Helmut Schneider (Bündnis für bezahlbaren Wohnraum) im Interview – „Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Düsseldorf ziemlich groß“ (2)

Auf dem Düsseldorfer Immobilienmarkt ist schon seit geraumer Zeit vieles im Argen. Die Stadt hat es bisher nicht geschafft, gierige Investoren in ihre Schranken zu verweisen. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum möchte betroffene Mieter:innen befähigen, sich selbst gegen Ungerechtigkeiten auf dem Wohnungsmarkt zur Wehr zu setzen. Zweiter Teil des Interviews mit einem der Mitstreiter:innen, mit Helmut Schneider.

Das sogenannte „Handlungskonzept Wohnen“ der Stadt Düsseldorf, das es seit 2013 gibt, sieht vor, dass Neubauprojekte einen Anteil von 20 Prozent Sozialwohnungen und 20 Prozent preisgedämpftem Wohnraum enthalten.
Das ist im Moment Stand der Dinge, ja. Die schwarz-grüne Ratsmehrheit plant allerdings, künftig die Quote an preisregulierten Wohnungen auf 50 Prozent zu erhöhen. Das „Handlungskonzept Wohnen“ sieht eine städtebauliche Vereinbarung zwischen Stadt und Investoren vor, daran ist die Erteilung des Baurechts durch die Stadt gebunden. Es gilt nur für Neubaugebiete mit Bebauungsplan. Für innenstädtische Grundstücke gibt es in der Regel keinen Bebauungsplan, Grundstückseigentümer:innen steht hier ohnehin Baurecht zu, deswegen greift hier auch das Handlungskonzept nicht. Es sollte aber nach unserer Auffassung auch hier Anwendung finden.

Über Sozialwohnungen haben wir ja schon gesprochen. Lass uns mal über preisgedämpften Wohnraum sprechen. Wo ist der denn preislich angesiedelt?
Preisgedämpfter Wohnraum geht bei 9,80 Euro pro Quadratmeter los.

Das ist ja nur knapp unter dem Mietspiegel. Wer soll damit angesprochen werden?
Der preisgedämpfte Wohnraum zielt eindeutig auf mittlere Einkommen. Weil selbst Haushalte mit mittleren Einkommen inzwischen ein Problem auf dem hiesigen Wohnungsmarkt haben. Das ist, wenn man so will, auch ein Eingeständnis der Immobilienwirtschaft, die sagt: „Unsere Preise sind so hoch, dass wir eine Zwischenkategorie für Leute brauchen, die zwar gute Einkommen haben, aber trotzdem keine angemessene Wohnung finden können.“

Bezahlbarer Wohnraum ist in vielen deutschen Städten rar. Anderswo läuft es besser. Zum Beispiel in Wien. Dort hat der soziale Wohnungsbau eine hundertjährige Tradition. Es gibt 200.000 Genossenschaftswohnungen. 220.000 Wohnungen sind im Besitz der Stadt. Wie sind die Zahlen in Düsseldorf?
Es gibt in Düsseldorf fünf Wohnungsgenossenschaften. Die halten zusammen mit der SWD rund 28.000 Wohnungen, das sind aber nur circa 8 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt.

Im Gegensatz zu Wien gibt es in Düsseldorf keine Wohnungen, die direkt im Besitz der Stadt sind. Der kommunale Wohnungsbestand wurde einer städtischen Tochtergesellschaft, der SWD übertragen. Welchen Unterschied macht das?
Die SWD ist von einem kommunalen Unternehmen zu einem selbständigen Unternehmen, zu einer GmbH gemacht worden. Sie wirtschaftet wie ein normales Unternehmen und ist dementsprechend auch gewinnorientiert. Die SWD baut im Auftrag der Stadt aber auch Sozialwohnungen. Bei Genossenschaften ist das grundsätzlich anders. Die dürfen jährliche Überschüsse in Höhe von 4 Prozent erwirtschaften, müssen das Geld aber reinvestieren.

Die Tatsache, dass bezahlbarer Wohnraum in Düsseldorf immer knapper wird, ist seit langem bekannt. Was hat sich bisher in der Sache bewegt? Was hat die Stadt getan, um die Situation zu verbessern?
Oberbürgermeister Dr. Keller würde auf diese Frage vermutlich antworten: „Wir haben doch das „Handlungskonzept Wohnen“ und wollen es sogar verschärfen.“ Der Beitrag, den dieses Handlungskonzept zur Lösung des Wohnungsproblems seit 2013 geleistet hat, war allerdings wie beschrieben vollkommen unzureichend. Wenn den verantwortlichen Politiker:innen nicht mehr einfällt und wenn man so weitermacht wie bisher, wird sich das Wohnungsproblem in Düsseldorf nicht lösen lassen.

