Luise Weidehaas im Interview – „Mein Fokus liegt auf der Melodie“

Luise Weidehaas ist weit davon entfernt eine Debütantin zu sein. Weit über 100 Konzerte hat die Düsseldorfer Musikerin in den vergangenen Jahren im ganzen Land gespielt. Unter anderem gastierte sie beim „Acoustic Summer“ und beim „Melodica Festival“. Am 27. März erscheint nun Weidehaas‘ Debütalbum. Unter dem Titel „Shore“ legt sie zehn neue, wunderbare Lieder vor. theycallitkleinparis hat mit der Düsseldorferin gesprochen.

Luise, als ich das letzte Interview für theycallitkleinparis mit dir führte, 2015 war das, erlebten wir beide aufregende Zeiten. Ich hatte gerade mein Blog gestartet, du warst die Allererste, die ich dafür interviewte. Du hattest gerade deine erste EP „Swell“ veröffentlicht. Viereinhalb Jahre später erscheint nun unter dem Titel „Shore“ dein Debütalbum. Warum hast du dir so lange Zeit gelassen?
Ich habe mir nicht bewusst Zeit gelassen. Es war eher so, dass die Zeit einfach verflog, wie das so ist. David (Schütte, Produzent und Arrangeur des Albums, die Red.) und ich arbeiten beide viel, und gerade er als Profimusiker ist immer extrem beschäftigt. Ich wollte das Album aber unbedingt mit David machen, weil ich ihm einfach tausendprozentig vertraue. Er hat einen guten Musikgeschmack, ist sehr versiert, außerdem verstehen wir uns prima. Weil David so viel auf dem Schirm hat, konnten wir uns für „Shore“ keine drei Wochen am Stück Zeit nehmen. Stattdessen haben wir uns in den vergangenen Jahren immer mal wieder getroffen, um an den Songs zu arbeiten. Zwischen den einzelnen Aufnahmen sind aber oft Monate vergangen, in denen wir einfach keinen gemeinsamen Termin gefunden haben.

Das stelle ich mir wahnsinnig schwierig vor, unter den Umständen die Spannung hochzuhalten und nach so langen Pausen wieder anzuknüpfen.
Das ist schwierig, ja. Die Idealvorstellung für Aufnahmen wäre natürlich, sich mal ein paar Wochen komplett aus dem Alltag zu stehlen und irgendwo in einer Hütte total konzentriert zu arbeiten an einem Album. Aber das liest man leider immer nur über andere Musiker.

Aus welchem Zeitraum stammen denn die Songs?
Der jüngste Song ist „Schwalben“, der ist im August vergangenen Jahres beim „Haldern Pop Festival“ entstanden. Es sind aber auch wahnsinnig alte Sachen auf dem Album, gerade die Texte dürften teilweise noch vor 2015 entstanden sein. Ich habe David dann eine Auswahl von Liedern vorgespielt, die letztendlich auch alle auf dem Album gelandet sind.

Sind die Texte folgerichtig immer zuerst da?
Nein. Manchmal geht es auch parallel. Dann habe ich eine textliche Idee, nehme die Gitarre und bringe beides zusammen. Das sind dann aber weniger Naturbeschreibungen, eher so emotionale Themen, die mich gerade sehr beschäftigen.

Deine Texte sind sehr poetisch. Hast du jemals probiert, sie ohne Musik vorzutragen, einfach pur?
Ich habe einmal vor vielen Jahren in der Bücherei Gedichte vorgelesen. Gar nicht der Rede wert eigentlich. Dabei habe ich festgestellt, dass das reine Vortragen viel aufregender ist als das Singen. Davon abgesehen liegt mein Fokus immer auf der Melodie, dem Klang.

Du hast ja eben schon den Song „Schwalben“ erwähnt, der beim Haldern entstanden ist. Kannst du an dem vielleicht mal exemplarisch erklären, wie ein Song bei dir entsteht?
Ich war immer gerne auf Festivals, früher auch auf ganz großen. Das ist für mich lange die schönste Freizeitbeschäftigung gewesen. Heute schaffe ich in der Hinsicht nicht mehr so viel, aber Haldern muss immer sein. Haldern hat für mich, ich will jetzt nicht zu dick auftragen, fast etwas Religiöses. Ich bin ja Fan und genieße es sehr, den Musikern zuzuhören. Auch der Start in den Tag ist in Haldern sehr besonders. Wenn man aus dem Zelt rauskriecht, die gute Landluft einatmet und nichts machen muss, außer sich Musik anzuhören und sich leckere Sachen zum Essen zu besorgen. Das mag ich sehr. Als wir 2019 in Haldern waren, haben wir relativ nah an einem Kuhstall gezeltet und morgens klang das Muhen der Kühe, als würden sie singen. Das habe ich dann auch so eingebaut in den Song. Genauso wie die Schwalben, die gehören auch zum Haldern dazu. Außerdem kommen Spinnen in dem Song vor. In solchen Momenten der Inspiration notiere ich mir oft ganze Sätze. Die kritzel ich in ein Schmierheft. Das hat nichts Angestrengtes, ich brüte nicht.

