Aufgewachsen in den polnischen Masuren, entwickelte die Künstlerin Angelika J. Trojnarski schon früh eine tiefe Liebe zur Natur. Die hat sie sich bis heute bewahrt. In ihren künstlerischen Arbeiten, in deren Mittelpunkt die Malerei steht, veranschaulicht die Meisterschülerin von Andreas Gursky die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur und macht so auch auf die Zerstörung der Umwelt aufmerksam. Derzeit sind Trojnarskis Werke im Rahmen einer Ausstellung im Polnischen Institut Düsseldorf zu sehen. Kurz nach der Eröffnung hat theycallitkleinparis mit ihr gesprochen.
Angelika, gemeinsam mit dem Künstler Michał Smandek aus Katowice stellst du derzeit unter dem Titel „Das Ende wird dennoch kommen“ in der Galerie des Polnischen Instituts Düsseldorf aus. Was verbindet eure Arbeiten?
Michał und ich veranschaulichen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur, reflektieren kritisch das Anthropozän (das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist, Anm. d. Red.) und machen auf die Destruktion der Umwelt aufmerksam. Jeder von uns mit seinem individuellen künstlerischen Vokabular. Dabei bringen wir der Natur Respekt und Demut entgegen, die wir in der Ausstellung auch indirekt von den Besuchern fordern. Manche Arbeiten ragen von den Wänden oder der Decke in den Raum hinein und müssen mit Vorsicht und Rücksicht umrundet werden. Meine aus der Entfernung zunächst fluffige Klettenwolke „Risk and Wonder“ hängt dabei mit ihren tausenden Widerhäkchen in Kopfhöhe und verlangt exemplarisch für alle Pflanzenbiotope: Anschauen ja, Anfassen nein.
Wie kam es zu der Doppelausstellung?
Die erste, grobe Idee einer gemeinsamen Präsentation hatte Monika Kumiega, die Kuratorin des Polnischen Instituts, vor über zwei Jahren. Sie erkannte in Michałs und meiner Arbeit starke Parallelen in der Erforschung von Natur. Bereits im letzten August wurde zu dieser Thematik Diana Leloneks Ausstellung „Zukunftsfieber“ gezeigt, die, wie unsere auch, von Monika Szewczyk, Direktorin des Galeria Arsenał in Białystok, kuratiert wurde. Solche Ausstellungen sind wichtig, denn Kunst betont schon lange die Wichtigkeit unserer Umwelt und steuert einen wichtigen Teil zum Klima-Diskurs bei. Dabei beobachtet und kritisiert Kunst nicht nur, sie inspiriert auch zu kreativen Lösungen. Wie zum Beispiel die Ausstellungen „Down to Earth“ im Gropius Bau, Berlin, „Zero Waste“ im Museum der bildenden Künste in Leipzig oder „Nimmersatt?“ in der Kunsthalle Münster. Sie alle treffen den Zeitgeist, unseren Umgang mit Ressourcen, Energie und Lebenswelten zu hinterfragen und zu ändern.
Wie viele Arbeiten von dir werden im Rahmen der Ausstellung im Polnischen Institut zu sehen sein?
Unsere Ausstellung ist reich an Medien, Materialien sowie Inhalten und setzt sich aus ca. 30 Arbeiten zusammen. Da ist zum Beispiel mein Pyrozän-Raum, der auf die gleichnamige Serie der von mir vorsichtig mit Feuer und Ruß bearbeiteten Papiercollagen zurückgeht und eine Reaktion auf die Vielzahl globaler und lokaler Waldbrände der vergangenen drei Jahre ist. Mein Einsatz echten Feuers in den Arbeiten integriert somit reale Zerstörung und reales Risiko in die Kunstwerke. Diese Collagen präsentiere ich auf einer abstrakten, bläulichen Landkarte, sodass ihre Hängepositionen als mögliche Brandorte gelesen werden können. In den anderen Räumen folgen meine größeren und kleineren Leinwände, die ebenfalls das Thema Feuer, Fieber und Hitze behandeln, sowie ein hängendes, aus pflanzlichen Kletten zusammengesetztes Wolken-Objekt. Im Gegensatz zu meinen Arbeiten bestehen Michałs aus Bienenwachs, Salz oder Stahl, und werden um Fotografien ergänzt.
Was bedeutet dir die Natur, zunächst mal als Mensch, aber auch als Künstlerin?
Ich wurde in den polnischen Masuren geboren, wo ich in einer fast unberührten, noch intakten Landschaft aufwuchs, die meine tiefe Liebe und Achtung für die Natur geprägt hat. Deshalb beschäftige ich mich leidenschaftlich mit der Natur von der Erde bis zum All, ihren Prozessen und Phänomenen sowie ihren physikalischen Kräften. Im Hinblick auf die Natur existiert zwischen meinem künstlerischen und privaten Leben kein Unterschied.
