Philipp Holstein ist jemand, der die Musik liebt. Ebenso wie die Literatur. Damit ist er genau der richtige Mann für das neue Format „Rückkopplung“, das am 17. Januar in der Zentralbibliothek Premiere hat. Gemeinsam mit Verena Meis wird sich Holstein zukünftig an vier Abenden im Jahr der Frage widmen, welche Auswirkungen das Eine, die Musik also, auf das Andere, nämlich die Literatur hat. theycallitkleinparis hat dem Kulturredakteur ein paar Fragen gestellt.
Am 17. Januar hat mit „Rückkopplung“ eine neue Veranstaltungsreihe von Verena Meis und dir Premiere in der Zentralbibliothek. Wie entstand die Idee dazu? Und was genau erwartet die Zuhörer an dem Abend?
Die Idee stammt von Annette Krohn von der Zentralbibliothek. Verena hatte im vergangenen Jahr eine Veranstaltungsreihe zu Sibylle Berg in der Stadtbücherei, und sie lud mich an einem Abend ein, um über Musik in Bergs Romanen zu sprechen. Aus der Veranstaltung entstand der Gedanke, etwas Eigenes zum Thema Literatur und Musik zu machen. Ergebnis: In diesem Jahr soll es vier Veranstaltungen geben, über HipHop zum Beispiel und Punk. Bei der Premiere fragen wir, wie der Jazz Autoren sowohl thematisch, aber auch als Sound inspiriert hat, der sich im Klang der Texte wiederfindet. Wir werden Musik spielen, Texte vorstellen, diskutieren und empfehlen. Das Ziel ist, dass die Gäste nach der Veranstaltung fingerschnippend nach Hause gehen.
Der Begriff der Rückkopplung habt ihr einem Songtext von Blumfeld entliehen, einer Band, die sich nach der Hauptfigur einer Kurzgeschichte von Franz Kafka benannt hat. Wäre das Musik, über die ihr im Rahmen von „Rückkopplung“ sprechen könntet?
Ja, ganz bestimmt. Wir haben angedacht, eine Ausgabe Musikern zu widmen, die auch schreiben. Mal sehen, ob es was wird. Jochen Distelmeyer wäre da auf jeden Fall jemand, der gut passt. Obwohl er als Musiker und Liedschreiber dann doch größer ist denn als Romancier. Und von Dirk von Lowtzow kommt Mitte Februar ja auch das erste Buch.
In der Auftaktveranstaltung widmet ihr euch aber zunächst mal dem Thema Literatur und Jazz. Es kann um Bücher gehen, in denen der Jazz thematisch eine Rolle spielt. Aber auch um Autoren, die sich vom Jazz beeinflussen ließen. Kannst du dafür mal ein, zwei Beispiele geben?
Jack Kerouac: Sein Sound ist an Charlie Parker geschult. James Baldwin: Seine sprachlichen Rhythmen in „Beale Street Blues“ sind die des Jazz.
Wie genau spürt man den Einfluss des Jazz in den Büchern von Friedrich Christian Delius?
Die Erzählung „Die Zukunft der Schönheit“ von Delius finde ich total toll. Er beschreibt, wie er 1966 durch Zufall in ein Konzert von Albert Ayler in New York gerät. Free Jazz also, für ihn allerschlimmster Lärm, reines Chaos. Aber dann öffnet er sich dieser Musik, er kommt buchstäblich in den Groove. Am roten Faden der Musik reflektiert der Ich-Erzähler seine Jugend, sein Leben, die Gegenwart. Ihm geht auf, warum diese Musik so klingen muss, wie sie klingt. Das Buch zu lesen dauert ebenso lange, wie das Konzert damals gedauert hat. Ich las es im Sommerurlaub, und es gehört zum Besten, was ich zuletzt entdeckt habe. Verena sieht das übrigens etwas anders, das könnte dann also der Punkt sein, an dem wir zu diskutieren beginnen.
Verena ist Literatur- und Theaterwissenschaftlerin. Du hast Germanistik, Anglistik und Politologie studiert. Wie darf man sich eure jeweiligen Vorlieben im Hinblick auf Literatur und Musik vorstellen?
Was ich an Verena schätze, ist, dass sie Lust hat auf die Gegenwart. Sie widmet sich aktuellsten Werken und versucht, sich einen Reim darauf zu machen. Sie ist dabei sehr analytisch, hat ihren theoretischen Werkzeugkoffer immer dabei. Ich weiß gar nicht, ob wir musikalisch so nahe beieinander sind, wahrscheinlich nicht. Das macht aber nichts, weil ich das Gefühl habe, dass wir beide sowohl in der Literatur als auch in der Musik immer auch nach dem Neuen suchen. Und wenn wir es gefunden haben, ist da diese Euphorie, in der man einander SMS schreibt im Sinne von: „Das muss du jetzt unbedingt auch sofort hören oder lesen, bitte!“ Das mag ich.
Viele Menschen nehmen sich heute nur noch wenig Zeit fürs Lesen. Stattdessen schauen sie Serien oder investieren Zeit, um in den sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Du arbeitest seit vielen Jahren als Kulturredakteur für die „Rheinische Post“: Wie viele Bücher liest du im Schnitt pro Monat?
Da gibt es keinen Schnitt. Da kommt auch darauf an, wie eingespannt ich bin.
Welches war das beste, das du in der letzten Zeit gelesen hast?
Delius habe ich ja schon beschwärmt. Dann „Die Jahre“ und „Erinnerungen eines Mädchens“ von Annie Ernaux. Eine junge irische Autorin ist mir aufgefallen: Sally Rooney. Ihre Romane „Normal People“ und „Conversation With Friends“ finde ich super.
Und dann muss ich den Musikfreund in dir natürlich auch fragen: Welche war deine Platte des Jahres 2018?
Ich kann mich zwischen zweien nicht entscheiden: „Cerebral Hemispheres“ von Mr. Fingers und die „NTS Sessions“ von Autechre. Die höre ich beide nach wie vor oft und gerne.
Du verfasst selber ständig Texte, wenn auch keine literarischen, sondern journalistische. Gibt es Musik, die deine Artikel beeinflusst?
Vielleicht, wenn ich eine Konzertkritik schreibe. Mein Ideal ist, dass sich der Sound des Künstlers im Sound des Textes spiegelt. Das passt aber nicht immer und gelingt auch nicht immer.
Angenommen, du müsstest ein Leben ohne Literatur oder ohne Musik führen. Wofür würdest du dich entscheiden?
Unsere Veranstaltung wird zeigen, dass das Eine ohne das Andere nicht denkbar ist.
17.1., 20 Uhr, Zentralbibliothek, Düsseldorf
21.1., 19:30 Uhr, Friedrich Christian Delius liest aus „Die Zukunft der Schönheit“, Heine Haus, Düsseldorf