Die Diskussion um den geplanten Anbau der Kunstakademie Düsseldorf hat in den vergangenen Wochen hohe Wellen geschlagen. Allein aus der Hochschule selbst hört man kaum etwas dazu, weder von Professoren noch von Studierenden. theycallitkleinparis hat mit Michael Driesch gesprochen. Der 27-Jährige studiert seit 2014 an der Akademie und ist seit 2015 Mitglied im AStA. In diesem Interview spricht er allerdings ausdrücklich nicht für die Studentenvertretung, weil diese sich knapp sechs Wochen, nachdem die Anbau-Pläne öffentlich gemacht wurden, noch nicht auf eine Position verständigt hat.
Michael, du studierst seit 2014 an der Kunstakademie. Als Mitglied des AStA hast du regelmäßig mit dem Rektor der Akademie zu tun. Wie erlebst du Karl-Heinz „Calle“ Petzinka?
Petzinka ist zunächst mal Architekt und kein Künstler. Das merkt man insofern, als dass er manchmal nicht das nötige Feingefühl für die Studierenden aufbringt. Das ist seinen Vorgänger:innen teilweise besser gelungen. Petzinka ist ein Macher. Calle macht sein Ding, versucht Sachen anzugehen, die notwendig sind. Den Anbau zum Beispiel. Er redet dabei allerdings nicht viel über seine Pläne und Vorhaben. So schafft er kein Bewusstsein für das, was er macht. Das ist auch im Fall des Anbaus so gewesen. Ich verstehe durchaus, dass es für sein Vorgehen triftige Gründe gibt. Aber ich finde es trotzdem schade, dass er nicht den Dialog gesucht hat und sucht. Weil der meines Erachtens viel mehr ermöglicht hätte.
Warum braucht es eigentlich einen Anbau? Beide Vorgänger:innen von Petzinka, sowohl Tony Cragg als auch Rita McBride, haben den Bedarf gar nicht ausmachen können.
Die Studierendenzahlen sind im Laufe der vergangenen Jahre immer weiter gestiegen. Im Vergleich zu der Zeit, als Markus Lüpertz Rektor war, haben sie sich ungefähr verdoppelt. Aktuell hat die Akademie 587 Studierende. Deshalb braucht man natürlich auch mehr Platz für Werkstätten als vor fünfzehn Jahren. Ich würde das jedenfalls so sehen. Aber darüber gibt es unter den Studierenden durchaus unterschiedliche Meinungen. Manche finden auch alles gut so, wie es ist. Ein weiteres Problem, das schon seit vielen Jahren besteht, sind die fehlenden Lagermöglichkeiten. Die Studierenden wissen oft gar nicht, wo sie ihre Werke lagern sollen. Die stehen manchmal einfach auf dem Flur herum, mangels Alternativen.
Wo sind die Werkstätten momentan untergebracht?
Die sind auf die unterschiedlichen Gebäude verteilt. Im Hauptgebäude ist zum Beispiel die Druckwerkstatt untergebracht, die Holzbildnerei und die Keramikwerkstatt. Letztere ist einer der Gründe für den Anbau, weil sie einfach nicht mehr funktional ist. Drüben in der Reuterkaserne sind unter anderem die Foto- und die Videowerkstatt angesiedelt.
Lass uns noch mal auf den Anbau kommen. Dass es einen solchen geben soll, stand ja schon länger fest.
Man hat ja schon vor einigen Semestern, ich glaube, es war 2017 oder 2018, die Studenten von der Baukunst-Klasse Entwürfe machen lassen. „Das Oberthema zu den Entwürfen war damals der sogenannte „Akademie-Campus“. Die neuen Gebäude sollten zwischen den schon vorhandenen Akademie-Gebäuden und dem Rhein entstehen. Das hat man allerdings verworfen, weil es ja seitens der Stadt Pläne gibt, den Rheinufertunnel nach Norden hin zu verlängern. Somit ist das Grundstück, für das die derzeitigen Planungen vorgesehen sind, wohl das einzige, das zur Verfügung steht.
Vor einigen Wochen sind die Entwürfe für den Anbau der Kunstakademie öffentlich geworden, für die Petzinka gemeinsam mit seinem Assistenten verantwortlich zeichnet. Wie beurteilst du sein Vorgehen?
