Bettina Schipping ist mit Donald Duck aufgewachsen. Sie hat die Witzeseiten in Illustrierten studiert, später dann Grafik-Design an der Düsseldorfer FH. Cartoons zeichnet die 53-Jährige bereits seit der Schulzeit. Nach dem Studium ließ ihr eine Agentur-Laufbahn allerdings wenig Zeit für ihr liebstes Hobby. Mittlerweile entstehen wieder drei betextete Bilder pro Woche. Dankenswerterweise, muss man sagen. Die Cartoons der gebürtigen Unterbilkerin, die mittlerweile in der Altstadt lebt, sind nämlich sehr witzig. Mit guter Laune habe das allerdings nicht zwangsläufig zu tun, sagt die Mutter der Ideen. theycallitkleinparis hat mit Bettina Schipping gesprochen.
Die Corona-Krise, so traurig sie auch ist, konfrontiert uns alle immer wieder überraschend auch mit unglaublich komischen Situationen. Ich musste neulich losprusten, als ich meine Bäckereiverkäuferin mit einem durchsichtigen Plexiglas-Helm antraf. Sah aus wie eine Mischung aus Raumfahrer-Anzug und Imker-Montur. Was war die letzte Situation dieser Art in deinem Alltag?
Ich komme mir immer unfreiwillig komisch vor, wenn ich in einem Laden stehe, durch meinen Mundschutz nuschel und nicht verstanden werde.
Mit welchem Humor bist du aufgewachsen?
Ich habe sehr viel Donald Duck gelesen, beziehungsweise vorgelesen bekommen. Die Übersetzungen von Dr. Erika Fuchs zeichneten sich damals durch erstklassigen Wortwitz und Onomatopoesie aus. Außerdem lagen bei uns zu Hause Unmengen Illustrierter rum. Am meisten interessierten mich darin die Witzseiten. Mein Liebling: „Neues aus Kalau“ im „Stern“ von Tetsche. Darüber hinaus hatte mein Vater für jede Situation ein Witzchen parat. Und ich konnte alle Otto-Platten auswendig mitsprechen.
Über was und über wen kannst du heute lachen?
Am Liebsten über selbsterlebte Situationskomik oder beim privaten Reinsteigern in irgendwelche Abstrusitäten. Ich mag den Titanic-Humor sehr und ansonsten werde ich nicht müde, über Helge Schneider zu lachen. Die aktuelle Comedy-Szene verfolge ich ehrlich gesagt kaum.
Seit wann zeichnest du Cartoons?
Seit immer, glaube ich – mindestens seit der Schulzeit. Nach dem Grafik-Studium mit Schwerpunkt Illustration habe ich erst einmal eine Agentur-Laufbahn eingeschlagen, was zeitaufwendig war und mich vom Cartoon-Kreieren abgehalten hat. Darüber hinaus habe ich zwei Kinder bekommen, die mich auch ein bisschen abgelenkt haben. Meine Cartoon-Phase lag also einige Jahre auf Eis. Vor zwei Jahren überfiel mich die Idee, diese Sache wieder aufzugreifen. Seitdem bin ich sehr aktiv, bestücke meine digitalen Kanäle mit Bilderwitzen und nehme an Wettbewerben und Ausstellungen teil.
Was sind die Auslöser für deine betexteten Bilder?
Oft sind es Verhörer, Versprecher, Verleser, Vertipper, die Autokorrektur, falsch verstandene Doppeldeutigkeiten zwischendurch, die mich auf einen Cartoon bringen. Manchmal brainstorme ich auch mit mir selbst und meinem Duden, schreibe Wörter zu einem bestimmten Thema auf, verdrehe, kombiniere und assoziiere so lange bis der Unsinn wieder Sinn macht.
Ich habe den Eindruck, dass dein Output ziemlich groß ist. Wie viele betextete Bilder entstehen pro Woche bei dir?
So ungefähr drei. Manchmal scheint es mehr, weil ich regelmäßig ältere Werke heraus krame und außerdem habe ich immer etwas Unveröffentlichtes in petto.
Die Corona-Krise ist auch eine Herausforderung für die Psyche. Inwiefern kann Humor da helfen?
Lachen ist die beste Medizin, heißt es abgedroschenerweise. Da ist was dran. Mit einer positiven Grundeinstellung übersteht man schwierige Zeiten besser, glaube ich. Etwas auf eine humoristische, alberne oder sogar lächerliche Ebene zu ziehen, nimmt einem Problem den Schrecken. Kurzzeitig zumindest. Ich versuche stets, allem eine witzige Seite abzugewinnen. Humor hat jedoch nicht zwingend etwas mit guter Laune zu tun … Er dient oft als Ventil.
Du hast deine beiden Kinder bereits erwähnt. Bist du auch beim Homeschooling im Einsatz?
Meine Kinder sind glücklicherweise erwachsen und studieren. Beim Homeschooling würde ich sicherlich flächendeckend versagen.
