Curated Affairs nennt sich das Projekt der Künstlerin Angelika Trojnarski und der Literaturwissenschaftlerin Kasia Lorenc. Gemeinsam möchten die beiden polnischstämmigen Damen in Zukunft Ausstellungen und Events an wechselnden Orten organisieren. Am 21. Juni startete ihre Schau „ROSA“ zum 100. Todesjahr von Rosa Luxemburg. Für theycallitkleinparis Anlass genug, Angelika Trojnarski ein paar Fragen zu stellen.
Du hast an der hiesigen Kunstakademie studiert und bist Meisterschülerin von Andreas Gursky. Neben deiner eigenen künstlerischen Arbeit bist du auch als Kuratorin tätig. Warum ist dir das wichtig?
Ausstellungen zu konzipieren und mich mit anderen Künstlern und deren Werk auseinanderzusetzen, schärft mein Sehen und Verständnis. Zu erkennen und zu formulieren, warum eine Arbeit herausragt, hat mich in meiner eigenen Arbeit, insbesondere in der Zeit nach meinem Abschluss, weitergebracht. Das können Ausstellungsbesuche und Künstlergespräche natürlich auch leisten, jedoch empfinde ich, dass die Kuration intensiver wirkt. Dabei setze ich mich mit unterschiedlichen Positionen und ihren Beziehungen zueinander auseinander. Gleichzeitig lerne ich dabei viele neue Menschen kennen, die manchmal zu treuen und wertvollen Wegbegleitern werden.
Bis Ende 2017 warst du Mit-Betreiberin des Offraums „Trabanten“ in Oberbilk.
Den Ausstellungsraum „Trabanten“ haben der Künstler Kai Richter und ich 2015 gemeinsam gegründet und drei Jahre lang geführt. Wir haben uns sehr gut ergänzt, da wir beide zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Fachklassen der Akademie absolvierten und als Bildhauer beziehungsweise Malerin unterschiedlichen Künstlerkreisen angehörten. Mit unseren beiden Sichtweisen, Erfahrungen und Urteilsvermögen spielten wir Ping Pong und ließen die Ergebnisse in Ausstellungen münden. Die letzte war Ende 2017, da wir beide nach drei Jahren einfach Lust auf ein apartes Ende hatten.
Mittlerweile firmierst du unter „Curated Affairs“. Was darf man sich darunter vorstellen?
„Curated Affairs“ sind Kasia Lorenc und ich. Wir sind ein kleines Kollektiv, das wir mit dem Wunsch, Ausstellungen und Events zu initiieren, gegründet haben. Wir haben bewusst keine festen Räume und werden auch in Zukunft ein reines Pop-Up-Projekt bleiben. Dies ist einerseits den raren bezahlbaren Kulturflächen geschuldet, andererseits genießen wir so die Freiheit, nicht durchgehend ein Ausstellungsprogramm zu fahren, um die angemieteten Räume effizient nutzen zu können. Für unsere erste Ausstellung „ROSA“ beispielsweise sind wir Gäste der Galerie Engelage & Lieder, wobei zu erwähnen ist, dass keine unserer Ausstellungen kommerziell ist. Unsere Projekte finanzieren wir ausschließlich über Fördergelder und kooperieren dabei idealerweise mit bestehenden Kulturorten und Institutionen. Kasia und ich sind beide in Polen geboren, leben und arbeiten aber in Düsseldorf und machen das Polnische zu einem roten Faden unserer Arbeit – sei es im Ausstellungsinhalt oder in der Künstlerliste.
Welche Erfahrungen bringt Kasia Lorenc in das Projekt ein?
Kasia ist Literaturwissenschaftlerin mit jahrelanger Erfahrung in Projekt-Konzeption, -Entwicklung und -Management sowie Ausstellungsorganisation. Bevor sie 2017 nach Düsseldorf kam, arbeitete sie unter anderem bei Żak Branicka und als Galeriemanagerin bei Gregor Podnar in Berlin.
Unter dem Titel „ROSA“ hatte am 21. Juni eure erste Ausstellung Eröffnung, eine Gruppenschau zum 100. Todesjahr von Rosa Luxemburg. Was bedeutet Luxemburg euch als Kuratorinnen?
Die wenigsten wissen, dass Rosa Luxemburg als Rozalia Luxsenburg in Polen geboren wurde. Sie lebte ihr Leben selbstbestimmt und abseits der von ihr erwarteten Rollenverteilung als Frau. Um die Studiumsrestriktionen für Frauen zu umgehen, ging sie an die Universität Zürich, an die einzige deutschsprachige Hochschule, an der damals Frauen und Männer gleichberechtigt studieren durften. Später setzte sie sich leidenschaftlich für die Rechte von Arbeiterinnen ein, unterstützte die Abschaffung frauendiskriminierender Gesetze und das Frauenwahlrecht.
Und wie aktuell ist ihr Gedankengut im Jahr 2019?
