Marie Rauschen im Interview – „Freiheit und Abstand zum Alltag“

Einen Künstlernamen braucht sie nicht, hat sie doch das große Glück, von Geburt an einen sehr wohlklingenden Namen ihr eigen zu nennen: Marie Rauschen. Die gebürtige Mönchengladbacherin kam nach dem Lehramtsstudium in Wuppertal 2012 fürs Referendariat nach Düsseldorf. Heute unterrichtet sie in der Landeshauptstadt Deutsch und Sport. Und natürlich macht sie Musik. Mehr als 250 Auftritte im ganzen Land hat die Singer-Songwriterin mittlerweile absolviert. Am 23. April ist ihre neue Single „Da sein“ erschienen. theycallitkleinparis hat das zum Anlass genommen, mit Marie Rauschen zu sprechen.

Zu deinem allerersten Auftritt bist du durch eine WG-Mitbewohnerin gekommen. Sie kam zu dir ins Zimmer und ermutigte dich, deine Songs vor Publikum zu spielen. Du wolltest erst nicht, bist aber dann doch irgendwann an den Rhein gefahren, weil du nicht in der Fußgängerzone spielen wolltest. Wie hast du den Moment in Erinnerung?
Das war damals an der Rheinuferpromenade, neben den Treppen, die runter zum Rhein führen. An diesem Tag war es ruhig auf den Straßen, das Wetter war nicht besonders und es war gar nicht viel los. Ich hatte keinen Verstärker dabei, sodass man meine Stimme auf drei Meter Entfernung eigentlich nicht mehr hören konnte. Einige Menschen gingen einfach vorbei. Andere stellten sich direkt vor mich und lauschten meiner Musik und bedankten sich herzlich. Teilweise entstanden dabei sehr nette Gespräche. Zu Beginn war ich super nervös, weil ich keine Ahnung hatte, was passieren würde und natürlich auch Angst vor negativer Rückmeldung hatte. Nach kurzer Zeit aber, habe ich gemerkt, dass diese Form des Musikmachens wunderschön ist und mich weiterhin begleiten wird.

Wo fand dann dein erster „richtiger“ Auftritt statt?
Der erste „richtige“ Auftritt in Düsseldorf fand beim Songslam in der Butze in Derendorf statt.

Mit welcher Musik bist du aufgewachsen?
Als Kind bin ich hauptsächlich mit der Musik meiner Eltern aufgewachsen. Dazu gehörten u. a. Eric Clapton, Tracy Chapman, Queen oder Simon and Garfunkel, aber auch viele deutsche Liedermacher:innen. Im Jugendalter interessierte ich mich viel für deutschen Hip-Hop und Black Music. Es ist schwierig, all diejenigen aufzulisten, die mich in den vergangenen Dekaden begleitet haben.

Hast du ein oder mehrere Instrumente klassisch gelernt?
Nein, leider nicht. Als ich acht war, hatte ich Klavierunterricht. Als Kind fand ich das leider noch nicht so cool, weil ich es mit Lernen und Druck verbunden habe. Mit Anfang 20 habe ich mir das Gitarre spielen schließlich selbst beigebracht und manchmal beim Komponieren spiele ich auch noch auf dem Klavier.

Wann hast du angefangen, selbst Songs zu schreiben?
Im Jahr 2014 schrieb ich meinen ersten eigenen Song mit dem Titel „Hautnah“. Seither schreibe ich eigene Lieder. In einer Band habe ich nie fest gespielt. Hauptsächlich bin und war ich alleine unterwegs. Zwischendurch werde ich aber immer mal von anderen Musiker:innen, die wiederum ihre eigenen Projekte haben, auf Konzerten begleitet und umgekehrt. Ich liebe das gemeinsame Musik machen, es gibt auch einige Kollabs und grundsätzlich kann ich mir eine Zusammenarbeit mit einer Band sehr gut vorstellen.

Wodurch lässt du dich als Songschreiberin inspirieren?
Ich lasse mich durch Personen und Menschen inspirieren. Viele meiner Songs sind unterwegs, in meinem alten und neuen Van entstanden. Es braucht dabei auch immer ein Stück Freiheit und Abstand zum Alltag.

