Vor kurzem haben sechs Düsseldorferinnen das Kollektiv „Vulvierende Venus“ gegründet. Sie möchten bestimmte frauenspezifische Themen, die gemeinhin eher im privaten Rahmen besprochen werden, öffentlich machen. Zum Beispiel mit ihrer ersten Ausstellung. Die startet am 5. April im K4 auf der Kiefernstraße. theycallitkleinparis hat vor der Vernissage mit Lena Lindemann gesprochen. Die 27-Jährige ist Teil des Kollektivs und studiert an der Heinrich-Heine-Uni Medien- und Kulturwissenschaften.
Du bist Mitglied des Frauenkollektivs „Vulvierende Venus“. Seit wann gibt es euch?
Die Freundschaften untereinander bestehen schon seit Jahren, ebenso die Auseinandersetzung damit, dass bestimmten Themen bis dato zu wenig Aufmerksamkeit und Gehör geschenkt wird. Es hat uns geärgert, dass vieles zwar in den eigenen vier Wänden mit Freundinnen besprochen und in Frage gestellt wird, nicht aber in der selben Intensität und Intimität im öffentlichen Raum. Der Gedanke, es eben dorthin zu holen, wurde dann im Januar in die Tat umgesetzt.
Frauen sind in vielen Bereichen unterrepräsentiert, auch in der Kultur. War das Anlass für eure Gründung?
Diese Problematik spielt definitiv eine große Rolle für unsere Gründung. Es ist ja nicht so, dass es kaum Frauen gäbe, die im Kunst- und Kulturbereich tätig sind, sie erfahren nur nicht die Wertschätzung und Unterstützung, die sie verdienen; also das ist ein strukturelles, gesellschaftliches Problem, nicht nur das der Kulturszene. Dort kann man aber anknüpfen und etwas bewegen, das ist das Ziel.
Wie viele Frauen sind derzeit Teil des Kollektivs?
In der Kerngruppe sind wir zu sechst, es sind aber momentan elf Frauen an der Ausstellung beteiligt, sei es als Künstlerinnen oder als Teil der Orga.
Was sind das für Frauen?
Wir sind eine gemischte Gruppe verschiedenen Alters, einige von uns sind Studentinnen, andere berufstätig, was uns aber tatsächlich ausmacht sind weder unser Alter noch unser beruflicher Werdegang, sondern der Antrieb, etwas verändern zu wollen. Das sollte im Vordergrund stehen.
Die Gruppe ist aber auch für weitere Frauen offen, oder?
Ja, definitiv! Wir laden ganz klar dazu ein, sich uns anzuschließen oder sich zu beteiligen. Wir würden uns wünschen, dass das Kollektiv noch diverser wird, um möglichst viele, intersektionale Problematiken thematisieren zu können.
Inwiefern machen rein weibliche Netzwerke wie eures Sinn, zumal Frauen ja nachgesagt wird, dass sie andere Frauen nicht supporten würden?
Eben aus dem Grund, dass sich solche Annahmen so hartnäckig halten, ist es wichtig mit einem Positivbeispiel voranzugehen. Es gibt so viele rein männliche Netzwerke, die wohl niemals mit der Frage konfrontiert würden, ob sie ihre Arbeit konfliktfrei verrichten können. Wir wollen nicht auf unser Geschlecht reduziert werden und dafür sorgen, dass „Frauenthemen“ kein Tabu mehr darstellen. Es ist aber nicht so, dass wir partout keine Männer aufnehmen würden, wenn sie Interesse hätten.
Ihr sagt, ihr möchtet auf künstlerische Weise einen safespace bieten. Wovor genau müssen
Frauen denn geschützt werden?
Wir gehen davon aus, dass unsere Ausstellung tolerante, feinfühlige Menschen anlockt, die neugierig sind. Wenn die Umstände es zulassen, können Frauen sich sehr gut selbst schützen. Da wir einladen, unsere Ausstellung zu besuchen, in der explizite Kunst gezeigt wird und zu Gesprächsrunden, bei denen intime Themen besprochen werden, ist es unsere Aufgabe zu gewährleisten, dass sich alle wohl fühlen. Der Begriff safespace/ saferspace bedeutet, dass wir unangenehmes, respektloses oder übergriffiges Verhalten nicht dulden werden und unsere Besucherinnen auf uns als Ansprechpartnerinnen zählen können.
