Gut zu Füßen. Die Schuhmacherin Karina Ranft

Seit 2019 betreibt Karina Ranft unter dem Namen „Kapire“ ihre eigene Schuhmacherei in Düsseldorf-Gerresheim. Das Geschäft auf der Heyestraße ist eine echte Perle. theycallitkleinparis war vor Ort und hat mit Ranft gesprochen.

Die Heyestraße ist traditionell italienisch geprägt. Unweit des ehemaligen Glashütten-Geländes, das seit Jahren erfolglos auf Neugestaltung wartet, gibt es zahlreiche Pizzerien, Bistros, Süßwarenläden und ein Eiscafé aus dem Stiefelland. Zwischen dem ehemaligen Waschsalon, der übergangsweise von Studierenden der Düsseldorfer Kunstakademie bespielt wird, und der Gaststätte „Zum Adler“ zieht ein Schaufenster die Blicke auf sich. Das Fenster gibt den Blick frei auf jene Accessoires, die Frauen in klischeehaften Werbespots spitze Schreie entlocken: knöchelhohe Converse-Lookalikes, die aus einem folkloristischen südamerikanischen Teppich gefertigt wurden. Weiße Leder-Sneakers, auf deren Seite in Pink der Buchstabe K prangt. Sommerliche Riemchen-Sandalen. Dazu schlichte Ledertaschen, Gürtel und ein Ständer mit kunterbunten Motivsocken.

Foto: Alexandra Wehremann

„Immer schon ein Faible für Schuhe“
Drinnen ist Karina Ranft gerade dabei, ein Stück weißes Prägeleder zuzuschneiden, das mal Teil eines Schuhs werden soll. Mit einem Lineal misst sie das Material ab, um mit dem Bleistift vorsichtig Markierungen auf das Leder aufzubringen. Im Hintergrund singt Joris, es riecht intensiv nach Klebstoff. „Ich hatte immer schon ein Faible für Schuhe, für Mode überhaupt“, erzählt Ranft. An diesem stürmischen Freitag ist ihre Kleidung allerdings eher unauffällig: weiter schwarzer Sweater zum schwarzen langen Rock. Die Schuhe hingegen stechen ins Auge: Die blassgrünen Stofftreter eines bekannten Herstellers hat Ranft seitlich mit Bordüren aufgepeppt. „Eigentlich Geschenkband“, lacht sie. Auf der weißen Sohle hat sie mit Edding den Namen ihres Labels notiert: Kapire. Das Wort ist aus ihrem Vornamen, ihrem polnischen Mädchennamen und dem Geburtsort Rheinberg zusammengesetzt. „Den Namen gab es schon lange, bevor ich das Geschäft eröffnet habe“, sagt Ranft. Ihr sei früh klar gewesen, dass sie sich irgendwann selbständig machen würde. Nach dem Realschulabschluss arbeitete sie zunächst zehn Jahre in einem Elektromarkt, bevor sie sich mit 27 beruflich neu orientierte und eine Ausbildung zur Schuhmacherin begann. Im ersten Jahr lernte sie in einer Schuhfabrik in Langenfeld. „Da machst du über viele Wochen immer den gleichen Arbeitsschritt, wie am Fließband“, erzählt sie. Nach einem Jahr hatte sie genug von der Industrie und wechselte für den Rest der Ausbildung zu einem Mettmanner Schuhmacher. Der organisierte für seine Lehrlinge sogar einen Austausch mit einem Betrieb in Moskau. So kam es, dass Karina Ranft während ihres zweiten Lehrjahrs vier Wochen in der russischen Metropole arbeitete.