Vor mittlerweile drei Jahren ist deine erste EP „Hautnah“ erschienen. Du hast über 250 Auftritte im ganzen Land absolviert. Im vergangenen Jahr sind die meisten geplanten Konzerte abgesagt oder auf unbekannte Zeit verschoben worden. Wie war das Corona-Jahr für dich?
Das Corona-Jahr war für mich zunächst mal mit Enttäuschung verbunden. Ich hatte mich wahrscheinlich, wie alle anderen Musiker:innen sehr auf die anstehenden Konzerte gefreut. Schließlich hatte ich aber auch das Gefühl, dass dieses Jahr musikalisch für mich eine Chance sein kann. Ich habe mir einen neuen Van zugelegt und diesen zu meinem kleinen Produktionsstudio ausgebaut. Hier habe ich neue Musikinstrumente und Sounds ausprobiert und aufgenommen, die nun Teil der kommenden Single sind.

Deine neue Single trägt den Titel „Da sein“ und ist am 23. April erschienen. Der Komposition liegt ein besonderes Konzept zugrunde. Welches?
Ich wollte die Situation, in der wir uns alle befinden, klangatmosphärisch festhalten. So habe ich bei den vielen Spaziergängen, die sicher nicht nur für mich eine der neuen Freizeitbeschäftigungen geworden sind, Sounds der Umgebung eingefangen und als Klangmerkmal in den neuen Song einfließen lassen. Im vergangenen Jahr haben sich die Geräusche der Außenwelt, wie zum Beispiel das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter oder das Prasseln des Regens auf Asphalt für mich verändert und zwar insofern, als dass ich sie aufgrund der veränderten Umgebung viel präsenter wahrnehme.

Der Song ist mit elektronischen Sounds unterlegt. Hast du zum ersten Mal mit so etwas gearbeitet?
Ja, ich mache die Elektronicsounds hauptsächlich selbst und habe das erste Mal so gearbeitet. Der Prozess verlief etwa so: Ich habe den Song zunächst mit Gitarre und Text entwickelt. So stand bereits die Basis. Schließlich habe ich dann die neuen Musikinstrumente analog eingespielt. Nachdem ich ungefähr den Sound entwickelt hatte, den ich gerne erzeugen wollte, schickte ich die Version zu meinem Freund und Produzenten Jonathan Dangelmeyer. Er fand die Komposition cool und gab mir weiteren Input, den ich umzusetzen versuchte. Wenig später haben wir dann gemeinsam am finalen Gerüst weitergearbeitet, bis wir beide glücklich mit dem Endergebnis waren.

Wo ist das Video gedreht worden?
In Himmelgeist. Dort hatte ich zuvor einige der Natursoundaufnahmen gesammelt. Der Hund, der im Video zu sehen ist, heißt Caspar und wurde als Profi-Schauspielhund engagiert. Er hat mich bei vielen meiner Spaziergänge im vergangenen Jahr begleitet.

Die Single ist der Auftakt für eine Nature-Elektrosound-Konzept-EP, die im Sommer erscheinen soll. Ist das Material schon komplett oder sind noch Songs im Entstehen?
Teilweise sind die Songs fertig geschrieben und teilweise sind sie noch im Entstehen. Es kommt bis zum Sommer also noch ein bisschen Arbeit auf mich zu.

Foto: Sophie Biebl

Du hast dir einen Ford Transit zum Studio und Proberaum ausgebaut. Wie häufig bist du damit unterwegs? Und wo zieht es dich dann hin?
Ich bin eigentlich täglich mit dem Van unterwegs. Je nach Wetterlage fahre ich gerne spontan an den Rhein nach Volmerswerth oder nach Benrath. Vor kurzem stand ich noch für ein paar Tage an einem wunderschönen See am linken Niederrhein. Ich hoffe natürlich, bald die Grenzen Deutschlands wieder überqueren zu dürfen, um eine Weile am Meer sein zu können.

Im Rahmen der Video-Reihe „Female Friday“ stellst du regelmäßig andere musizierende Frauen vor, in der ersten Folge war die Songwriterin Luise Weidehaas zu Gast. Wen hast du für die Zukunft auf der Liste?
Die kommenden „Female Fridays“ werden mit weiteren wunderbaren Frauen aus den Bereichen Musik, Kultur und Politik sein. Unter anderem werde ich die Künstlerin Gwen Wieczorek und die zweite Bürgermeisterin von Mülheim Ann-Kathrin Allekotte vorstellen. Ich halte es für wichtig, dass wir uns als Frauen gegenseitig unterstützen und ich freue mich darüber, zeigen zu können, wie vielfältig und talentiert die weibliche Kulturszene in und rund um Düsseldorf ist. Damit ist sicher auch der Wunsch nach einer gleichberechtigten Sichtbarkeit und Wertschätzung von Frauen und Männern innerhalb dieser Branchen verbunden.

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