Deniz Weber im Interview – „Nicht nur Hektik und Drugs“

Deniz Weber ist Grafik-Designer. Als solcher ist der gebürtige Düsseldorfer, der mittlerweile seinen zweiten Frühling in Berlin erlebt, Teil des Kuratorenkollektivs _thek, zudem hat er den Kunstraum Rooooom auf der Erkrather Straße mitgegründet. Nun hat Weber einem häufig unterschätzten Ort in der alten Heimat eine kleine, feine Fashion-Kollektion mit Shirts, Hoodie und mehr gewidmet: dem Bertha-von-Suttner-Platz. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview mit theycallitkleinparis.

Deniz, wann warst du zuletzt am Bertha-von-Suttner-Platz?
Am vergangenen Dienstag, bevor ich wieder nach Berlin fuhr. Ehrlich gesagt hat die inhaltliche Beschäftigung mit diesem Ort auch für mich eine neue, etwas persönlichere Ebene aufgemacht. Vorher war es ein Durchlaufen, jetzt wurde es zu einem kurzen, aber intensiven Verweilen vor meinem Abschied.

Bahnhofsuhr, Foto: Simon Liersam

Wie würdest du einem Ortsfremden den Platz hinter dem Düsseldorfer Hauptbahnhof beschreiben?
Dirty, tough und rau. Es ist halt der Hinterausgang vom Hauptbahnhof, ein klassischer Unort, den wir eher durchlaufen, als ihn wahrzunehmen – mit Blick auf die Uhr, um die S-Bahn zu bekommen. Wenn wir uns aber etwas Zeit nehmen, kann er anders wirken.

Was bedeutet der Platz dir persönlich? Bist du selbst Teil der Skate-Szene gewesen?
Er war der Ort zwischen Hier und Da – für die letzte Kippe vor langer Zugfahrt, nur der Durchgang zum schwarzen Kaffee mit Daddy am Oberbilker Markt. Nun ist er mehr ein Ort geworden, den ich mir genauer anschaue, obwohl ich damals nicht Teil der Skate-Szene dort gewesen bin, keine emotionale Verbindung habe und dutzende Male einfach durch ihn durch gelaufen bin: Irgendwie schön, nach 33 Jahren born and raised in Düsseldorf einen neuen alten Ort zu entdecken.

Deniz Weber, Foto: privat

Nun hast du eine kleine Kollektion zum Platz entworfen. Das Motiv bezieht sich auf die Skulpturen von Horst Antes auf dem Bertha-von-Suttner-Platz. An den stählernen Werken scheiden sich, seit der Platz in den Achtziger Jahren entstand, die Geister. Wie denkst du darüber?
Zeitlos. Nicht besonders einladend und warm – okay, aber zeigt mir bitte Orte aus den Achtzigern in Düsseldorf, der das ist. Es ist das, was wir als Bewohner:innen draus machen. Stellt Palmen auf, Seerosen in die Becken, füllt den Ort mit Leben und er könnte etwas Schönes werden – auch wenn das dauert. Ein Ort für Begegnung zum Beispiel, nicht nur für Hektik und Drugs.

Seit wann lebst du in Berlin?
Seit nun wieder zwei Jahren, vorher vier Jahre Düsseldorf, davor sieben Jahre Berlin, davor lange zwischen Gerresheim und Flingern. Es ist mein zweiter Frühling in der Hauptstadt.

Hast du in Düsseldorf auch noch eine Wohnung?
Leider nein, aber ich arbeite dran.

Wie oft bist du hier?
Ich versuche es häufiger, als es klappt. Schön, dass ich in einer Stadt lebe, die Freunde gerne besuchen kommen. Bissl Heimat in der neuen Heimat sozusagen.

Welcher Ort in Berlin erinnert dich an den Bertha-von-Suttner-Platz?
Uff. Die Corona-Situation hat viele eigentlich belebte Orte in Berlin zu solchen Unorten werden lassen. Ein spezieller fällt mir nicht ein.

Seit 2019 arbeitest du für das Produzententeam KitschKrieg und für den Rapper Trettmann.
Seit diesem Frühling nicht mehr. Sind friedlich auseinandergegangen. Es war schön, sehr interessant und toll, das Team kennenzulernen. Bestes neues Release aus der KitschKrieg-Schmiede: Team Scheisse – „Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst)“.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit KitschKrieg?
Gegenfrage: Wer ist, auch wenn nicht mehr in Düsseldorf wohnend, der beste Connecter hier gewesen? Philipp Maiburg hat diese Zusammenarbeit eingefädelt: Danke nochmal. War schön. Jetzt arbeite ich selbstständig für alles, was kommt und Spaß macht.