Luxemburgs Schriften, Theorien und Ideen sind zwar über 100 Jahre alt, doch in der heutigen politischen Zeit der wachsenden sozialen Ungerechtigkeit durch zunehmende kapitalistische Wirtschaft, durch das noch immer währende Ringen um Geschlechtergleichstellung und durch die sich ausbreitende Fremdenfeindlichkeit gegenwärtiger denn je.
Luxemburg kämpfte damals für Gleichheit, Demokratie, Frauenrechte und für ein selbstbestimmtes Leben. Sie war gegen Krieg und Militär und versuchte mit aller Kraft der Ersten Weltkrieg zu verhindern. Sie war gegen Kapitalismus-Exzesse und gegen Nationalismus. All das ist von universeller Bedeutung und heute in jeder Hinsicht genauso relevant wie damals.
An „ROSA“ sind insgesamt acht Künstler beteiligt. Wie nähern sie sich den gedanklichen Prozessen von Rosa Luxemburg?
Evamaria Schallers Fotoserie „Becoming Native“ basiert auf einem von der Künstlerin vorgenommenen DNA-Test, in dem unterschiedliche, für sie überraschende Ethnien nachgewiesen wurden. Sie entdeckte fremde Vorfahren im Osten Europas und auch in den Weiten Afrikas und Asiens. Die Arbeit wirft Fragen nach Identität, Heimat und Migration auf und zieht das enge Konzept von Herkunft in Zweifel. Sie zeigt uns gleichzeitig, wie abstrakt klare Rasseneinteilungen oder Nationenbildungen sind. „Was ist, wenn unsere Herkunft kein Zentrum mehr besitzt, keine Mitte, die wir Heimat nennen möchten“, fragt Schaller. Die Künstlerin hat sich mit den Gen-Test-Ergebnissen auf Recherchen begeben und sich mit traditionellen Schmucknarben, Bemalungen, Traditionskleidung ablichten lassen. Auf Basis ihres eigenen Genpools nahm sie dabei verschiedene Identitäten an.
Magdalena Kita strebt mit Hilfe ihrer gemalten Protagonistinnen, ebenso wie Luxemburg, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern an. Kita ist Feministin, die künstlerisch für eine gestärkte, weibliche Sichtbarkeit und das Bewusstsein für feministische Themen kämpft. Wir zeigen dazu zwei Arbeiten auf Holz, die auf stereotype Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Machtstrukturen reagieren.
Einer weiterer beteiligter Künstler ist Ulf Aminde, der die öffentliche Ausschreibung für das Mahnmal für die NSU-Opfer an der Kölner Keupstraße gewann. Wie muss man sich seinen Entwurf vorstellen?
Ulf Amindes geplantes Mahnmal besteht aus einer gegossenen, 6 mal 24 Meter großen Betonplatte, die dem Grundriss des Kölner Friseursalons, vor dem die Nagelbombe explodierte, nachempfunden ist. Amindes Idee: „Ihr greift ein Haus an, wir bauen gleich ein zweites.“ Sein Haus auf diesem physischen Fundament besteht aus virtuellen Wänden, die über ein Smartphone oder ein Tablet aufgerufen werden. Die Besucher können sich an diesem lebendigen und modernen Begegnungsort anhand von Zeitungsberichten, Videos und Interviews mit der migrantischen Perspektive und dem migrantischen Widerstand beschäftigen.
Die Nagelbombe, die 22 Menschen auf der Keupstraße zum Teil schwer verletzte, explodierte im Juni 2004, die Tat liegt also mittlerweile 15 Jahre in der Vergangenheit. Wann wird das Mahnmal errichtet werden?
Diese Antwort bleiben die Stadt Köln beziehungsweise die Bürgermeisterin Henriette Reker dem Künstler, den Opfern sowie deren Angehörigen seit drei Jahren schuldig. 2016 gewann Ulf Aminde einstimmig die öffentliche Ausschreibung für das Mahnmal, für das die Stadt Köln ein Gelände an der Keupstraße Ecke Schanzenstraße vorsah. Dieser Standort gehörte jedoch nicht der Stadt, sondern einer Investorengruppe. Nun soll das Mahnmal an einer Stelle errichtet werden, die zur Tat keinen Bezug hat.
Was ist von „Curated Affairs“ in Zukunft zu erwarten?
Im Herbst sind wir im Polnischen Institut und holen anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft Düsseldorf/Warschau ein Stück Warschau nach Düsseldorf. In dialogorientierter Präsentation zeigen wir in zwei Gruppenausstellungen junge zeitgenössische Positionen beider Städte in den Medien Fotografie, Installation und Skulptur und untersuchen sie auf mögliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Ausstellung lädt dabei zu einer internationalen Spurensuche ein, bei der sich Kunstschaffende zweier Kulturen begegnen und gemeinsam fragen: Vor welcher Obliegenheit stehen moderne Künstler an Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und politischer Praxis?
„ROSA“: bis 31.7. Ackerstr. 199, Düsseldorf, Mi-Sa, 14-19 Uhr