Es gibt Leute, die sagen, dass Petzinka sich selbst mit dem Anbau – auch im Hinblick auf den 250. Geburtstag der Akademie im Jahr 2023 – ein Denkmal setzen möchte. Ein Vorwurf, den ich durchaus nachvollziehbar finde. Ich selbst habe das auch eine Zeit lang so gesehen. Auch der AStA ist in den Prozess ganz bewusst nicht mit eingebunden worden. Man hat ausschließlich mit den Werkstattleiter:innen gesprochen. Die wurden nach ihren Bedürfnissen gefragt. Wir als Studierende aber nicht, obwohl wir ja die Nutzer:innen der Werkstätten sind. Man kennt das aber natürlich auch aus anderen Planungsprozessen. Demokratie braucht Zeit – und es wird dann gerne argumentiert, zusätzliche Leute zu beteiligen, würde den Prozess in die Länge ziehen. Neben dem fehlenden Dialog finde ich es schade, dass die Diskussion nicht städtebaulich geführt wird. Das ist aber in meinen Augen auch die Stadt Schuld, die nur dieses eine Grundstück für den Anbau zur Verfügung stellt.
Mal abgesehen von seiner Vorgehensweise: Wie gefallen dir Petzinkas Entwürfe für den Anbau der Akademie?
Die Entwürfe gefallen mir grundsätzlich gut. Ich mag die Idee der Freitreppe. Allerdings nicht an der Stelle, an der sie beziehungsweise der komplette Bau vorgesehen ist. Ich finde es auch unsäglich, dass man dafür Bäume fällen möchte. Man sollte meines Erachtens lieber die Bäume erhalten und die Fritz-Roeber-Straße abreißen. Dann könnte man den Anbau auch dort platzieren, wo jetzt die Straße ist.
Seit wann sind die Entwürfe für den Akademie-Anbau euch als Studierenden eigentlich bekannt?
Die Entwürfe wurden uns an zwei Terminen vorgestellt. Einer war ausschließlich für Studierende. Der andere war im Rahmen des „Tag des offenen Denkmals“, fand aber in der Aula der Akademie statt. Ungefähr zeitgleich wurden die Entwürfe öffentlich gemacht.
Du warst beim „Tag des offenen Denkmals“ dabei. Wie waren dort die Reaktionen auf die Vorstellung der Entwürfe?
Es gab durchaus positive Reaktionen. Es gab aber auch Kritik. Ich erinnere mich, dass zum Beispiel nach der Nachhaltigkeit des Baus gefragt wurde. Ich für mein Teil habe mich kritisch dazu geäußert, dass man vom Rheinufertunnel eine Rampe direkt vor die Akademie führen möchte. In Zeiten, in denen man von Klimawandel, Flächenentsiegelung und Verkehrswende spricht, kann man nicht zusätzliche Flächen versiegeln, die jetzt von Natur und Bäumen dominiert werden – und das ohne jeden städtebaulichen Mehrwert. Das Ganze entspricht der Idee der autogerechten Stadt, da man die Fritz-Roeber-Straße per Rampe mit dem Rheinufertunnel verbinden möchte, was absolut nicht zum Zeitgeist passt. Wir leben ja nicht im Jahr 1939, sondern in 2021, mit völlig anderen Herausforderungen. Ich finde es sehr schade, dass es derzeit so aussieht, als würde die Idee des Blaugrünen Rings nicht weiterverfolgt. Da verspielt man eine Menge Potenzial. Der Blaugrüne Ring war ja unter anderem die Chance, in der Innenstadt mehr autofreie Zonen zu schaffen, so wurde es zumindest von Teilen der Bürgerschaft verstanden.
Die Diskussion um Petzinkas Entwürfe und sein Vorgehen hat in den vergangenen Wochen hohe Wellen geschlagen. Wie ist eigentlich das akademieinterne Meinungsbild?
Das Meinungsbild ist sehr gemischt. Die Reaktionen reichen von „gut und notwendig“ bis hin zu „geht gar nicht“. Insgesamt nimmt das Thema aber innerhalb der Akademie gar nicht so wahnsinnig viel Raum ein. Es ist lediglich eins von vielen Themen, über die man sich hier tagtäglich unterhält. Da echauffiert sich jetzt keiner der Profs großartig.
Hältst du es für denkbar, dass Professor:innen oder Studierende aus Furcht um ihren Job/ihre Karriere mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten?
