Roman Klonek im Interview – „Das Gekritzel sah plötzlich interessant aus“

Es ist ungefähr 30 Jahre her, dass Roman Klonek eine sehr alte, sehr zeitaufwendige Technik für sich entdeckt hat: die des Holzschnitts. Während des Studiums erwarb er erste Skills, die er bis heute geradezu perfektioniert hat. Nach zahlreichen Ausstellungen auf der ganzen Welt ist Mitte Februar Kloneks erstes Buch „Woodcut Vibes“ erschienen. 135 Holzschnitte sind darin zu sehen. theycallitkleinparis hat mit dem Künstler gesprochen.

Roman, vor Kurzem ist dein Buch „Woodcut Vibes“ erschienen. Hat die Tatsache, dass es gerade jetzt rauskommt, etwas mit der Pandemie zu tun?
Ein bisschen schon. Ich wollte schon seit Jahren ein Buch rausbringen. Und da vergangenes Jahr dann so wenig los war, war es einfach ein guter Zeitpunkt, das Projekt endlich anzugehen.

Du schaffst seit 30 Jahren Holzschnitte, dein Fundus muss also riesig sein. Wonach hast du die Arbeiten, die im Buch zu sehen sind, ausgesucht?
Die Auswahl passierte recht intuitiv. Das sind einfach meine persönlichen Favoriten. Entstanden sind die Arbeiten zwischen 2008 und heute. Die neueste war fast noch feucht, als das Buch ins Layout ging.

Wie war das Gefühl, als du das fertige Buch erstmals in den Händen gehalten hast?
Ach, das war schon richtig erhebend. Wunderbar!

Roman Klonek bei der Arbeit, Foto: Eva Sieben

Wie kamst du eigentlich auf Holzschnitte? Und was fasziniert dich an dieser sehr alten, sehr zeitaufwendigen Technik?
Während meines Studiums der visuellen Kommunikation an der FH Düsseldorf wurde ein Holzschnittkurs angeboten. Da hab ich mich eingeschrieben und los gings. Ich hab schnell die Erkenntnis gewonnen, dass ich meine Zeichnungen dadurch, dass ich sie in Holzschnitte umwandele, irgendwie auf eine andere Ebene bringe, man könnte auch sagen veredele. Das Gekritzel sah plötzlich interessant aus. So war jedenfalls mein Eindruck. Wir haben in diesem Einsteigerkurs auch direkt den „verlorenen Schnitt“ gelernt, damals noch ohne Computerhilfe. Gerade weil das relativ aufwendig ist, fand und finde es auch immer noch sehr reizvoll. Es ist wie bei einem kniffligen Spiel, bei dem man immer wieder überrascht wird, weil es doch oft anders kommt, als gedacht. Aber am meisten mag ich dieses hineinkonzentrieren beim Schnitzen. Dieses Vertiefen. Das ist mein Flow.

Die Grundlage für deine Holzschnitte bilden oft Zeichnungen. Du zeichnest schon, seit du ein Kind bist. Wer hat dir das nahegebracht?
Alle Kinder haben ja Lust zu zeichnen. Aber tatsächlich hat wohl mein Vater diese Lust mit seiner Begeisterung für Zeichentrickfilme besonders befeuert. Wir hatten ja, bis ich sechs war, keinen Fernseher. Mein Vater hatte aber einen Super-8-Projekor und irre viele Zeichentrickfilme aus Polen und Russland. Er hatte auch eine Super-8-Kamera mit einem Auslöser für Einzelbilder. So konnten wir via „Stop Trick“ eigene Filme machen. Meine Figuren sehen heute teilweise immer noch so aus wie aus diesen alten Zeichentrickfilmen.

Copyright: Roman Klonek

Bis heute hast du fast immer ein Skizzenbuch dabei. Was hältst du darin fest?
Nicht Bestimmtes. Ich folge eigentlich nur meinem Bedürfnis, irgendwas zu Papier zu bringen. Eine seltsame Sucht, die ich mir über die Jahre antrainiert habe. Einfach den Stift bewegen… Amorphe Formen, Fragmente von Figuren, Fragmente von Schrift. Wenn eine Doppelseite vollgekritzelt ist, sagt eine innere Stimme zu mir „Gut so. Gut, dass du das gemacht hast.“

Stimmt es, dass es sein kann, dass du einen Mund, den du einmal gezeichnet hast, für unterschiedliche Holzschnitte verwendest?
Ja, das stimmt. Im Laufe der Zeit habe ich eine Art Modulsystem entwickelt. So kommt es beim Komponieren eines Bildes oft dazu, dass ich bestimmte Bildelemente rein und raus und hin und her schiebe. Und wenn eine altes Element zufällig gut passt, warum nicht recyceln? Mit neuem Sinn an neuer Stelle.

