Sie sind alle drei Anfang der 2000er Jahre entstanden und bildeten lange Zeit die Speerspitzen der Düsseldorfer Offkultur: die Kunstvereine Brause, reinraum und damenundherren. Letzterer sucht bereits seit fünf Jahren vergeblich nach neuen Räumlichkeiten. Auch die Brause hat, seit sie die alte Tankstelle an der Bilker Allee 2019 verlassen musste, kein alternatives Domizil gefunden. Wie sieht die Perspektive der Kunstvereine in einer Stadt aus, in der kaum etwas so rar ist wie günstige Räume? theycallitkleinparis hat sich mal umgehört.
„Einfach nicht zu fassen“
Beim reinraum ist die Situation eine etwas andere als bei Brause und damenundherren. Die ehemalige öffentliche Toilette unter dem Jahnplatz ist seit Ende 2020 wegen eines Wasserschadens nicht mehr nutzbar. Seit oben auf dem Platz das Pflaster erneuert wurde, dringt unten Feuchtigkeit ein. Als Folge dessen hat sich Schimmel gebildet. Bis heute sei es dem Verein nicht offiziell untersagt worden, Veranstaltungen durchzuführen, erklärt Martin Korbmacher vom reinraum e.V. „Es gibt dazu nichts Schriftliches. Lediglich die mündliche Aussage städtischer Mitarbeiter, dass der reinraum in seinem Zustand nicht mehr für eine Nutzung zur Verfügung steht.“ Daran hat sich der Verein, der wie die Brause im Jahr 2001 gegründet wurde, bis heute gehalten. Zumindest in den Wintermonaten hätte Corona den Betrieb in dem nur 61 Quadratmeter großen unterirdischen Raum, ohnehin unmöglich gemacht. So kam eins zum anderen.
Als öffentliche Toilette war der heutige reinraum früher ein Problemort. Ein Fixertreff. Dem damaligen Oberbürgermeister Joachim Erwin war er natürlich ein Dorn im Auge. „Deshalb ist er auf die Anfrage, ob man den Raum für Kultur nutzen könne, wahrscheinlich eingegangen“, mutmaßt Korbmacher. Von heute auf morgen wurden die ehemaligen Toiletten dennoch nicht zur Verfügung gestellt. „Es dauerte bestimmt ein Jahr, bis die Zusage da war.“ Heute stellt die Stadt Düsseldorf dem Verein die Räume mietfrei zur Verfügung. „Ein mündliches Agreement, das sich über 20 Jahre, bis zum Eintritt des Platzschadens, bewährt hatte“, so Korbmacher. Rund 400 Veranstaltungen, so schätzt er, haben über die Jahre unter dem Jahnplatz stattgefunden. Genau dokumentiert ist das nicht. „Wir organisieren in aller Regel zehn Ausstellungen pro Jahr. Dazu zehn weitere Veranstaltungen, meist DJ-Sets oder Konzerte. Das ist das Minimum. Oft machen wir mehr.“ Dabei fühle man sich keiner speziellen Szene verpflichtet. „Wir stellen unseren Platz völlig unterschiedlichen Akteuren zur Verfügung und freuen uns, wenn sich die Szenen mischen. Das ist es, was den reinraum ausmachen sollte“, sagt Korbmacher. Dabei ist manch eine:r, der/die im reinraum erste Gehversuche unternahm, heute fester Bestandteil des etablierten Kulturbetriebs. Anys Reimann, die vor sechs Jahren unter dem Jahnplatz ausgestellt hat, war vor einigen Monaten Teil der Gruppenschau „Attempts to be many“ in der Sammlung Philara, zuletzt waren Arbeiten von ihr auf der „Art Düsseldorf“ zu sehen. Bettina Blümner, die 2001 die allererste Ausstellung im reinraum bestritt, wurde 2008 für ihren Film „Prinzessinnenbad“ mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Alles war denkbar, vieles möglich – vom Abend mit französischen Weinen über ein queeres Silvester mit Vogueing und Poledance bis hin zum elektronischen Club mit Musik von Daniel Fritschi.
Seit mittlerweile anderthalb Jahren erklingt nun unten keine Musik mehr. Man hört lediglich das Tropfen des Wassers. Ab und zu schaut jemand vorbei, um die Eimer, die die Feuchtigkeit auffangen, auszutauschen. Nachdem es zunächst schwierig war, auf Seiten der Stadt eine:n Ansprechpartner:in zu finden, ist mittlerweile eine Mitarbeiterin des Kulturamts zuständig. Beim reinraum wünscht man sich natürlich Planungssicherheit. Nachdem man einen Brief an Oberbürgermeister Stefan Keller geschickt hatte, gab es Mitte Oktober 2021 ein Treffen mit dem damaligen Kulturdezernenten Hans-Georg Lohe und Mitarbeitern des Kulturamts. Die schlugen die Räume der ehemaligen öffentlichen Toilette am Kirchplatz als Ausweichquartier vor. Ein Vorschlag, der mittlerweile wieder vom Tisch ist, wie Korbmacher schildert: „In unserem Verein hat man sich auch mehrheitlich dafür ausgesprochen, in den alten Räumen am bestehenden Platz zu bleiben.“ Ursprünglich hieß es, die Arbeiten am Jahnplatz, die das weitere Eindringen von Wasser verhindern sollen, könnten frühestens im Frühjahr 2022 starten. Passiert ist bisher: nichts. Die Frage, wer für die Schäden im reinraum selbst aufkommt, konnte bisher auch noch nicht geklärt werden. „Die Situation dort unten wird natürlich nicht besser. Warten schafft da keine Vorteile, für niemanden“, so Korbmacher. Die Situation, der anfängliche behördliche Umgang mit ihr und die Erfahrungen aus den benachbarten und befreundeten Offräumen, so erzählt er, hätten anfangs nur schwerlich Optimismus zugelassen. Mittlerweile schaut man wieder zuversichtlicher in die nahe Zukunft. Die Stadt hat ein Gutachten als Grundlage der Arbeiten für den bereits beauftragten Architekten zeitnah in Aussicht gestellt. Zudem gab es in der ersten Hälfte des Jahres 2022 Kooperationen mit „The Pool“ und dem „Neuen Kunstraum“, in deren Räumlichkeiten erste Ausstellung ausgelagert wurden. Das sei wichtig, betont Korbmacher, „Wir wollen schließlich sichtbar bleiben.“
reinraum
Gründungsjahr: 2001
Raum nicht nutzbar seit: 2020
Mitglieder: 61
Mitgliedsbeitrag: 60 Euro/30 Euro für Sozialversicherungsbefreite
Perspektive: hoffen auf den Beginn der Bauarbeiten am Platz zur Behebung des Wasserschadens und auf anschließende Wiederaufnahme des Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramms
In dieser Reihe bereits erschienen: