Caterina Klusemann im Interview – „Jetzt bin ich wohl Gastronomin“

Seit drei Jahren betreibt Caterina Klusemann ein Café im Neandertal. Schon länger hatte sie für das Lokal ein neues Konzept im Kopf. Den Corona-Lockdown hat sie nun genutzt, um „Ursprung“, so nennt sich das Ganze, in die Tat umzusetzen. theycallitkleinparis hat mit Klusemann gesprochen.

Caterina, du hast eine ziemlich wilde Biografie. Du bist in Lucca geboren, in der Toscana. Dein Vater war Maler, deine Mutter Soziologin und Fotografin. Du bist unter anderem in Venezuela aufgewachsen. Nach der Schule hast du ein Neurobiologie-Studium in der Schweiz abgeschlossen, um anschließend an der Film School der Columbia University zu studieren. Was zum Kuckuck hat dich nach Mettmann verschlagen?
Vor einem Dutzend Jahren sind wir nach vielen Stationen in der Mongolei, in Italien und Berlin als Familie in Flingern gelandet. Die Wochenenden haben wir damals immer im Neandertal verbracht. Irgendwann haben die Kinder gefragt, ob wir uns nicht ein Häuschen mit Garten in dieser Gegend suchen könnten. Das haben wir dann auch gemacht. Das Haus war so kaputt, dass es seit Jahren unverkauft geblieben war. Es war und ist immer noch harte Arbeit, es zu reparieren. Aber dieses Haus mit der Adresse Neandertal 1 ist voller Überraschungen, Geschichten und Abenteuern. Und es erinnert mich an die Häuser in den Bergen bei uns in Italien, nach denen ich immer ein bisschen Heimweh hatte.

Vor drei Jahren hast du in dem Haus das Café Neandertal No. 1 eröffnet. Wie kamst du vom Film zur Gastronomie? Du hast ja vorher viele Jahre als Filmregisseurin und Dokumentarfilmerin gearbeitet.
Meinen vorerst letzten Film habe ich noch während der Umbauarbeiten fertig gestellt. Irgendwann mussten wir überlegen, was wir mit der ehemaligen Gastwirtschaft im Erdgeschoss des Hauses machen. Ich habe dann – ähnlich wie beim Kauf des Hauses – nichts durchdacht, sondern einfach angefangen zu machen. In meiner Jugend habe ich viel Zeit in den Küchen von Lieblingsrestaurants verbracht. Später habe ich mir zwei Studiengänge in der Schweiz und New York mit Veranstaltungsorganisation finanziert. Im Neandertal hatte ich von Anfang an ein tolles Team. Wir haben sehr bescheiden angefangen, dann wurde es mehr und bald waren wir sehr gut ausgelastet. Und jetzt bin ich wohl Gastronomin.

Caterina Klusemann, Foto: Elisa Klusemann

Was macht eine gute Gastgeberin deiner Ansicht nach aus?
Ich bin es erst mal sehr gerne. Und dieses Haus hilft dabei mit tollen Räumen. Das Ideal ist für mich, wenn Gäste in einen Zustand kommen, in dem Sie sich öffnen, etwas entdecken und bereichert werden. Es ist wie ein kleiner Film. Man schafft ein Umfeld, hoffentlich überraschende Geschmackserlebnisse und sprenkelt das mit Geschichten.

Das Café liegt direkt vor den Toren Düsseldorfs im Neandertal. Sind es in erster Linie Wandersleute, die bei euch einkehren?
Es kehren wirklich unendlich viele verschiedene Menschen ein. Natürlich Wanderer. Flingeraner radeln am Wochenende her. Wegen des benachbarten Museums kommen aber auch viele internationale Gäste. Einmal war zum Beispiel eine Gruppe tibetischer Mönche bei uns, die ausnahmslos große Kakaos mit Sahne bestellten. Zu unseren Veranstaltungen kommen Gäste aus dem Umkreis von Köln, Düsseldorf, Essen und Wuppertal, Hochzeitspaare auch von weiter her.

Seit Mitte Mai dürft ihr bei euch im Café wieder Gäste begrüßen. Wie waren die Wochen des Lockdowns für euch? Was habt ihr euch für die Gäste einfallen lassen? Und wie groß war eure Sorge?
Wir haben ab Mitte März alles abgesagt. Erst mal hat mich das ziemlich umgehauen. Dauerlesen von Nachrichten, Planung verdrängen, das Übliche. Dann habe ich angefangen, neue Ideen zu entwickeln. Das habe ich als sehr erleichternd empfunden. Gäste konnten Kuchen und Essen bestellen – es gab wie bei vielen anderen auch einen klassischen Fensterverkauf. Ich habe einen Trommelautomaten beschafft, und einen Kaffeeautomaten, an denen man völlig kontaktlos Kuchen, Salate, Quiches, Lunch-Boxen und Kaffee bekommen konnte. Das war, glaube ich, auch für viele Wanderer ganz schön. Sonst war ja fast alles geschlossen.

Der Lockdown war auch eine Zeit, in der sich Gäste mit ihren Lieblingslokalen solidarisiert haben. Was habt ihr für Reaktionen erfahren?
Unfassbar rührende. Wir haben praktische, finanzielle, emotionale und organisatorische Hilfe bekommen, eine „Go Fund Me“-Kampagne, Presseartikel, eine Edition Drucke von dem Künstler Ralf Buchholz und viele Gutscheine wurden auch gekauft. Ich habe mich, um ehrlich zu sein, ein bisschen schuldig gefühlt. Es gibt ja so viele, die Unterstützung brauchen, denen es schlecht geht, vielleicht auch schlechter als uns. Aber erleichternd und wohltuend war es natürlich trotzdem. Ich werde alle einladen, die uns geholfen haben, aber auch versuchen, diese Hilfe an andere weiter zu geben.