Deine Bewunderung für technisch versierte Musiker klang ja schon an. Wie hast du dich denn der Gitarre genähert?
Eigentlich bin ich Autodidaktin. Das heißt, als ich 16 war, hatte ich mal ein Jahr lang Gitarrenunterricht. Damals hatte ich mir eine E-Gitarre gekauft und dachte, jetzt geht‘s los. Es war dann aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Vermutlich hätte ich einfach mehr üben müssen. Während des Studiums habe ich viel gesungen. Zum einen im Chor, aber auch in mehreren Bands und Formationen. Irgendwann habe ich mir dann die Gitarre genommen und mir die ersten Songs ausgedacht. Bis heute weiß ich nicht so genau, was ich da mache. Ich nehme das Instrument und probiere, bis eine gute Melodie entsteht.

Mit welchen drei Adjektiven würdest du deinen Sound beschreiben?
Karg wäre auf jeden Fall dabei, also im Sinne von erdig. Schwebend. Und flirrend.

Lass uns mal über das sprechen, was dich inspiriert. Songtitel wie „Helsinki“, „Pazifik“ oder auch „Olivenhaine“ lassen darauf schließen, dass das häufig Reisen sind. Und der Alltag und deine direkte Umgebung hier in der Stadt, hat das nichts Inspirierendes?
Mit der Musik ist es für mich ähnlich wie mit Fotos. Ich mache zum Beispiel im Alltag fast gar keine Fotos, aber im Urlaub extrem viele. Wenn ich hier in der Stadt viel Zeit habe, kann es allerdings auch passieren, dass ich mal etwas schreibe. Aber so richtig was dabei herumgekommen, ist bisher eigentlich nur, wenn ich unterwegs war.

Die Stimmung, aus der heraus deine Songs entstehen, ist also entspannt, verträumt, ein bisschen melancholisch vielleicht. Könntest du dir vorstellen, dass auch aus einer anderen Stimmung heraus etwas entsteht? Aus Unzufriedenheit vielleicht? Oder aus Wut?
Ich rege mich schon viel auf, gerade über politische Entwicklungen. Aber bisher habe ich es nicht geschafft, diese Wut beim Singen umzusetzen. Ich würde auch gerne mal lauter werden. Das ist aber eine Frage der Technik. Und beispielsweise politische Inhalte zu transportieren in einem Song in deutscher Sprache stelle ich mir für mich persönlich schwierig vor. Das wäre schon eine ziemliche Herausforderung und vielleicht auch gar nicht das, wonach ich beim Musikmachen suche. Das Politische verpacke ich womöglich zwischen den Zeilen. Ich huldige der Natur und ihrer Schönheit und appelliere auf diese Weise natürlich dafür, sie zu schützen.

Das Album trägt den Titel „Shore“, also Ufer oder Küste. Warum hast du dich für den Titel entschieden?
Ich habe erst nach deutschen Wörtern gesucht, die schön klingen, bin da aber nicht so richtig fündig geworden. „Shore“ meint zum einen Küste oder Ufer, in der Surfszene bezeichnet der Begriff das Brechen der Welle auf das Ufer. Der Titel ist ein schöner Bezug zu meiner ersten EP „Swell“. Swell meint die Wellenenergie, die sich über den Ozean bewegt, fortpflanzt und ordnet, um schließlich als Welle an einer Küste zu brechen.

Bist du denn Surferin?
Ich habe einen Windsurf-Schein und komme aus einer Segler-Familie, Wasser ist somit sehr wichtig. Beim Surfen habe ich trotzdem Angst vor der Waschmaschine und den riesigen Wellen. Trotzdem liebe ich den Sport – und schaue anderen gerne dabei zu.

Apropos Wasser. Deine erste Single heißt „Fischerkörbe“. Zu dem Song gibt es ein Video, schwarz-weiße Aufnahmen, die mit dem Text so gar nichts zu tun zu haben scheinen.
Das sind alte Aufnahmen von meiner Familie. Sie sind 1962 entstanden und zeigen unter anderem meine Mutter, meine Tante, meine Oma und meinen Uropa. Mit dem Lied haben die Bilder gar nichts zu tun, auch nicht mit dem Text, der durch eine Reise nach Vietnam inspiriert wurde. Die schwarz-weißen Aufnahmen hingegen stammen aus Thüringen. Da kommt die Familie meiner Mutter her.

Und du selber, bist du auch in Thüringen geboren?
Nein, in Meißen. Wir sind 1989 kurz vor dem Mauerfall in den Westen gegangen, zunächst mal nach Hagen. Das Erste, woran ich mich in Hagen erinnere, war übrigens die Kelly Family. Die spielten damals in der Fußgängerzone. 2001 bin ich dann zum Germanistik-Studium nach Düsseldorf gekommen.

Im Juni wirst du beim „Traumzeit Festival“ in Duisburg spielen. Wie kam es dazu?
Ich hatte Mittagspause, war alleine essen. Und habe dann gesehen, dass das Traumzeit bei Facebook die ersten Bestätigungen für 2020 bekannt gegeben hat. Daraufhin habe ich beschlossen, mich zu bewerben. Eine Stunde später hatte ich eine Antwort. Eine positive. Das passiert sonst nie, nicht mal bei kleinen Cafés. Viele Booker haben nicht den Mut, Leute zu buchen, die keiner kennt. In dem Fall war das anders. Das „Traumzeit Festival“ wird das größte Konzert, das ich je gespielt habe. Mit Abstand.

19.-21.6. Traumzeit Festival, Landschaftspark Nord, Duisburg
„Shore“ erscheint am 27.3. auf CD und Vinyl und kann unter luiseweidehaas@gmx.de bestellt werden.

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