Der Düsseldorfer Fotograf Volker Marschall ist in den sechziger und siebziger Jahren in Stockum aufgewachsen. In direkter Nähe seines Elternhauses lag damals das Rheinstadion Freibad. Marschall war Stammgast, verbrachte unzählige Sommer auf dem Gelände und bedauerte sehr, dass es 1998 einer Mehrzweckhalle weichen musste. Bevor das Bad abgerissen wurde, war er mit seiner Kamera zur Stelle, um die Erinnerungen festzuhalten. 47 der Aufnahmen, die damals entstanden sind, sind nun in einem Bildband zu sehen. theycallitkleinparis hat mit Marschall darüber gesprochen.
Volker, wann wurde das alte Rheinstadion Freibad eigentlich gebaut?
Wann der allererste Grundstein für das Bad gelegt wurde, kann ich gar nicht sagen. Auf jeden Fall lange vor dem Bau des Rheinstadions. Ganz früher existierte an der Stelle eine Regattastrecke, später wurde die dann zum Bad ausgebaut.
Wie war dein persönlicher Bezug zu dem Freibad?
Ich bin in direkter Nähe zum Bad in Stockum groß geworden. Im Rheinstadion Freibad habe ich schwimmen gelernt. Später habe ich meine erste Freundin dort getroffen und viele, viele Sommertage im Bad verbracht. Der Ort hat mir sehr viel bedeutet.
Welche Bilder steigen in deinem Kopf auf, wenn du an das Bad denkst?
Der sogenannte „Affenberg“, die Liegetreppen direkt an den Schwimmbecken. Dort traf man sich, Männlein und Weiblein zeigten sich von ihrer besten Seite. Die Durchsagen der Schwimmmeister. Die grandiose Show, wenn jemand vom Siebeneinhalb- oder dem Zehn-Meter-Turm sprang. Das waren glückliche Momente, in denen man Schule oder Ausbildung vergessen konnte.
Welcher war dein liebster Snack am Freibad-Kiosk?
Die berühmt-berüchtigten Bami-Nudeln.
Stimmt es, dass man vom alten Freibad aus sogar Fortuna-Heimspiele im benachbarten Rheinstadion verfolgen konnte?
Ja, ganz oben an den Liegetreppen war ein Metallzaun. Von dort aus konnte man ins Stadion schauen. Bei den Bundesligaspielen der Fortuna konnte man allerdings nur wenig sehen, weil die Zuschauer im Stadion einem die Sicht versperrten. Aber an ihren Reaktionen konnte man natürlich erahnen, was auf dem Spielfeld passierte.
Das Bad wurde im Jahr 1998 abgerissen. Aus welchem Grund?
Das Messegelände wurde vergrößert. An der Stelle des Bades errichtete man eine Mehrzweckhalle.
Bevor das Bad für immer schließen musste, hast du auf dem Gelände eine Kunstaktion organisiert.
Ich hatte 20 Düsseldorfer Künstler eingeladen, die in der letzten Badesaison das Freibad in einen Ort für Kunst verwandelten. Überall sah man Kunst. In den Toiletten, Umkleidekabinen, Duschen, in der Wärmehalle sowie im stillgelegten Umkleidetrakt. Und natürlich auf dem gesamten Außengelände. Anfangs reagierten die Besucher des Bads eher skeptisch, aber nach einigen Wochen schlossen sie die Arbeiten regelrecht ins Herz. Ich lud damals auch Richard Dorfmeister von Kruder&Dorfmeister aus Wien ein. Er legte in einer lauen Sommernacht auf den Liegewiesen auf, die Besucher konnten unter Flutlicht baden und irgendwann kam die Polizei, weil es zu laut wurde. Volker Bertelmann alias Hauschka spielte an einem anderen Abend mit seiner damaligen Band. War ein tolles Konzert!
Wann sind deine Fotos in dem Bad entstanden?
Ich habe das Bad in der gesamten letzten Saison fotografisch begleitet. Ich durfte überall rein und fotografierte vor allem vor dem offiziellen Start der Badesaison. Ich war zu allen möglichen Tageszeiten dort.
Was war dir dabei wichtig? Welche Aspekte wolltest du im Bild festhalten?
Mir war wichtig, den morbiden Charme des Freibads festzuhalten. Abgesehen von zwei Aufnahmen sind auf den Fotos keine Badegäste zu sehen. Das ist mir bei all meinen Serien wichtig. Wenn Menschen im Bild sind, lenken sie oft vom eigentlichen Motiv ab. Bei einem menschenleeren Bild hat man den Focus ganz auf der Architektur oder der Landschaft.
