Thomas Stricker im Interview – „Man kann es nie allen recht machen“

Thomas Strickers Arbeit „Der Monheimer Geysir“ musste in den vergangenen zwei Jahren bereits für viele Schlagzeilen herhalten. Kunst war in dem Zusammenhang selten ein Thema. Meistens ging es um Geld. Oder um Ampeln. Ab dem 3. Oktober kann die umstrittene Wasserskulptur des Düsseldorfer Künstlers nun an der Monheimer Rheinpromenade in Augenschein genommen werden. Kurz vor der Einweihung hat theycallitkleinparis mit Stricker gesprochen.

Herr Stricker, haben Sie Angst vor einem erneuten Shitstorm?
Ich freue mich sehr auf die Einweihung und vertraue der Idee und der Umsetzung. Ich bin überzeugt, am richtigen Ort die stimmigen Proportionen gefunden zu haben. Dieser Reflex über die Kosten für Kunst im öffentlichen Raum ist nichts Neues und man kann es auch nie allen recht machen.

Seit Sie im Jahr 2018 mit ihrer Idee für den Kreisverkehr einen Wettbewerb gewannen, wurde die Arbeit, damals noch nicht mal im Entstehen, bereits viel diskutiert. Der Bund der Steuerzahler NRW äußerte Kritik, ebenso wie viele Bürger. Ihr Kunstwerk schaffte es sogar in das NDR-Satire-Format „extra 3“. Wie überrascht waren Sie von den Reaktionen?
Alleine die Idee dieser Arbeit löste an den unterschiedlichsten Stellen, auch bei den Projektbeteiligten, unglaubliche Superlative aus. Das hat mich schon überrascht und teilweise auch irritiert. Gleichzeitig zeigt es, dass die vielen Fragen, die das Konzept zu den unterschiedlichsten Themen, zum öffentlichen Raum, zu unserem Verhältnis zu Natur, Kultur, Verkehr und Leben aufwirft, die Menschen sehr unterschiedlich beschäftigt. Interessant fand ich zudem, dass gerade die Satire-Formate den Humor, der in dieser Arbeit steckt, überhaupt nicht denken konnten.

Gab es in der Phase der Realisierung einen Dialog zwischen Ihnen als Künstler und Monheimer Bürgern?
Eine direkte öffentliche Aussprache gab es nicht. Die einzigen Reaktionen von Monheimern, die mich direkt erreichten, waren Sorgen, ich würde das Projekt zurückziehen. Das hat mich natürlich positiv gestimmt.

Thomas Stricker: Der Monheimer Geysir, 2020, Foto: Marcus Pietrek

Für Sie als Künstler ist die momentane Situation vermutlich ein Dilemma. Einerseits bekommt Ihre Arbeit extrem viel Öffentlichkeit. Andererseits spricht kaum jemand über die Kunst. Welche Idee steckt hinter Ihrer Arbeit?
Seit vielen Jahren arbeite ich als Künstler in den unterschiedlichsten öffentlichen Räumen. Sehr oft steht am Beginn eine Einladung zu einem Wettbewerb, so auch in Monheim. Ich hatte es immer befürchtet, dass irgendwann die Aufgabe auf mich zukommen wird, einen Kreisverkehr zu gestalten. Die Zwickmühle bei einem Kreisverkehr ist, dass er immer ein Sockel ist. Egal, was man in die Mitte stellt, es wird zu einer klassischen Skulptur auf einem Sockel. Spätestens Mitte des letzten Jahrhunderts wurde aber der Sockel in der zeitgenössischen Skulptur abgeschafft und seither wird nach ortsspezifischen skulpturalen Lösungen geforscht. Somit bestand das Dilemma für mich von Anfang an. Aber wie löst man es? Meine erste Idee war eine konzeptionelle Umkehrung der Zeitverhältnisse. Ich brauche etwas, was schon vor dem Kreisel da war, unverrückbar und uralt. Eine Erdspalte, eine Höhle, ein uralter Baum, eine Quelle – oder eben ein Geysir. Der war schon immer da, den kann man nicht verschieben, da muss der Verkehr drum herum geführt werden.

„Unser Konzept für Kunst im öffentlichen Raum ist ortsbezogen. Es soll um Themen gehen, die mit der Stadt zu tun haben“, sagt Katharina Braun, in Monheim verantwortlich für Kunst im öffentlichen Raum. Was hat der Geysir mit Monheim zu tun?
Der Geysir bezieht sich sich erst mal direkt auf den im Wettbewerb ausgeschriebenen Kreisverkehr am neu entstehenden Stadteingang am Rhein. Bei dieser Grundidee eines unverrückbaren künstlerischen Geysirs, um den der Verkehr herum geführt werden muss, ist die Ortsbezogenheit sozusagen systemimmanent. Und es zeichnet sich ja bereits vor der Eröffnung eine spannende Auseinandersetzung darüber ab, was Monheim mit dem Geysir und was der Geysir mit Monheim macht.

Der Geysir ist für Sie auch ein Sinnbild für die Unberechenbarkeit der Natur. Inwiefern sollten wir Menschen demütiger gegenüber der Natur sein?
„Der Monheimer Geysir“ ist für mich eine skulpturale Untersuchung im urbanen Raum, wo Bewegung und Stillstand, Präsenz und Abwesenheit, Klima und Verkehr sich reiben. Die zeigt, wie fern wir dem Unvorhersehbaren sind und in der Utopie, die Natur der Dinge zu beherrschen, verweilen. Er ist ein kraftvolles und demütiges Plädoyer für den Einbezug des Ausgeliefertseins als Teil des Lebens.

Sie sind nicht der einzige Künstler, dessen Kunstwerk sich im Zentrum eines Monheimer Kreisverkehrs befindet. Bereits 2019 gestaltete die Berliner Künstlergruppe Inges Idee einen Kreisverkehr an der Monheimer Bleer Straße zu einem überdimensionalen Plattenspieler um. Wie gefällt Ihnen persönlich die Arbeit der Kollegen?
Der Wettbewerb, an dem ich zusammen mit Inges Idee beteiligt war, war ausschließlich für einen Kreisverkehr ausgeschrieben. Ich finde, dass Inges Idee mit dem eben schon beschriebenen Sockel-Dilemma ganz gut umgegangen sind.

Sie arbeiten als Künstler viel im öffentlichen Raum, haben unter anderem in Düsseldorf den U-Bahnhof Benrather Straße gestaltet. Haben Sie in der Vergangenheit schon mal ähnlich heftige Reaktionen geerntet wie jetzt mit dem Geysir?
Mich interessieren die bisherigen Reaktionen im Hinblick auf Kosten und Ampeln nicht wirklich. Aber die Reaktionen auf das umgesetzte Projekt, die interessieren mich natürlich sehr. Darauf bin ich sehr gespannt und hoffe, dass sich der Geysir im Herzen der Stadt seinen Platz erobern wird.

„Der Monheimer Geysir“ von Thomas Stricker wird am 3.10. ab 13 Uhr eingeweiht. Zu finden ist er an der Monheimer Rheinpromenade, in Höhe Krischerstraße.

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