Lass uns noch mal auf die Kollektion zum Bertha-von-Suttner-Platz zurückkommen. Wie sind die Reaktionen darauf bisher?
Schönes Feedback bisher – auch gute Gespräche: Ich glaube für manche hat es eine neue Perspektive auf Horst Antes’ Skulpturen, den Bertha-von-Suttner-Platz und eine leider oftmals im Keim erstickte Entstehung von subkulturellen Strömungen in Düsseldorf generell aufgemacht. Mich freut es immer sehr, wenn ein Konzept hinter der Technik steht und es nicht nur cool aussieht. Es hat mich gefreut, dass Menschen das wahrgenommen haben.

Welche Teile umfasst die Kollektion?
Von T-Shirts über Hoodie zu Cap und Beanie und natürlich als Ode an den verlorenen Skatespot: ein Board.

Sind sie limitiert?
Yes, kleine Auflage, um unnötige Überproduktionen zu vermeiden.

Die Kollektion wird exklusiv im Ceñtral Skate Shop verkauft. Was ist das?
Es ist der kleine sweete Laden in der Gasse gegenüber vom PickUp Store. Auf der Weihnachts-Geschenke-Tour einfach mal reinlaufen und Tio, den Besitzer, nach seiner Story zur Kollektion fragen. Lohnt sich.

Was ist neben den Kollektionsteilen dort zu sehen? Stichwort: Ausstellung.
Für die Findung vom Thema der Kollaboration habe ich mich mit Tios Story auseinandergesetzt: Er hing damals tagtäglich am Hauptbahnhof ab und konnte so die Entstehung als Ort für Skate sowie den Zerfall dessen beobachten. Der Name Ceñtral (Station) als Ode an den Ort am Hauptbahnhof lag nahe. Ich habe mich daraufhin visuell mit Horst Antes‘ Skulpturen „Der Ring, Der Fresser, Die Insel“ auseinandergesetzt: Viel mit Aquarell und Wasserfarbe ausprobiert, um auf Motive zu kommen. Das Main Motiv ist eine Zeichnung in DinA4, andere sind der Stick für die Beanie geworden und wieder andere werden nun im Rahmen der Kollektion im Ceñtral ausgestellt und verkauft. Additiv ist Teil der Ausstellung eine Kollage von Archiv-Fotografien aus der Entstehungszeit der Skulpturen Antes‘ und Kunstbücher, die sein Werk dort dokumentieren. Des Weiteren haben Freund:innen und Fotograf:innen aus der damaligen Szene Analogaufnahmen vom Ort zur Verfügung gestellt – schöne Fotos, die natürlich Skate aber auch die Interaktion zwischen Menschen am Ort selbst repräsentieren. Manche waren dort, weil es gute Curbs gab, andere, weil es Treffpunkt und Umschlagplatz für Drogen und anderes ist. Zur damaligen Zeit entstand eine Annäherung, die nun leider wieder verflogen ist.

Kollektion und Ausstellung bleiben bis zum 18.12. im Ceñtral Skate Shop. Wo sind die Sachen im Anschluss zu bekommen? Wird es sie auch in der Nähe des Bertha-von-Suttner-Platzes geben?
Die Kollektion wird es im Shop selbst und danach – wenn noch was übrig – auf dessen Website centralduesseldorf.com geben. Dort sind auch die Preise der einzelnen Kollektionsteile zu finden.

Kleine Anleitung für den Bertha-von-Suttner-Platz
Warte auf den Frühling, es sollte Sonne auf den Platz fallen, wenn möglich.
Die Statuen reflektieren ganz interessant einfallendes Licht.
Setz dich auf eine der Mauern, die die Becken umrahmen:
Mit Blick auf den Ort als Ganzes.
Snack dein Laugenecken-Brötchen mit Käse aus der Tüte
plus ein schlechter Kaffee von Kamps oder Tschibo.
Beobachte die Leute,
die rennen um ihren Zug zur Arbeit zu bekommen,
die den Termin am Bürgerbüro wahrnehmen möchten,
Personen, die dort „leben“,
Kids die die Statuen zum turnen nutzen
– nimm es einfach mal wahr ohne Hektik, nur als beobachtende Person.
Versuche den einzelnen Menschen und Situationen, die dir begegnen jeweils eine Statue zuzuordnen.
Halt inne und schau auf die riesige Uhr über dir.
Ich glaube so kann man den Ort erleben.
Stille.

PS: Pass trotzdem auf deine Tasche auf dabei.

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