Die über 20 Jahre alten Aufnahmen waren 2018 im Rahmen einer Ausstellung in der von dir betriebenen Galerie noir blanche zu sehen. Wie waren die Reaktionen der Besucher damals?
Überwältigend. 2018 war ja ein sehr langer und heißer Sommer. Ich habe die Ausstellung bewusst in die Sommermonate gelegt, in der die Freibäder geöffnet sind. Die Besucher kamen in die Galerie, sahen das Foto vom Eingang des Freibades und sagten: „Ich kann förmlich die Mischung aus Chlor, Frittenfett und Sonnencreme riechen.“ Ein wunderbares Kompliment! Da weiß man, dass man die Stimmung auf den Punkt eingefangen hat.
In Kürze werden die Bilder nun auch in Buchform erhältlich sein. Wann genau erscheint der Bildband „Rheinstadion Freibad“?
Am 10. Dezember. Auf 100 Seiten zeigt der Band 47 Fotografien vom Rheinstadion Freibad.
Wo kann man das Buch in Düsseldorf bekommen?
Natürlich in der Galerie noir blanche auf der Rather Straße, direkt gegenüber dem Campus der HSD. Dort gibt es auch nummerierte und handsignierte Exemplare. Darüber hinaus wird der Band im örtlichen Buchhandel zu haben sein. Wenn die Bäder in der Stadt wieder geöffnet sind, soll er auch dort verkauft werden.
noir blanche betreibst du seit 2017. Wie muss man sich das Programm der Galerie vorstellen?
noir blanche ist eine Galerie für Fotografie. Gezeigt werden Fotografen, die mit Auftragsarbeiten einen klassischen Weg in der Fotografie gehen oder sich mit Beiträgen in bekannten Editorials wie der „Vogue“, „Harpers Bazaar“ und ähnlichen einen Namen gemacht haben, aber auch freie fotografische Arbeiten realisiert haben.
Du arbeitest seit 1987 als selbstständiger Fotograf. Was hast du für Jobs gemacht?
Ich habe für internationale Werbeagenturen und Kampagnen wie Lacoste, Nikon oder Heineken Beer gearbeitet, aber auch Editorials für die deutsche und französische „Vogue“, „Harpers Bazaar“, „Feinschmecker“, „Stern“ oder „Elle“ gemacht. Parallel dazu habe ich immer freie Arbeiten und Projekte realisiert.
Welche Ausstellung ist aktuell bei noir blanche zu sehen?
Die Ausstellung „SAMBURULAND – Fotografien aus dem Norden Kenias“ von Mario Marino läuft noch bis Ende Januar 2021. Die Samburus sind ein Nomadenvolk, Marino hat die Menschen über mehrere Monate mit der Kamera begleitet.
Der Bildband „Rheinstadion Freibad“ kann unter info@noirblanche.de bestellt werden.
5 Kommentare
KommentierenTolles Interview. Ich habe gestern mein Exemplar abgeholt. Ich bin (Jahrgang 1988) mit dem Rheinstadion und dem Rheinbad aufgewachsen. Das Rheinstadion ist mir aber besonders in Erinnerung geblieben.
Ich versuche heute noch zu rekonstruieren, wo der Eingang lag, wenn ich an der U-Bahnhaltestelle der Messe vorbeifahre. Diese riesigen Bäume über dem Parkplatz direkt vor dem Eingang, die große Liegewiese und der Schwimmbad-Imbiss – das sind tolle Erinnerungen.
Und 1998, am ersten Tag der letzten Saison, habe ich es mit meinem besten Freund in die Zeitung geschafft. Liegend im Wasser auf der Metalltreppe, die auch im Buch zu sehen ist.
Und wer weiß, vielleicht lief Herr Marschall an dem Tag durch das Rheinstadion und machte Fotos.
Vielen Dank für dein Feedback. Freut mich, dass dir das Interview gefällt. Und was den Eingang des Rheinstadion Freibads angeht: Vielleicht kann Volker Marschall da weiterhelfen. Er ist ja der Experte schlechthin für das Thema.
Sehr schönes Interview zu tollen Bildern aus einer „aufregenden“ Zeit, die man irgendwie gerne zurückdrehen möchte.
Vielen Dank, Markus. Ich selbst habe an das Rheinstadion Freibad gar keine Erinnerung. Weil ich traditionell immer im Allwetterbad war. Oder am Baggersee. Gerade deshalb war es schön, mit Volker drüber zu sprechen.
Eigentlich war das „Para“, der Paradieshafen in Lörick, für uns Linksrheinische der Treffpunkt. Wenn wir es etwas szeniger brauchten, sind wir kurzerhand zu den Treppen ins Rheinstadion gefahren.