Im Buch gibt es auch einen Text über dich und deine künstlerische Arbeit. Dort findet eine Japanreise Erwähnung, die du 2007 unternommen hast und in deren Rahmen du auch zwei Wochen in Tokio warst. Nun kannst du kein Japanisch, konntest also weder etwas verstehen noch etwas lesen. Das führt bei manchen Reisenden ja auch dazu, dass sie sich unsicher fühlen, verloren. Lost in translation sozusagen. Wie war das bei dir?
Ich habe das Verlorensein geradezu gesucht. Ich spazierte ohne Karte und Handy kreuz und quer durch die Stadt, hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich war ja auch gewissermaßen Analphabet und dadurch ziemlich unorientiert. So ließ ich mich treiben, ohne bestimmte Idee. Ich dachte, die Leute in der Stadt, die finden diese Umgebung normal. Sie verstehen die Zeichen, die Codes. Sie wissen, wo sie hingehen. Sie haben einen Plan. Viele Japaner:innen wirkten sehr diszipliniert auf mich. Gleichzeitig sind ja viele japanische Filme und Comics extrem schräg. Ich mag diesen Widerspruch. Für mich ist das Japanische eine prima Projektionsfläche für eine andere Welt. Ich sage das voller Respekt und Bewunderung, denn dieses besondere Verhältnis zu den Dingen, zu Gemeinschaft, zu Tradition, zu Ästhetik, zur Natur und auch zu Technik – das wird man als Mitteleuropäer:in einfach nie richtig nachvollziehen können. Aber zumindest kann man fasziniert davon sein. Und inspiriert. Auf einer meiner Touren ging ich in ein Kaufhaus und die hatten eine Abteilung mit Haustier-Robotern. Und eine Mutter spielte mit ihrer Tochter mit einem ausgesprochen süßen Roboter-Hund. Ich weiß noch, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, dass ich das so schön seltsam finde.

Dieses Erstaunen, diese Freude an Dingen, die man neu entdeckt, hast du das in erster Linie in der Fremde? Oder auch in deiner vertrauten Umgebung in Düsseldorf?
Klar, die gibt es sicherlich auch in Düsseldorf. Aber hier empfinde ich eher etwas wie eine Alltäglichkeit, die ich auch nicht übel finde. Man kann ja nicht ständig im Erstaunen-Modus sein.

Nun ist das Reisen ja derzeit aufgrund der Pandemie nicht möglich. Wie sehr fehlt es dir unterwegs zu sein?
Ich muss zugeben, da ist inzwischen schon eine ordentliche Sehnsucht gewachsen. Ja, es fehlt schon sehr.

Mal abgesehen vom Reisen: Was inspiriert dich als Künstler?
Alles mögliche aus allen Sparten. Filme, Musik, Bücher, Gespräche, Bewegung, Natur. Ich kann aber nicht sagen, ich mache jetzt dieses oder jenes, weil es mich inspiriert. So was passiert ja eher nebenbei. Vielleicht heißt die simple Formel einfach nur: Aufmerksam sein, dann bewegt sich irgendwas im Hirn.

Wie hat sich Corona auf deine künstlerische Arbeit ausgewirkt?
Ich hatte mir vorgenommen, ganz viel zu machen, die Zeit gut auszunutzen… Aber wenn keiner Druck macht, zieht sich alles doch wahnsinnig in die Länge. Gelähmt war ich trotzdem auf keinen Fall, nur leider viel langsamer als unter normalen Umständen, aber vielleicht muss das auch so sein.

Und sind neue Motive ins Spiel gekommen?
Nichts, was mit Corona zu tun hat. Das hat man ja eh die ganze Zeit um die Ohren. Davon will ich in meinen Bildern nichts sehen.

Du hast die ersten dreieinhalb Jahre deines Lebens im polnischen Kattowitz verbracht. Beobachtest du die polnische oder insgesamt die osteuropäische Kunst-, Comic- und Illustrationsszene heute noch?
Ehrlich gesagt nicht besonders intensiv. Klar, es gibt ganz tolle polnische Plakatkünstler, aber da kenne ich auch eher die älteren wie Wiktor Sadowski oder Waldemar Swierzy, die sich aber auch jeder mal angucken sollte. Ich besuche aber zum Beispiel immer gern die Ausstellungen im Polnischen Institut in Düsseldorf. Agata Agatowska, eine junge, polnische Bildhauerin, die man sicherlich auf dem Schirm haben sollte, hat dort vor zwei Jahren ausgestellt. Ich kannte sie aber vorher auch schon, von den Akademie-Rundgängen. Ihre Figuren finde ich richtig super. Futuristisch, verspielt, teilweise abstrakt. Sehr cool.

Roman Kloneks Buch „Woodcut Vibes“ ist hier zu bestellen.

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