Manchmal bedürfen die Beiträge auf diesem Blog einer Aktualisierung. Am 19. September 2019 schrieb ich zum Beispiel über das Geschenk meines Lebens. Das Geschenk meines Lebens war zum damaligen Zeitpunkt ein Foto von einem selbstgebastelten Aschenbecher, bestehend aus einer mit Alufolie ausgekleideten ausgemusterten Keksdose. Meine Freundin M. hatte das faszinierende Stück in der Nähe des Hauptbahnhofs in einem Parkhaus gefunden und ein Foto für mich gemacht. Wie so viele Fotos in der heutigen Zeit existiert auch das Aschenbecher-Bild lediglich digital. Mir kommt das entgegen. Ich versuche schon seit geraumer Zeit, mich von Materiellem zu befreien. Mal gelingt mir das besser, mal schlechter.
Was Geschenke angeht, habe ich, auch das schrieb ich in dem Beitrag von 2019 bereits, ein Faible für Praktisches. Ich verschenke gerne Salatschüsseln, Geschirrtücher oder Schneebesen, wenn sie in den Haushalten der Empfänger:innen nicht vorhanden sind. Das macht das Leben für die Beschenkten einfacher, denke ich. Und vor dem Schenken soll man ja bekanntlich denken. Der Mann, der mir das Geschenk vermachte, das diesen Beitrag inspirierte, ist ein großer Denker. Er denkt quasi den ganzen Tag. Er wacht morgens auf und fängt gleich an zu denken. Und er denkt unglücklicherweise häufig bis spät in die Nacht. Unglücklicherweise deshalb, weil er seine Mitmenschen ununterbrochen an seinem Gedankengut teilhaben lässt. Es kann also durchaus passieren, dass man spät nachts nur noch in Morpheus Arme möchte, aber im Halbschlaf noch einen länglichen Monolog des Vieldenkers über sich ergehen lassen muss. Nennt man das vielleicht Schicksal?
Nun war ja neulich Weihnachten. Und natürlich hatte der Rund-um-die-Uhr-Denker kein klassisches Geschenkpapier zur Hand. Er ist ja auch alles andere als ein klassischer Typ. Die Geschenke, die er für mich ausgesucht hatte, waren in Werbeprospekten von Möbelherstellern verpackt. Die Reihenfolge beim Auspacken gab der Vieldenker vor. Das dritte Geschenk, das ich aus dem Prospektmantel schälte, löste maximale Verwunderung aus: Es war ein etwa faustgroßer grüner Kristall. Ich wusste nicht so recht, ob es sich bei dem Stück um ein ernstgemeintes oder eher ein Geschenk der humorigen Art handelte. Entsprechend unsicher war ich, welche Reaktion meinerseits wohl angemessen sei. Ich versuchte es mit Lachen und einer Frage: „Was in Gottes Namen ist das?“ „Ein grüner Kristall“ lautete die ausnahmsweise mal ebenso sachliche wie knappe Antwort. Das sah ich ja nun selbst und schob eine Zusatzfrage nach: „Und was soll ich damit?“ „Keine Ahnung“, sagte der Vieldenker, der in diesem Fall nicht viel gedacht hatte, sondern sich von Visuellem leiten ließ: „Ich fand den schön.“ Auch das ist eine der Grundregeln des Schenkens: Man soll nur Dinge verschenken, die man selbst gerne geschenkt bekäme. Ich ergab mich kurzerhand. Seit heute ist der grüne Kristall Teil meines Hausstands. Wenn ich in Kürze umziehe, wird der grüne Kristall mit umziehen. Bis dahin überlege ich noch, wozu er in der neuen Bleibe taugen könnte. Bestimmt fällt mir noch etwas ein.
1 Kommentar
KommentierenEine schöne Geschichte. Ich musste sofort an „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ denken. Wahrscheinlich erschließt sich die Bestimmung dieses Geschenks später. Ich finde den Briefbeschwerer aka Dekogegensrand aka Mordwaffe hübsch.