Sagen wir es, wie es ist: Frauen sind im Musikgeschäft im Jahr 2019 gnadenlos unterrepräsentiert. Das selbstorganisierte Kultur- und Konzertkollektiv fem_pop möchte dem entgegenwirken, Frauen eine Bühne bieten und die Vernetzung ankurbeln. Seit Februar organisieren Anna, Meike, Jule und Jessi regelmäßig Konzerte im zakk. theycallitkleinparis hat mit dem Quartett gesprochen.
Beim diesjährigen „Rock am Ring“ traten 76 Acts auf. 271 Menschen standen dort auf der Bühne. Was schätzt ihr, wie viele davon Frauen waren?
Jule: Sicher wenige! So 20?
Es waren genau 9 Frauen, 262 Männer. Der Frauenanteil des „Rock am Ring“ lang damit bei knapp über 3 Prozent. Eine Ausnahme? Oder doch eher die Regel?
Meike: Das ist leider immer noch eher die Regel – das wollen wir ändern! Zum Glück sind wir dabei derzeit auch nicht allein. Die Keychange-Initiative setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass bis 2022 eine 50/50-Quote auf Festivals herrschen soll. Eine entsprechende Selbstverpflichtung haben schon mehr als 100 Festival-Veranstalter unterschrieben. Bei einigen ist die Quote sogar schon umgesetzt, zum Beispiel beim „Primavera Sound“ oder auf dem „Iceland Airwaves Festival“.
Im Gegensatz zu den Siebziger oder Achtziger Jahren gibt es mittlerweile zahlreiche Frauen, die Musik machen und nicht zwangsläufig und ausschließlich Sängerin und Blickfang einer Band sind. Wie erklärt ihr euch, dass sich diese Frauen in den Line-Ups vieler Festivals trotzdem nicht wiederfinden?
Anna: Neben der gelegentlichen Schwierigkeit, manchmal für das eigene Festivalkonzept passende female Acts an einem bestimmten Termin zu bekommen, würden wir da eine immer noch sehr männlich geprägte Booking- und Veranstaltungsbranche am Werk sehen. Dabei kommt man nicht weiter, wenn man diesen Menschen Böswilligkeit oder bewusste Ausgrenzung unterstellt. Vielmehr geht es jetzt darum, dass Personen mit Entscheidungsmacht, ihre gewohnten Perspektiven erweitern, Macht teilen und verstehen, dass sich neben Männer auch alle anderen Geschlechter auf Festivalbühnen repräsentiert sehen wollen.
Genau da setzt eure Reihe „fem_pop“ an. Seit wann gibt es die?
Jessi: Wir veranstalten unsere Konzerte seit Februar 2019 – wir haben aber im Oktober 2018 schon zusammengefunden und gemeinsam an unserer Idee gearbeitet.
Was ist euer Konzept? Wonach wählt ihr die Künstler, die ihr einladet, aus?
Meike: Unser Fokus liegt auf female und nicht-binären Acts. Es geht uns um musikalische Projekte, in denen Frauen und nicht-binäre Personen in maßgeblicher Position mitwirken und performen. Das können dann neben All-Female-Konstellationen auch gemischt-geschlechtliche Bands sein. Feste Kriterien haben wir nicht – wir verlassen uns einfach auf unseren Geschmack und versuchen einen musikalisch spannenden Abend mit tollen Künstlerinnen und Künstlern zu kuratieren.
Wie viele Konzerte habt ihr bisher veranstaltet? Und wen hattet ihr zu Gast?
Anna: Bisher haben wir drei Konzerte im zakk veranstaltet. Kaleo Sansaa aus Köln hat unsere Konzertreihe im Februar mit ihren afrofuturistischen Beats und poetischen Lyrics eröffnet. Danach ging es weiter mit Taz Chernills experimentellem Jazz-Soul und MADANII, R&B respektive Soul aus Berlin.
In welche Richtung geht es musikalisch?
