens in die Kunstwelt hineinragen. Kein anderes Studienfeld darf, soll und kann sich so frei der Welt bedienen. Also her mit allem, was das Leben zu bieten hat, und rein damit in diesen alten Palazzo.
Wie war der Moment, als du dein Studium abgeschlossen hattest und ins „wahre Leben“ entlassen wurdest? Fühltest du dich darauf ausreichend vorbereitet?
Kein Leben gibt es zweimal, man muss es eh selber machen. Mein Studium hatte ich selbst finanziert. Als es vorbei war, war ich schon längst in ein eigenes Atelier gewechselt, mich musste also niemand ans Händchen nehmen. Dieses helikopterhafte oder möglicherweise auch noch autoritäre Betüddeln vom Mittzwanzigern geht mir bis heute auf die Nerven. Man ist schon erwachsen, wenn man ein Studium anfängt, da kann man doch erwarten, dass man sich spätestens am Ende irgendwie selber zurecht findet. Ich war jedenfalls froh, dass es los geht.
In der Ausstellung „Akademie“ sind keine künstlerischen Arbeiten von dir zu sehen. Was hast du zur Schau beigesteuert?
Ich habe im Atelier Kartons und Ordner gefunden, die voller Polaroids, Party-Poster, und Kritzeleien aus dem Studium waren. Das Meiste davon hatte ich total vergessen und ich habe mich sehr amüsiert. Diesen zufälligen Fundus habe ich gesichtet und eine Präsentation erarbeitet. Das Schöne an dieser Ausstellung ist, dass sie sich entwickeln und verändern darf und mir und allen anderen vertraut wird. Das heißt, ich hatte große Freiheiten bei der Auswahl der Exponate. Herausgekommen ist ein sehr persönlicher Rückblick auf die Neunziger Jahre in der Akademie. Tatsächlich habe ich letztlich auch Zeichnungen von mir aus dieser Zeit dazu gehängt, unter anderem das erste Bild, das ich in de Krieg-Klasse gemalt habe. Das musste einfach dabei sein. Sehr lustig, dieser Flashback. Aktuelle Arbeiten zeige ich in diesem Kontext natürlich nicht.
Du hast zuletzt im Rahmen von Markus Ambachs Festival „Von fremden Ländern in eigenen Städten“ ein Projekt mit Studenten der Akademie gemacht. Empfindest du die Kunst-Studenten von heute anders als die deiner Generation?
Grundsätzlich wäre es ja grauenhaft, wenn die Studierenden von heute noch so wären wie wir in den Neunzigern. Ich bin also echt froh, dass das nicht so ist.
Könntest du dir vorstellen, regelmäßig mit Studenten zu arbeiten, beispielsweise als Professor an der Akademie?
Sollte mich der Ruf ereilen, würde ich schon aus Gründen der Eitelkeit und Altersvorsorge nicht Nein sagen. Ich bemühe mich aber nicht drum, sprich, ich bewerbe mich nicht.
Im Pressetext zur Ausstellung heißt es „Die Akademie ist ein gut behütetes Archiv, das sich täglich neu sortiert. Es lebt von flüchtigen Momenten und Begegnungen, die sich nur schwer in Worte fassen und vermitteln lassen. Von Werken, die für die Ewigkeit gemacht sind.“ Klingt so, als wolle man den Mythos mit aller Macht aufrecht erhalten. Oder schlägt die Schau auch kritische Zwischentöne an?
Momentan habe ich keinen kompletten Überblick über alles, was in dieser Ausstellung gezeigt wird (Anm. d. Red.: Das Interview fand ca. zehn Tage vor Eröffnung der Ausstellung statt). Was ich bis jetzt gesehen habe, ist aber durchaus überraschend, lebendig und durch Beteiligung von aktuellen Studenten auch zukunftsgerichtet. Zudem sind die Ausstellungsmacher sehr offen und den Künstlern zugewandt, da ist Kritik auf jeden Fall möglich. Man sollte sie nur auf eigene Weise formulieren. Ich selber muss aufpassen, dass ich nicht nur Dönekes aus alten Zeiten erzähle. Deshalb fange ich erst gar nicht damit an, harmlose Kritzeleien in einen güldenen Rahmen zu stecken, nur weil sie aus der heiligen Akademie stammen. Aber was sich hoffentlich in meinem Beitrag transportiert, ist, dass ich, dass wir uns mit Haut und Haaren in dieses Ding Akademie, in dieses Ding Kunst geschmissen haben und dazu gehörte unter anderem, dass Kommunikation auch durch Zeichnungen stattfand. Wir haben es natürlich auch amtlich krachen lassen. Muss so!
AKADEMIE: 21.10. bis 7.2. Kunst im Tunnel & Kunsthalle, Düsseldorf (Volker Hermes ist an dem Teil der Ausstellung im KIT beteiligt)