Ulrike Kraenz im Interview – „Wandern ist für mich wie meditieren“

Auf ihrem Facebook-Account ist Ulrike Kraenz meist in Outdoor-Kleidung und Wanderschuhen zu sehen. So oft es eben geht ist die Oberbilkerin zu Fuß in der Natur unterwegs. Das kann in der Nähe sein, in Solingen, auf dem Neanderlandsteig oder der Urdenbacher Kämpe. Die Texterin hat aber auch schon 1.000 Kilometer auf dem Jakobsweg zurückgelegt und zu Fuß die Alpen überquert. theycallitkleinparis hat mit ihr über ihr liebstes Hobby gesprochen.

Nach fast anderthalb Jahren Pandemie haben viele Menschen derzeit vom Alleinsein die Nase voll und sehnen sich nach möglichst viel Gesellschaft. Du hingegen hast vor kurzem eine Abenteuerwanderung unternommen. Fünf Tage warst du mit Zelt unterwegs, konntest nicht duschen. Wie war’s?
Ich bin den Soonwaldsteig im Hunsrück gegangen und habe die kleine Auszeit in der Natur sehr genossen. Gezeltet wurde zwischen den Mauern einer alten Burg und in Trekkingcamps. Die waren immerhin mit einer Komposttoilette ausgestattet. Das war es dann aber auch schon an Annehmlichkeiten. Der Wasserfilter kam am Ende gar nicht zum Einsatz, denn auf dem Weg gibt es das „Netz offener Wasserhähne“ und wenn man Glück hat, deponiert ein lieber Förster Wasserflaschen in den Camps. Wettertechnisch war alles dabei: tropische Hitze, Regen, Gewitter, Nebel und Niesel. Meine Schuhe und Socken waren drei Tage nass, die Laune blieb aber trotzdem gut. Auf der gesamten Strecke sind wir nur sieben Wanderern begegnet. Es war also in der Tat schön leer, was ich beim Wandern sehr genieße. Im Alltag habe ich dagegen oft und gern Menschen um mich rum.

Foto: Ulrike Kraenz

Kannst du dir eine Wiederholungstat vorstellen oder verbuchst du es eher unter „Erfahrung“?
Das war definitiv erst der Anfang. Allerdings muss ich noch herausfinden, wo genau meine Schmerzgrenze liegt, was das Gewicht des Rucksacks angeht, und meine Ausrüstung entsprechend optimieren. Herausforderungen gehören natürlich dazu, da ziehe ich aber die vor, die an meiner Trittsicherheit oder meinem Gleichgewichtssinn zehren. Ich bin nämlich nicht besonders schwindelfrei.

Die Tour war keinesfalls eine Ausnahme. Auf deinem Facebookprofil sieht man dich in erster Linie in Funktionskleidung und Wanderschuhen. Wann hast du das Wandern für dich entdeckt?
Mit Anfang 30. Ich habe vor Kurzem erst einen Facebook-Post von vor zehn Jahren gefunden, in dem ich geschrieben hatte: „To do: Wanderschuhe kaufen“. Die haben natürlich längst das Zeitliche gesegnet. Im Laufe der Jahre bin ich immer mehr und häufiger gewandert. Tendenz nach wie vor steigend.

Wie häufig bist du unterwegs?
So oft wie möglich. Ich versuche mindestens einen Tag pro Woche zu wandern. Das klappt fast immer. Außerdem bin ich derzeit an drei Steigen beziehungsweise Weitwanderwegen dran, unter anderem laufe ich mit einer Freundin nach und nach die Etappen vom Bergischen Weg. Dafür planen wir dann meistens gleich zwei Tage hintereinander ein. Für mich hatte die Pandemie tatsächlich den Vorteil, dass ich meinem größten Hobby noch häufiger nachgehen konnte, da ja kaum etwas anderes möglich war, als raus in die Natur zu gehen. Inzwischen steht Wandern auch in fast jedem Urlaub auf meinem Programm. Ich entdecke eine neue Ecke am liebsten zu Fuß. Alternativ mit Rad, aber das ist mir fast schon zu schnell. Autofahren kann ich sowieso nicht.

Wie lang sind die Touren, die du in der Regel unternimmst?
Das hängt ein wenig davon ab, wie lange ich für die Anfahrt zum Ausgangspunkt brauche. Wenn ich mehr als eine Stunde unterwegs bin, sollten schon paar Kilometer zusammenkommen, damit es sich auch lohnt. Meine Wohlfühllänge liegt zwischen 20 und 25 Kilometer. Nach so einer Tour bin ich abends schön groggy. Rund um Düsseldorf bin ich aber auch für kleine 10-Kilometer-Runden zu haben. Letztendlich ist jede Tour, egal wie kurz, besser als gar keine Tour!