Ihr habt die Corona-bedingte Pause auch genutzt, um ein Konzept umzusetzen, das du schon länger im Kopf hattest. Erzähl!
Das Ganze nennt sich „Ursprung“. Die Idee dahinter ist es, ein Restaurant zu machen, in dem es kreative Gerichte gibt, die auch in der Steinzeit möglich gewesen wären. Paleo-Ernährung, aber auf jeden Fall spielerisch. Wie bei der Kombination von Gänse-, Hühner- und Wachtelei, die zeigt, wie ein Plünderzug durch die Nester aussehen konnte. Wurzel zu Blattspitze und Tail to Nose spielen auch eine Rolle, Möhren werden beispielsweise mit Rübenkraut geröstet und dann mit dem Pesto vom eigenem Grün serviert. Vieles ist vegan. Vieles ist gesund. Deswegen wollte ich unbedingt auch Cocktails dabei haben, damit es nicht zu gesund ist. Unsere Cocktailkarte spielt mit dem gleichen Prinzip: Zutaten sind zum Beispiel Schlehe und Lavendel. Oder Honigsirup statt Zucker.

Die ersten Wochen mit der „Urspung“-Karte liegen hinter euch. Was sagen die Gäste?
Der erste Tag war leicht desaströs. Wir hatten eine stimmungsvolle Eröffnungszeremonie, waren aber als Team erstmals zumindest teilweise wieder vereint und hatten noch nichts ausprobiert. Gleichzeitig kamen viel zu viele Gäste. Es war ziemlich chaotisch. Mittlerweile achte ich darauf, dass wir weniger Tische freigeben. Von den Gästen bekommen wir viel Zuspruch: für die Cocktails, für das Essen und für die Idee an sich. Es gab in den ersten vier Wochen schon mehrere Leute, die mehrfach bei uns zu Gast waren. Einige unserer Gerichte, zum Beispiel die Urbrühe, haben schon kleine und große Fans. Und die Idee liefert Gesprächsstoff – das freut mich.

Verschwinden Kuchen und Waffeln komplett von der Karte? Oder gibt es die trotzdem weiterhin?
Sonntags gibt es auf jeden Fall weiterhin einen Fensterverkauf mit Kaffee und Kuchen. Und unsere Automaten haben wir auch wieder am Start. Ansonsten werde ich nach und nach schauen, wie wir Restaurant, Feiern, Kultur und Kuchen miteinander vereinbaren können. Diesen Sommer bleiben wir erst mal flexibel wegen der nicht genau planbaren Entwicklung bei den Auflagen und der Verschiebung von Feiern. Ein paar Tage wollen wir uns auch als Familie frei nehmen. Wer kommen möchte, schaut also am besten vorab im Internet nach oder ruft kurz an.

Noch mal zurück zum Filmen. Hast du das ganz aufgegeben oder gibt es diesbezüglich auch Pläne?
Eigentlich wollte ich das mit dem Café ja nur kurz auf die Beine stellen und im Anschluss mit dem Filmen weitermachen. Aber ich habe mich etwas verfangen, praktisch und in Gedanken. Jetzt ist mein Ideenboard mehr mit Rezeptideen und Erlebnisideen im Neandertal 1 beklebt. Es existieren aber auch immer noch Zettelchen mit Notizen für Filmideen. Mal sehen, wann die wieder mehr Platz einnehmen.

Welche Wanderung durchs Neandertal möchtest du den theycallitkleinparis-Lesern unbedingt ans Herz legen?
Ich habe meine kleine Beruhigungs- und Ideenrunde um die Düssel, direkt hier bei uns. Die absolviere ich immer dann, wenn ich mit den Gedanken steckenbleibe. Die Runde bin ich übrigens auch schon zusammen mit Sebastian Brück für seinen Blog Düssel-Flaneur gegangen. Viel weiter als kleine oder große Runde um die Wildtiergehege, wo gerade sehr viele süße Fohlen und Kälber geboren wurden, schaffe ich leider nicht. Wegen der Arbeit. Vor zwei Jahren haben die Kinder und ich meinem Mann einen Gutschein für eine Wanderung nach Gruiten Dorf geschenkt. Die wollen wir auf jeden Fall bald mal machen.

Neandertal No. 1, Neandertal 1, Mettmann

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Das Neanderthal No 1 ist, dank Caterina Klusemann, eine Wohlfühloase geworden. Liebevoll, aber modern eingerichtet, mit einer zusätzlichen sensationellen, ausgebauten Naturhöhle, die für Hochzeiten, Veranstaltungen oder große Gesellschaften geeignet ist. Mit einem spannenden oder erholsamen Umfeld, wie das weltbekannte Neanderthalmuseum, einem großen, ganz besonderen Neanderthalspielplatz und das wunderbare Neanderthal selbst ist das No 1 das i- Tüpfelchen. Das Essen ist fantasievoll und genussvoll, eine große Auswahl an Kuchen, alles frisch zubereitet mit Zutaten aus der Region. In dieser schönen und liebevollen Umgebung wird nicht nur der Gaumen verwöhnt, sondern auch die Seele.

Ich habe sie im Rahmen einer Lesung von Sebastian ( Brück ) kennen und schätzen gelernt.
Das Neandertal No.1 ist ein toller Ort und immer einen Besuch wert.Und nebenbei guter Ausgangs oder Endpunkt für eine Wanderung entlang der Düssel

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