Made in Moscow, Foto: Alexandra Wehrmann

„Bestimmt 60 Paar“
In der Zeit dort ist ein ganz besonderes Paar Schuhe entstanden: Die hellbraunen Stiefeletten aus Rindsleder mit metallic-rotem Muster sind in einer Umgebung, in der es insgesamt viel Schönes zu sehen gibt, vielleicht der Blickfang schlechthin. Karina Ranft hat sie für sich selbst gefertigt. Bei der Gestaltung der Schuhe habe sie sich von ihrer Moskauer Umgebung leiten lassen, erzählt sie: „Die russischen Frauen haben ja schon einen krasseren Style, gerade die, die Geld haben.“ Getragen hat Ranft die Schuhe dann lediglich ein einziges Mal, zur Party einer Schuhmesse. „Heute passe ich leider nicht mehr rein. Durch die Schwangerschaften sind meine Füße eine komplette Größe größer geworden.“ Ein Paar weniger kann die Schuhmacherin allerdings problemlos verschmerzen. In ihrem heimischen Schuhregal stehen heute, so erklärt sie nach kurzem Rumdrucksen, „bestimmt 60 Paar“. Auch die weißen Sneakers mit dem pinken K, die ihr Schaufenster schmücken, hat sie ursprünglich für sich gemacht. Dennoch wären sie heute verkäuflich. Für 800 Euro könnte eine sehr glückliche Frau sie mit heim nehmen.

Foto: Alexandra Wehrmann

„Slow Working ist das Motto“
Eine echte Maßanfertigung ist noch mal wesentlich teurer, erklärt Ranft. „Das geht bei 1.800 Euro los.“ Selbst in Gerresheim, in dessen oberen Teil traditionell viele gut situierte Menschen leben, leisten sich das nur wenige. Ein Unternehmensberater aus der Nachbarschaft hat sich zu einem runden Geburtstag ein paar schwarze Derby-Herrenschuhe von Kapire gegönnt – und war offenbar zufrieden. „Für den fertigen wir gerade ein zweites Paar.“ Diesmal hat sich der Kunde für einen braunen Sattelschuh entschieden. Ranft zeigt das bereits zusammengenähte Leder, das mit Nägeln auf der hölzernen Form des Kundenfußes, der sogenannten Holzleiste, fixiert ist. Ungefähr sechzig Stunden Arbeit kostet eine Maßanfertigung. Zwischendurch gebe es immer wieder Anproben, auf die kleinere Korrekturen der Holzleiste folgen. „Erst wenn die Leiste perfekt ist, wird der Schaft gefertigt.“ Bis zu einem Jahr könne der Fertigungsprozess dauern, daran habe sich aber bisher kein:e Kund:in gestört. Ranft ist ohnehin der festen Überzeugung, dass gut Ding Weile haben will: „Slow Working ist das Motto bei Kapire. Wenn wir anfangen, uns zu stressen, werden die Sachen nicht gut.“

Foto: Alexandra Wehrmann

„Wir schauen, dass wir alles repariert bekommen“
Mehr als zwei Jahre nach Eröffnung des Ladens machen Reparaturen nach wie vor den Großteil des Geschäfts aus. Aber auch in dem Bereich sind durchaus knifflige Aufgaben zu bewältigen. Eine Kundin brachte beispielsweise ein paar sehr teure Ballerinas, in die ihr Hund ein Loch gebissen hatte. „Wir haben dann eine neue Spitze aufgesetzt, so musste der Hund nicht ins Tierheim“, lacht Karina Ranft. Auch andere Kund:innen kommen mit ungewöhnlichen Wünschen in den Laden an der Heyestraße. Einer Dame gefiel die spitze Form ihrer Pumps nicht mehr. Einen Herrn verlangt es nach einem Wäschekorb aus Leder. „Das ist auch das Tolle an dem Beruf, dass er so vielseitig ist, dass man ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert wird“, sagt die Mutter zweier Kinder. Seit das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde sei, zögen Kunden zudem oft eine Reparatur einem Neukauf vor. Warum sollte man auch geliebte Schuhe wegwerfen, nur weil die Sohle abgelaufen ist, der Reißverschluss kaputt oder der Vierbeiner einen unbändigen Appetit verspürte? „Wir schauen, dass wir alles repariert bekommen“, sagt Ranft. Bisher hat das noch immer geklappt. Und auch in Zukunft wird die Schuhmacherin wohl bei ihren Leisten bleiben: „Mit den Händen arbeiten ist genau mein Ding.“

Kapire, Heyestraße 118, Düsseldorf
Öffnungszeiten: Di + Fr, 9:30 bis 14:30, Mi + Do 9:30 bis 18 Uhr

Dieser Beitrag ist ursprünglich für das Blog urbanana.de entstanden.

Schreibe einen Kommentar

*