Deine künstlerischen Arbeiten, in deren Mittelpunkt die Malerei als zentrales Medium steht, kreisen um einige der wichtigsten Themen unserer Zeit: Mensch und Natur, Stärke und Fragilität sowie Krise und Hoffnung. Wie entstehen deine Arbeiten genau?
Mein Ausgangspunkt ist zunächst eine wissenschaftliche oder ökologische Fragestellung mit anschließender Recherche, gefolgt von einer digitalen Skizze für die Leinwandarbeit, die mich locker vorgebend durch die nächsten malerischen Schritte führt. Meine Leinwandarbeiten baue ich dann Schicht für Schicht aus collagiertem Papier, Farbe und fragmentarischen Motiv auf. Mit diesem formalen Aufbau unterstreiche ich die bereits beschriebene Instabilität und Fragilität unserer Umwelt. Mit expressivem, aber gesetztem Duktus trage ich die Ölfarbe entweder mit einem Pinsel oder einem Spachtel auf – beziehungsweise teilweise auch wieder ab. Somit entsteht in meinen Bildern ein fortwährendes Ringen aus unteren und oberen Schichten, von lasierenden und opaken, heilen und kaputten Flächen. Sie sind somit nicht nur Ausdruck der Komplexität meines Themas, sondern auch Versinnbildlichung des Ringens um Werden und Vergehen, Streben und Scheitern, Schützen und Zerstören.
Michał ist im Rahmen seiner künstlerischen Arbeit häufig mit Rucksack und Zelt in der Natur unterwegs. Wie funktioniert seine Arbeitsweise genau?
Ich habe diese Frage an Michał weitergegeben. Hier ist seine Antwort: „Meine Aktivitäten in der Natur sind flüchtig, oft ganz intim. Ich versuche, die Umwelt nicht unwiderruflich zu verändern sowie aufmerksam und sensibel für meine Umgebung zu sein, um Notizen einzufangen. Notizen nenne ich die in der Natur beobachtete Situationen, die nach meiner Definition, einen hohen Kunstfaktor haben und die ich als fertige Werke einstufe. In der nächsten Phase wird das Potenzial der physikalischen Kräfte, die eine bestimmte Situation in der Natur erzeugen, von mir genutzt und so konzipiert, dass es die Basis der entstehenden Skulptur oder Installation bildet. Die Zeltübernachtungen auf meinen Reisen haben mich dazu gebracht, den kompakten und funktionalen Aluminiumrahmen als Baumaterial für räumliche Formen zu verwenden. Das Ritual des Zusammen- und Auseinanderfaltens des Zeltes, des Biegens der Stangen und des Öffnens der Zeltplane habe ich für meine Kunst übernommen – und so entstand in Südamerika das Projekt „Skeletons“, bei dem Skulptur und Landschaft miteinander verschmelzen.“
Wie wichtig ist dir der Austausch mit den Besuchern der Ausstellung?
Mit der Vermittlung von Inhalten halte ich es so, wie ich es selber beim Besuch fremder Ausstellungen gerne habe: Zuerst ist da die eigene, unvoreingenommene Betrachtung und Interpretation, danach folgen Texte oder Artist Talks, um noch mehr zur Idee und zum Kontext zu erfahren. Denn oft steckt hier noch so viel Kluges und Waches drin, das die Kunstwerke vervollständigt. Deshalb ja, eine Vermittlung von Inhalten ist mir wichtig und dazu biete ich im Rahmen unserer Ausstellung zwei Führungen an.
Wann finden die statt?
Am 18. März und am 22. April, das sind jeweils Freitage, spreche ich ab 16 Uhr über meine Kunst und über die ausgestellten Arbeiten und beantworte gerne alle Fragen.
Wir sprachen schon darüber, dass deine Arbeit unter anderem um die Themen Krise und Hoffnung kreist, zwei Themen, die derzeit vermutlich viele Menschen beschäftigen. Wie hat sich die Pandemie auf deine künstlerische Arbeit ausgewirkt? Es gibt ja Künstler, die von sich sagen, dass sie in der Pandemie sehr konzentriert arbeiten können. Aber auch solche, die die Umstände als eher lähmend empfinden.
Für mich war insbesondere das erste Pandemiejahr ein sehr lähmendes. Auch wenn ich regelmäßig im Atelier war, arbeitete ich, als würde ich am Honig kleben. Ich konnte mich überhaupt nicht gut konzentrieren und dachte ganz oft daran, warum ich, verflixt nochmal, an meinem runden Geburtstag im Sommer davor nicht bis zum Morgengrauen durchgetanzt habe.
Angelika J. Trojnarski und Michał Smandek: „Das Ende wird dennoch kommen“: bis 4.5. Galerie des Polnischen Instituts Düsseldorf, Citadellstraße 7, Di-Fr, 11-17 Uhr