Nein, Angst kann ich da keine erkennen. Man unterhält sich in der Akademie ehrlich und auf Augenhöhe. Ich glaube zwar nicht, dass alle von Petzinkas Entwürfen überzeugt sind. Aber es sieht sich auch niemand in der Pflicht, zur Presse zu gehen und zu sagen: „Ich bin dagegen.“
Die ehemalige AStA-Vorsitzende Vanessa Castra hat hingegen ihrem Unmut Luft gemacht. Sie hat eine Petition gestartet, mit der sie eine öffentliche Ausschreibung des Auftrags erreichen möchte. 2472 Unterschriften wurden am 25. Oktober der Akademie übergeben. Hast du auch unterschrieben?
Nein, habe ich nicht. Ich finde es grundsätzlich gut, dass man einen offenen Wettbewerb einfordert. Aber ich sehe die Gefahr, dass sich trotz Wettbewerb nichts an den Grundstücksverhältnissen ändert und man insofern trotzdem einen Riegel vor der Tür hätte.
Wie groß ist deines Erachtens die Chance, nachträglich noch eine öffentliche Ausschreibung zu erreichen?
Ich glaube schon, dass das möglich wäre. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Diskussionen zwischen Petzinka und den politischen Vertretern ja bereits stattgefunden haben und alle Entscheidungsgremien informiert sind. Allein die Öffentlichkeit ist halt erst zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt informiert worden. Angemerkt sei, dass es mit dem Blaugrünen Ring einen sehr offenen Wettbewerb gegeben hat, der viele Alternativen für diesen Ort aufgezeigt hat. Man sollte, wenn man schon bauen möchte, auf Basis der Resultate eine insgesamt neue Idee für diesen Ort formulieren. Daran sollte sich vor allem die Politik sowie die Verwaltung halten, da man anscheinend das Potenzial wissentlich verkennen möchte. Außerdem soll die Staatsanwaltschaft in den kommenden Jahren aus dem Phönix-Haus ausziehen, das direkt gegenüber des Akademie-Hauptgebäudes liegt. Auch hier wäre es schön, wenn man zuerst im Bestand schaut, was sich machen lässt, anstatt direkt neu zu bauen.
Insgesamt 21 Werkstätten sollen in dem geplanten Akademie-Anbau entstehen, sieben davon komplett neu. „Der Bedarf an so viel Werkstätten ist fragwürdig“ hat Vanessa Castra im Interview mit „Eiskellerberg TV“ gesagt. „Die Akademie hat ganz andere Probleme.“ Welche Probleme siehst du?
Klar ist es so, dass es auch strukturelle Problematiken gibt, die teils jahrelang bekannt sind. Manche Baustellen lassen sich nicht von jetzt auf gleich lösen, da sich auch hier die Wahrnehmung von Problemen deutlich unterscheidet. Es gäbe aber akut nichts, was davon an die Öffentlichkeit getragen werden müsste. Wir als Studierende haben meines Erachtens das Glück, sehr viele Freiheiten zu genießen. Strukturelle Freiheiten. Das ist viel wert. Eine dauerhafte 24-Stunden-Öffnung der Akademie wünschen wir uns im Hause allerdings schon seit vielen Jahren. Die soll es aber wohl zukünftig auch geben.
Hinter der Geschichte
Für die Geschichte über den Anbau der Kunstakademie hatte theycallitkleinparis zunächst mit der ehemaligen AStA-Vorsitzenden Vanessa Castra gesprochen, die die Petition für die öffentliche Ausschreibung des Anbaus initiiert hat. Als es um die Freigabe der Zitate ging, war Castra allerdings für die Redaktion nicht mehr zu erreichen, weshalb ihre Aussagen letztendlich nicht veröffentlicht werden können.
Auch das Rektorat der Kunstakademie Düsseldorf hat offenbar kein Interesse an einer weiteren Veröffentlichung der Entwürfe von Karl-Heinz Petzinka. Auf die entsprechende Anfrage von theycallitkleinparis hin hieß es aus dem Rektorat: „Vielen Dank für Ihr Interesse am Erweiterungsvorhaben unseres Hauses. Zur Zeit stehen die Perspektiven der Entwürfe für Veröffentlichungen leider nicht zur Verfügung.“
1 Kommentar
KommentierenDanke für das informative Interview. Mit fehlt aber eine klare Aussage: Ist es nicht so, dass das Wissenschaftsministerium NRW den Neubau öffentlich ausschreiben MUSS ??