Vor einigen Wochen hat Lambert ein neues Album veröffentlicht. Auf „We Share Phenomena“ macht er gemeinsame Sache mit dem US-Amerikaner Brookln Dekker. Dessen warme, soulige Stimme ist wie gemacht für die behutsamen Klavier-Kompositionen des Maskenmanns. Im November und Dezember sind die beiden gemeinsam auf Tour. theycallitkleinparis hatte das Vergnügen, mit Lambert zu sprechen.
Im November dürfte die Hauptsaison für deine Musik anbrechen. Die kurzen Tage, das fehlende Licht, die Kälte, all das scheint prima zu passen zu deinem immer ein bisschen melancholisch anmutenden Klavierspiel. Was für Musik hörst du selber momentan gerne?
Alles von Andy Shauf! Außerdem habe ich gerade das Album „What We Bring“ von Ben Wendel entdeckt.
Für deine jüngste CD hast du gemeinsame Sache mit Brookln Dekker gemacht. Die kreative Verbindung zwischen euch beiden begann bereits vor zehn Jahren in einem Club in Utrecht. Wie genau habt ihr euch kennengelernt?
Ich habe Brooklns Band Rue Royale supported. Lambert war damals noch in den Kinderschuhen und ich erinnere die Performance als bizarr. Ich war auch etwas eingeschüchtert, weil ich beim Soundcheck von Rue Royale mitbekommen hatte, wie toll die beiden zusammen Musik machen.
Wie hat sich der Kontakt über die Jahre entwickelt?
Wir trafen uns meistens irgendwo auf Tour. Irgendwann kam Brookln zu einem Konzert von mir in Leicester. Wir tranken ein paar Bier nach dem Konzert und hatten dabei die Idee, mal einen Song zusammen zu machen.
Du hast Brookln Dekker mal als Geistesverwandten bezeichnet. Worin äußert sich die Nähe zwischen euch?
Das habe ich gesagt, weil wir uns bei den Aufnahmen unserer gemeinsamen Songs nie gesehen haben. Wir haben nur durch die Musik miteinander kommuniziert, erst anhand von Mobiltelefonaufnahmen, die wir hin und her sendeten. Später natürlich auch durch hochwertigere Klangqualität. In meiner Mailbox tauchten in dieser Zeit immer neue Files mit bezaubernd schönem Gesang auf. Brookln wurde sozusagen der singende Geist meiner Mailbox.
Wie lief die Arbeit an den Songs ab?
Ich nahm eine Idee am Klavier mit meinem Telefon auf und schickte sie Brookln. Zwei Stunden später kam eine Telefonaufnahme seinerseits zurück. Das war die Grundlage für die Produktionen, die wir dann in ausgereifter Form pro Song noch etwa drei Mal hin und her sendeten. Und zack, war das Album fertig! Wäre eigentlich relativ schnell gegangen, wenn wir nicht zwischendurch ungefähr ein Jahr Kreativpause eingelegt hätten.
Du hast insgesamt fünf Platten als Solokünstler veröffentlicht. Auf den letzten beiden hast du jeweils mit einem Künstler kollaboriert. Erst mit dem Hamburger Elektroniker Stimming und jetzt mit Dekker. Wolltest du deinen Sound bewusst erweitern oder hat sich das Ganze eher zufällig ergeben?
So richtig bewusst ist das nicht passiert. Aber vielleicht hatte ich Lust auf neue Einflüsse, da ich bisher immer alles alleine gemacht habe. Die Zusammenarbeit mit beiden Künstlern hat meinen Aufnahme- und Produktionsprozess sehr beeinflusst, was ich wiederum für mein nächstes Solo-Album nutzen kann. In erster Linie bin ich sowohl Fan von Stimming als auch von Brookln und musste alleine schon deswegen der Zusammenarbeit nachgehen, als sich die Gelegenheit bot.
Du hast für viele Künstler Klavier-Versionen ihrer Songs geschaffen, die sogenannten Reworks. Boy haben beispielsweise bei dir angefragt, Ja, Panik oder Die Höchste Eisenbahn. Allein bei Tocotronic war es umgekehrt, da hast du die Initiative ergriffen. Was bedeutet dir die Band? Und: Warum hast du dich gerade für „Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen“ entschieden?
Ich bin totaler Fan der Band. Es wird ja immer viel über die Texte von Tocotronic gesprochen, die zweifelsfrei großartig sind. Allerdings wird darüber die musikalische Entwicklung der Band oft gar nicht bemerkt. Die Durchsetzung von großen melodischen Bögen haben Tocotronic immer weiter perfektioniert. Auf dem neusten Album kommt diese musikalische Stärke zum Beispiel in „Electric Guitar“ sehr zum Tragen. In ihren jüngeren Werken wird genau dies durch Produktion, Sound und Spielweise der Band unterstützt. Doch auch auf den älteren Alben glänzen Tocotronic durch harmonische und melodische Raffinesse. Durch die Produktion fällt dies bei „Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen“ nicht sofort auf. Es wirkt fast so als wolle man all dies hier ein wenig verschleiern. Mit meinem Rework wollte ich genau diesen Aspekt an diesem feinen Stück Musik herausarbeiten.
Bei deinen Auftritten als Lambert trägst du stets eine sardinische Stiermaske. In welcher Situation jenseits der Bühne hast du dir zuletzt gewünscht durch eine Maske geschützt zu sein?
Neulich beim Jackenkauf in Hamburg.
Was war da los?
Ich finde Shopping oft erniedrigend. In diesem Fall war es so: Ich hatte eine bestimmte Jacke am Vorabend im Schaufenster gesehen und wollte sie nun kaufen. Der Fummel, den ich anhatte, brachte zum Ausdruck, dass ich sie auch unbedingt brauchte. In der Mittagspause einer Probe mit Martin Stimming begleitete er mich in den Szene-Laden im Schanzenviertel. Der Verkäufer ließ mich wissen, dass es die Jacke in meiner Größe nicht gibt. Er lachte süffisant und sagte ‚Sorry, Jungs‘. Seine kumpelhafte Jugendlichkeit war mir sofort zuwider. Als ich ihn fragte, ob er die Jacke in meiner Größe bestellen könne, sagte er: ‚Boys, ich bin kein Versandhandel. Was weg ist, ist weg‘. Mir war das alles total unangenehm, gleichzeitig schämte ich mich ein wenig für meinen aufkommenden Hass. Ich will nie wieder in die Schanze!
Die Geschichte vom Jackenkauf im Schanzenviertel passt ganz gut dazu, wie du als Lambert auf der Bühne agierst. Während deine Musik nämlich sehr zart und leise daherkommt, sind die Anekdoten dazwischen meist äußerst witzig. Welche Idee steckt hinter diesem Bruch?
Keine Idee. Ich habe nur bemerkt, dass mein Publikum deutlich aufmerksamer ist, wenn ich ihm einen weiteren Zugang zu den Stücken ermögliche.
Nach den Konzerten mischst du dich manchmal unmaskiert unters Publikum und holst Meinungen ein. Welches Statement hat dir bisher besonders gut gefallen?
‚Das ist das Geilste, was ich je in meinem Leben gehört und gesehen habe.‘
Und gab es auch eins, das du nicht so mochtest?
‚Der Typ ist bestimmt total hässlich, das konnte die Maske auch nicht verschleiern.‘
24.11., 21 Uhr, FFT Kammerspiele, Düsseldorf