Wie sind eure wichtigsten Forderungen als Bündnis für bezahlbarer Wohnraum?
Wir haben Forderungen, die für die Stadt sofort umsetzbar wären. Und wir haben Forderungen, die wir eher perspektivisch sehen, zum Beispiel dass es wieder einen gemeinnützigen kommunalen Wohnungsbau geben muss. Kurzfristig könnte man auf jeden Fall den Verdrängungsdruck auf Mieter:innen in Bestandswohnungen eindämmen. Dazu muss die Stadt einen Genehmigungsvorbehalt für Modernisierungen und auch für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen haben. Dann müsste ein Investor zunächst das Einverständnis der Stadt für diese Maßnahmen einholen. Im Moment ist das nicht gegeben. Eine gewisse Abhilfe könnte die Einrichtung sogenannter Milieuschutzgebiete schaffen. Das sind Gebiete mit besonders gravierenden Problemen wie zum Beispiel einem sehr angespannten Wohnungsmarkt. Solche Gebiete müsste die Stadt genau definieren und der Rat müsste dann eine entsprechende Satzung verabschieden. Dort hätte die Stadt auch bessere Möglichkeiten, von ihrem Vorkaufsrecht bei Immobiliengeschäften Gebrauch zu machen. In anderen Städten hat man mit Milieuschutzgebieten gute Erfahrungen gemacht. In Düsseldorf wird bisher aber nur über ein Pilotprojekt in einem Stadtteil gesprochen. Beschlossen wurde jedoch noch nichts.

Wie viele Wohnungen in der Stadt stehen dem Wohnungsmarkt – sei es nun durch Leerstand oder durch Zweckentfremdung, zum Beispiel als Ferienwohnung – nicht zur Verfügung?
Wir haben hier in der Stadt etwa 20.000 Wohnungen, die entweder leerstehen oder zweckentfremdet genutzt werden, zum Beispiel als kurzzeitig vermietete Ferienwohnungen. Düsseldorf ist übrigens bundesweit Spitzenreiter, was den Anteil leerstehender Wohnungen am Wohnungsbestand betrifft.

Wie kann die Kommune dem entgegenwirken?
Seit 2020 gibt es eine sogenannte Wohnraumzweckentfremdungssatzung. Diese Satzung durch den Stadtrat zu bringen, war eine schwere Geburt. Durch diese Satzung kann die Stadt nun Bußgelder verhängen, wenn nachgewiesen ist, dass eine Wohnung länger leersteht. Das funktioniert natürlich nur, wenn es kontrolliert wird. Und daran scheitert es im Wesentlichen. Die Stadt hat viel zu wenig Personal. Das Ergebnis ist dementsprechend: Von den circa 13.000 Wohnungen, die leerstehen, konnten bisher nur zwei oder drei wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt werden.

Ein Fall hat in Düsseldorf zuletzt viele Schlagzeilen gemacht: der des Entwicklers Cube Real Estate, der ein Gelände zwischen Erkrather Straße und Kiefernstraße gemeinsam mit Anwohnern und Bürgern entwickelt. Gibt es auch einen guten Investor?
Cube Real Estate und die Kiefernstraße würde ich als Sonderfall sehen, das lässt sich nicht ohne Weiteres verallgemeinern. Wir als Bündnis machen zunächst mal einen Unterschied zwischen Hauseigentümer:innen, die renditeorientiert sind und solchen, auf die das nicht zutrifft. Es gibt nämlich immer noch viele Eigentümer:innen, denen es genügt, wenn sie regelmäßig ihre Miete bekommen, die aber keinen Wert darauf legen, jede mögliche Mieterhöhung mitzunehmen. Es gibt aber auch andere, die das Spiel mit der Spekulation mitspielen, sich an dem von mir schon erwähnten spekulativen Erwartungshorizont orientieren. Nach dem Motto: „Guck mal, was in Düsseldorf alles möglich ist, ich möchte auch ein Stück vom Kuchen haben.“ Es gibt Investoren, die Hausbesitzer:innen Angebote machen, die sie nicht ausschlagen können, um die Häuser in der Folge zu sanieren und die Wohnungen von Miete in Eigentum umzuwandeln. Je höher der Preis ist, desto mehr Menschen gibt es, die gierig werden. Ich kann das nicht in Zahlen belegen, aber wir stellen schon fest, dass immer mehr Häuser im Bestand verkauft werden oder die Eigentümer:innen anfangen, sich auch wie renditeorientierte Investoren zu verhalten.

Ist denn ein Ende dieser Entwicklung in Sicht?
Ja, es gibt ein Ende. Es wird definitiv nicht endlos so weitergehen. Allein den Zeitpunkt, wann eine Immobilienblase platzt, kann niemand voraussagen. Genauso wenig wie man voraussagen kann, was das dann nach sich ziehen wird. Fakt ist: Der Ausgangspunkt vieler Wirtschaftskrisen waren Immobilienkrisen.

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