Jule: Wir sind musikalisch sehr offen und wollen unterschiedlichste Musikerinnen und Musiker auf die Bühne bringen. Da kann ein Konzert schon mal soulig sein, während die zwei nächsten Shows eher psychedelische Synthie-Tunes oder HipHop bedienen.
Wie ist die Resonanz von Seiten des Publikums bisher? Sprecht ihr ein anderes Publikum an, als das, das normalerweise ins zakk kommt?
Jessi: Unser Publikum ist immer sehr begeistert von der Intensität und der vertrauten Atmosphäre unserer Shows. Im Gegensatz zu den Personen auf der Bühne, möchten wir aber keine bestimmte Gruppe von Menschen erreichen. Bei unseren Shows ist jeder im Publikum willkommen. Denn was wir bieten ist ja vor allem gute Musik. Und die ist für jeden spannend, unabhängig von Geschlecht oder Alter. Wir wollen also kein anderes Publikum ansprechen, als das klassische zakk-Publikum, sondern eher ein noch größeres. Am schönsten ist eine Show, wenn das Publikum einfach bunt durchmischt ist – und gemeinsam eine gute Zeit hat.
Hinter „fem_pop“ steckt ein selbstorganisiertes Kultur- und Konzertkollektiv. Und wie habt ihr euch gefunden?
Anna: Wir kannten uns vorher bereits über ein paar Ecken. Als die Idee für fem_pop geboren wurde, haben wir schnell zusammengefunden. Wir sind vier junge Frauen Mitte Zwanzig, die sich auf verschiedenen Ebenen mit Musik, Kultur und Feminismus beschäftigen, und diese Themen mit viel Leidenschaft in unserem Projekt zusammenbringen.
Am 26. Juni findet das vierte Konzert eurer Reihe statt. Dann ist Juno Francis, ein Duo aus Berlin, zu Gast. Was erwartet die Zuschauer?
Meike: Eine bunte, schillernde und psychedelische Show! Juno Francis vermischen die Synthie-Ästhetik aus den 80ern mit Sounds aus den 60ern und einer modernen Pop-Anmutung. Das Ergebnis passt perfekt in den Sommer und ist unglaublich tanzbar – eine ihrer erfolgreichsten Singles heißt darum wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht „Dance with me“.
Eure Aktivitäten beschränken sich nicht allein auf die Organisation von Konzerten. Beim diesjährigen „Düsseldorf Pop Day“ gab es ein fem_pop-Vernetzungstreffen, Anfang Juni hielt Maja Hagedorn von Queers to the front Booking einen Vortrag zum Thema „Als trans Frau in der Punkszene“. Was plant ihr abgesehen von der Musik für die nahe Zukunft?
Anna: Wir möchten gerne Frauen und nicht-binäre Personen aus der Musikbranche Düsseldorfs untereinander vernetzen. Dazu haben wir einen E-Mail-Verteiler (fempop@lists.riseup.net) gestartet, über den sich ausgetauscht werden kann. Wir hoffen, dass dadurch vielleicht neue Projekte entstehen oder gemeinsame Pläne geschmiedet werden. Sonst werden wir in Zukunft auch auf anderen Veranstaltungen präsent sein – zum Beispiel am 13. Juli mit einem Open Square auf dem „Open Source Festival“.
Was möchtet ihr mit eurer Reihe erreichen?
Jule: Wir möchten vor allem zeigen, wie viele tolle und begabte Musikerinnen es aktuell gibt. Wenn unsere Zuschauer nach einer Fem_Pop-Show mit einer neuen Lieblingsmusik oder einem Ohrwurm nach Hause gehen, dann haben wir ziemlich viel richtig gemacht. Natürlich wollen wir aber auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Feminismus auch heute noch in allen Lebensbereichen notwendig ist – auch in der Musikszene! Wunderbar wäre es, wenn sich weitere lokale Kulturakteure für eine intersektionale feministische Perspektive sensibilisieren und diese in ihrer Arbeit umsetzen.
26.6., 20 Uhr, Juno Francis, zakk, Düsseldorf