Am 5. April startet die erste Ausstellung von „Vulvierende Venus“ im K4 auf der Kiefernstraße. Eine eurer Mitstreiterinnen zeigt in dem Rahmen Fotos von Vulven. Im Vorfeld der Schau habt ihr drei Vulva-Shootings veranstaltet. Wie war die Resonanz?
Es gab sehr viel positives Feedback und wir haben über Aufrufe in den sozialen Netzwerken viele verschiedene Frauen gefunden, die mitmachen wollten. Das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde, wissen wir enorm zu schätzen. Die Shootings haben allen Beteiligten viel Spaß gemacht und die Selbstakzeptanz und -liebe gefördert.
Und wo fanden die Shootings statt?
In einer Wohnung auf der Kiefernstraße, wir wollten den intimen Rahmen auch von unserer Seite aus herstellen. Ich lade dich als fremde Person zu mir nachhause ein, du bist also nicht die Einzige die sich verletzlich macht.
Was für Kunstwerke werdet ihr darüber hinaus im Rahmen der Ausstellung zeigen?
Es wird verschiedene Fotoarbeiten, Gemälde, (Video-)Installationen und Skulpturen geben.
Die Schau ist täglich ab 16 Uhr geöffnet. Um 18 Uhr startet dann das Rahmenprogramm.
Was habt ihr dafür geplant?
Jeden Montag werden wir einen Film zeigen und anschließend miteinander besprechen, donnerstags wird es Literaturabende geben, zu denen die Besucher Bücher mitbringen können, Freitag und Sonntag bieten wir offene Gesprächsrunden an, bei denen wir im Wechsel unter anderem die Themen Menstruation und Lust besprechen werden. Samstag wird es Performances und anschließend Party geben.
Die Ausstellung läuft drei Wochen. Habt ihr schon Pläne für weitere Aktionen, verfolgt ihr langfristige Ziele?
Wir werden uns zunächst für die Open Squares im Rahmen des Open Source Festivals bewerben und hoffen, dass wir somit eine noch größere Reichweite erlangen. Langfristig möchten wir weitere, noch umfangreichere Ausstellungen auf die Beine stellen und eben ein großes Netzwerk bilden, das es ermöglicht möglichst vielen Frauen eine Bühne zu bieten.
Das Logo auf der Einladungskarte für eure erste Ausstellung zeigt eine Vulva. Nun lebt ja mit Mithu M. Sanyal eine wahre Expertin auf dem Gebiet in Düsseldorf. Seid ihr mit ihr bereits in Kontakt?
Ja, wir haben Mithu zu unserer Vernissage eingeladen und gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, an einem der Gesprächsabende einen kleinen Vortrag zum Einstieg zu halten. Sie hat Interesse und das freut uns, weil wir ihre Arbeit sehr schätzen.
Männer finden ihre Penisse meist ganz gelungen. Wie sonst sollte man sich erklären, dass sie Frauen durchaus mal Fotos ihres besten Stücks zukommen lassen. Umgekehrt wäre das ziemlich undenkbar. Warum haben Frauen ein so distanziertes Verhältnis zu ihren Vulven?
Wenn das Verschicken des Penisses auf Wunsch und im Konsens geschieht, stimme ich dir zu, dass es zeigt, dass Männer häufig so sozialisiert werden, dass sie stolz auf ihn sind. Was ja eine schöne Sache ist und wünschenswert für alle Geschlechter. Wäre es gesellschaftlich akzeptierter, dass auch Frauen ein gesundes Selbstbewusstsein und Akzeptanz ihrer Vulven zelebrieren können, wäre die Gleichberechtigung der sexuellen Selbstentfaltung einen wichtigen Schritt weiter. Und wenn jeder Mensch verstehen würde, dass nicht alle Frauen Vulven und nicht alle Männer Penisse haben. Wenn wir über unaufgeforderte dickpics von Fremden reden, wie es ja bei Instagram und Tinder sehr oft vorkommt, ist es nichts als eine übergriffige Machtdemonstration.
5.-27.4. K4, Kiefernstr. 4, Düsseldorf, täglich ab 16 Uhr geöffnet
Hinweis: Auf gendergerechte Sprache wurde bei diesem Gespräch aus Gründen der Einheitlichkeit verzichtet. Lena Lindemann betont aber ausdrücklich, dass in den entsprechenden Fällen stets alle Geschlechtsidentitäten angesprochen sind.