Du bist aber nicht nur eine Frau für die Kurzstrecke. 2016 hast du 1.000 Kilometer auf dem Jakobsweg zurückgelegt, im selben Jahr auch die Alpen per pedes überquert. Was hat es mental mit dir gemacht, so lange Strecken zu Fuß zurückzulegen?
Es hat mich vor allem sehr, sehr glücklich gemacht. Das Leben auf dem Jakobsweg war so schön unkompliziert: einfach nur dem Wegweiser folgen, morgens entscheiden, ob lange oder kurze Wanderhose, abends müde ins Bett fallen. Es tat einfach mal gut, nicht jeden Tag zwischen vielen Optionen wählen zu müssen. Wandern ist für mich wie meditieren. Oft denke ich an gar nichts oder gucke und staune einfach nur. Und es tut immer wieder gut, festzustellen, was man alles nicht braucht, um glücklich zu sein. Ich hör den Camino auch schon wieder rufen …

Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich sagen, dass man die Natur anders aufnehmen kann, wenn man alleine ist, also nicht abgelenkt. Gibt es Menschen aus deinem persönlichen Umfeld, die du zum Wandern nicht mitnehmen würdest?
Alle, die sowieso keine Lust darauf haben. Ansonsten … ich komme mit den meisten Menschen gut klar. Und Tagestouren gehen mit fast jedem – zumindest einmal. Bei einer längeren Tour überlege ich aber genau, da bin ich nämlich nicht besonders kompromissbereit. Muss ich aber auch nicht, denn ich habe überhaupt kein Problem damit, allein zu wandern. Ganz im Gegenteil, manchmal verzichte ich ganz bewusst auf Begleitung, im Zweifel trifft man ja eh fast überall Leute. Im Hochgebirge weiß ich aber gern jemanden an meiner Seite – schon allein aus Sicherheitsgründen.

Foto: privat

Viele Wanderer haben Strecken in der Umgebung von Düsseldorf, die sie mögen und immer wieder gehen. Bei dir entsteht der Eindruck, dass du ständig neue Wanderwege erkundest. Hast du in deiner Wohnung – so wie es Weltreisende früher hatten – womöglich eine Deutschland- oder Europakarte, auf der du alle Wanderwege, auf denen du unterwegs warst, mit Stecknadeln markierst? Oder dokumentierst du die zurückgelegten Wege irgendwie anderweitig?
In NRW läuft man automatisch mal Strecken doppelt und kreuzt Wanderwege, auf denen man schon mal war. Ich liebe diese Momente, in denen man merkt „Hier war ich doch schon mal, da habe ich doch auf dem Baumstamm gesessen und ein Ei gegessen.“ Ich käme jetzt aber nicht unbedingt auf die Idee, noch einmal auf dem E5 die Alpen zu überqueren. Da gehe ich liebe neue Wege. Seit ungefähr anderthalb Jahren nutze ich die App Komoot und tracke alle meine Wanderungen. Das finde ich spannend. Ansonsten verrät ein Blick auf meine Wanderführer-Sammlung, wo ich schon war.

Wo informierst du dich über mögliche Strecken?
Ich schwöre tatsächlich noch oft auf den guten alten Wanderführer, meist Rother oder Outdoor. Wenn ich in einer neuen Gegend bin und keinen konkreten Plan habe, nutze ich Komoot für Touren-Vorschläge. Ansonsten bin ich in zwei, drei Facebook-Gruppen für Weit- und Fernwanderer, in denen die Leute verschiedenste Wege diskutieren. Und dann habe ich ja noch Wanderfreunde, die auch auf gute Ideen kommen. Also es mangelt keinesfalls an möglichen Strecken, meine Liste ist lang … ich suche eigentlich gar nicht nach neuen Trails, über die stolpert man von allein bei der Recherche oder beim Austausch.

Welche Strecke in der Umgebung von Düsseldorf würdest du anderen Wandervögeln besonders ans Herz legen?
Den Neanderlandsteig. Zumindest die ersten zwölf Etappen, die letzten fünf fehlen mir noch. Urdenbacher Kämpe geht auch immer und ist zu jeder Jahreszeit wunderschön. Wenn’s mehr Höhenmeter sein sollen, dann ab nach Solingen oder Wuppertal.

Wie verpflegst du dich bei deinen Touren? Schmierst du Brote oder kehrst du lieber in Cafés, Restaurants oder Pommesbuden ein?
Sowohl als auch. Während der Pandemie, als alles geschlossen war, habe ich damit begonnen, mein Repertoire an Wanderproviant auszuweiten. Da kamen dann neben belegten Broten auch Salate, selbst gebackener Kuchen und Antipasti in Tupperdosen mit. Inzwischen kehre ich aber wieder mehr ein. Schon allein, weil ich auch gern mal ein kühles Bierchen trinke.

Hast du, was die Einkehrmöglichkeiten angeht, einen tollen Tipp hier in der Umgebung?
Ich nehme gern jede Einkehrmöglichkeit auf einer Strecke mit, plane meine Touren aber nicht nach gastronomischen Einrichtungen. An die heiße Schokolade im „Extratour zum alten Rhein“ in Benrath denke ich aber gern zurück. Und an das Bauerncafé-Ellerhof in Mündelheim. Dort bin ich zufällig gelandet, als ich dem Rhein ohne Plan Richtung Norden gefolgt bin. Da möchte ich mal wieder hin. Ach ja, für das „Nostalgie-Café“ in Velbert-Neviges bin ich tatsächlich eine Etappe vom Neanderlandsteig andersrum gelaufen, nur um da am Ende einkehren zu können.

Welche ist die nächste Tour, die bei dir ansteht?
Nächste Woche geht es in die Tuxer Alpen auf den Inntaler Höhenweg. Ich habe im August Geburtstag und seit ein paar Jahren „feiere“ ich den Tag am liebsten im Hochgebirge mit einem Gipfelsturm. Letztes Jahr war die Zugspitze dran – inklusive Übernachtung da oben. Das war ein echter Höhepunkt.

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