Welche positiven Aspekte kannst du selber der Krise abgewinnen?
Entschleunigung und Demut. Es tut gut, zu erfahren, dass ein Leben ohne Rummel und Termine möglich ist. Und ich bin dankbar, in einem Land zu leben, das – bisher – vernünftig mit dieser Krise umgegangen ist. Dem Klimawandel bekommt das Ganze wahrscheinlich auch sehr gut.
Die Gesellschaft spaltet sich momentan, auch in Befürworter und Kritiker der Lockerungen. Wo würdest du dich, was das angeht, selber verorten?
Ich sehe die Lockerungen eher kritisch und habe das dumpfe Gefühl, dass wir gerade unsere niedrige Reproduktionszahl überstrapazieren und eine zweite Infektionswelle riskieren. Ich hoffe, ich liege falsch.
Wie hat sich die Corona-Krise auf deine Themen und deine Produktivität ausgewirkt?
Corona drängt sich als alles beherrschendes Thema einfach auf. Daher habe ich es vielfach verarbeitet. Ein Ende ist leider nicht in Sicht – da geht also noch was! Mehr oder weniger produktiv als sonst bin ich nicht. Wenn ich eine Idee habe, dann muss die raus. Und zwar schnell. Da spielen die äußeren Umstände nur eine untergeordnete Rolle.
Welche sind deine persönlichen Helden unter den zeichnenden Kollegen?
Oh, es gibt so viele tolle! Besonders großartig finde ich Jean Jullien, Christoph Niemann und Noma Bar. Das sind allerdings keine Sprechblasen-Cartoonisten, sondern hochrangige Illustratoren mit feinstem Humor. Sehr inspirierend.
Ich habe das Gefühl, dass es mehr männliche als weibliche Cartoonisten gibt.
Dein Gefühl täuscht dich nicht. Ich habe gerade an Hand von zwei Ausstellungskatalogen eine – natürlich nicht repräsentative – Statistik erhoben. In beiden Büchern waren 80 % der Bilder von Männern. Meine Erklärungsversuche diesbezüglich enden in Klischee und Vorurteil … Sollen, wollen, können, dürfen Frauen das nicht machen? Ich weiß es nicht. Der professionelle Humor liegt scheinbar immer noch in Männerhand. Ein Zustand, der sich ändern sollte.
Ist der weibliche Humor ein anderer als der männliche?
Naiverweise – oder aus Selbstschutz – denke ich über so Gendersachen selten nach. Ich vermute: Es gibt viele Arten von Humor, das Unterscheidungsmerkmal ist nicht originär männlich oder weiblich. Das hat eher etwas mit Intellekt, Weltbild und Wellenlänge zu tun. Mir fällt oft auf, dass einige männliche Cartoonisten ähnliche Ideen wie ich haben und umgekehrt. Da herrschen gleiche Gedankengänge, unabhängig von X- und Y-Chromosomen. Wissenschaftler sehen das womöglich anders. Ich kann auf jeden Fall weder über die Mario Barth’sche Stereotypenwitz-Parade noch über Pussy Terror lachen.
Humor ist auch im Verhältnis der Geschlechter immer ein großes Thema. Frauen fühlen sich zu humorvollen Männern oft hingezogen. Wie ist das umgekehrt?
Also, mir ist es tatsächlich extrem wichtig, dass ein Mann humorvoll ist. Ohne diesen gemeinsamen Nenner ginge gar nichts! Ob ich allerdings wegen oder trotz meines Humors beim anderen Geschlecht ankomme, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist ja auch überhaupt nicht so, dass ich im Alltag ununterbrochen Witze reiße. Das fände ich ziemlich anstrengend.
Bis 26.7. Ansteckende Cartoons. Die Ausstellung zum Virus, mit Arbeiten von Bettina Schipping und anderen Cartoonisten, Alte Hafenstr. 27, Bremen
In dieser Reihe bisher erschienen:
Die Corona-Tagebücher #1: Solidarische Nachbarschaft Düsseldorf
Die Corona-Tagebücher #2: It’s oh so quiet
Die Corona-Tagebücher #3: Falsche Verknüpfungen
Die Corona-Tagebücher #4: Vom Geben und Nehmen
Die Corona-Tagebücher #5: Der Radius wird kleiner
Die Corona-Tagebücher #6: Kunst & Quarantäne
Die Corona-Tagebücher #7: Hausmusik
Die Corona-Tagebücher #8: In die Leere
Die Corona-Tagebücher #9: Virologen-Merchandise
Die Corona-Tagebücher #10: Was heißt hier sofort?
Die Corona-Tagebücher #11: Unfrisur
Die Corona-Tagebücher #12: Was heißt hier sofort? (2)
1 Kommentar
Kommentieren… welch hochgradigst sympathische frau. ausrufezeichen. und gruß.