Katharina Drasdo im Interview – „Wie ein begehbarer Lokalteil der Tageszeitung“

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause steigt am Samstag eine neue Ausgabe des Düsseldorfer Büdchentags. Katharina Drasdo war der Veranstaltung bereits in der Vergangenheit verbunden. In diesem Jahr hat die Designerin nun ein Büdchen-Magazin aus der Taufe gehoben, das seit einigen Wochen an zahlreichen Stellen in der Stadt kostenlos ausliegt. Im Interview hat theycallitkleinparis Drasdo ganz bewusst nicht nach ihrer perfekten gemischten Tüte gefragt.

Katharina, wann warst du das letzte Mal am Büdchen?
Am vergangenen Montag, um Sticker für den Büdchentag zu verteilen.

Und, was hast du gekauft?
Gekauft habe ich diesmal nichts.

Bist du jemand, der beim Einkaufen regelmäßig etwas vergisst, was du dann an der Bude holst?
Es gibt nichts, was ich beim Einkaufen vergesse und am Büdchen ersatzweise kaufen kann. Generell ist das Büdchen für mich eher etwas für die vergnüglichen Läufe und nicht für die notwendigen.

Hast du denn ein Stammbüdchen?
Ja, bei uns an der Ecke. Es gehört einem griechischen Ehepaar. Wenn man sich über Neuigkeiten aus dem Viertel informieren will, sollte man dort hingehen. Ansonsten kann man sich aber auch über Rezepte, Sport oder das politische Weltgeschehen austauschen. Das Büdchen funktioniert wie ein begehbarer Lokalteil der Tageszeitung.

Was sollte ein:e gute:r Büdchenbetreiber:in deiner Ansicht nach mitbringen?
Eigentlich nur Feingefühl für die Umgebung und den Willen oder vielmehr Freude daran, ein Teil davon zu sein.

Am kommenden Samstag findet nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wieder ein Büdchentag in Düsseldorf statt. Wie habt ihr die Zwischenzeit überbrückt?
Durch die Pause hat sich das Profil geschärft, denn die Frage „Was ist der Büdchentag?“ ist durch fehlende Altion in den Hintergrund getreten. Dafür liegt der Fokus jetzt auf einem Narrativ, einer Geschichte, die wir mit den Leuten gemeinsam über den Büdchentag erzählen wollen. Während wir ihn gemeinsam gestalten können. So ist auch das Leitthema dieses Jahr entstanden: „Good News/Bad News“. Und wir sind irgendwo dazwischen.

Du warst ja auch bei früheren Büdchentagen bereits involviert. Was genau hast du dort gemacht?
Ich habe insgesamt drei Jahre Pop-Up-Büdchen gebaut, die sich mit populären Themen wie der Internetkultur, Werbung oder Technokultur beschäftigt haben. Ich war schon immer von architektonischen Mikroorganismen fasziniert, die eine perfekte Welt in sich selbst sind. Alles aufeinander abgestimmt auf kleinstem Raum.

Für die jüngste Ausgabe des Büdchentags hast du nun ein Büdchen-Magazin kreiert. Wie kam es dazu?
Es ging vor allem darum, die beiden ausgefallenen Büdchentage zu kompensieren und den Büdchenliebhaber:innen unsere gedruckte Liebeserklärung an das Büdchen auszuhändigen. Verbunden mit dem Versprechen, dass es uns 2022 wieder gibt. Wir wollten, dass man etwas in der Hand hält, etwas, das bleibt, begleitet und bei den Menschen einzieht. Das schafft man mit einer Zeitschrift. Dass es ein Büdchenzine ist, mit Referenz zu den Fanzines diverser Subkulturen, war absolut gewollt. Um solch ein Format zu entwickeln und zu tragen, ist Fanatismus unbedingt nötig.

Welche Optik hast du dem Magazin gegeben?
Das bisher beste Feedback war „Eine Mischung aus Bäckerblume und Vogue, Apotheken-Umschau und Vice-Magagzine“. Mir ging es bei der Gestaltung hauptsächlich darum, von der gestalterischen Ödnis vieler Printprodukte Abstand zu nehmen. Es sollte ein Magazin werden, das auffällt, unterhält und etwas ausstrahlt, das ein Haben-wollen auslöst. Und ein bisschen witzig sollte es auch sein. Ich glaube, der Schlüssel und Moment, in dem sich alles zusammengefügt hat, war die Cover-Entwicklung: Wir wollten auf keinen Fall ein Büdchen von innen oder außen zeigen. Sondern die Geschichten von Leuten, die diese Kultur in ihr Leben integriert haben. Leben, Ausgehen, Freundschaft, Moment.

Zum Thema Büdchen gibt es ja schon verschiedene Druckerzeugnisse. Mir fällt auf Anhieb der Bildband „Die Bude“ ein. Wie sicher wart ihr euch, dass das Thema nicht schon auserzählt ist?
Für uns entscheidend waren die Gedanken zum Format: Podcast, Live-Stream, Game – wir haben über alles nachgedacht. Ein paar Monate später hätten wir vermutlich auch abgewogen, ob wir den Büdchentag ins Metaversum übertragen. Dann war klar, dass mit der langen mediengeprägten Historie des Büdchens die Zeitung oder Zeitschrift das perfekte Medienformat ist. Wendig, rubrikenflexibel, mannigfaltig in den Darstellungsformen. Plötzlich hatten wir ganz neue Spielräume. Horrorskope, Kochrezepte, die mit Lebensmitteln vom Büdchen gelingen, Ausmalbilder, Interviews mit Stammgäst:innen. Ich glaube, es gibt viel zu erzählen, wenn man sich loslöst von dem Ort hin zu den Bedürfnissen der Menschen an diesem Ort.

Welchen Aspekten des Themas Büdchen widmet sich euer Magazin konkret?
Wenn man sich das Magazin aufmerksam liest, findet man verschiedenste Aspekte. Von Soziokultur über Architektur bis hin zu Nachtkultur. Den Werdegang des Büdchentages und auch ganz viel Wertschätzung den Menschen gegenüber, die den Tag immer wieder begleiten, unterstützen und/oder feiern.

Wann ist das Magazin erschienen, in welcher Auflage und wo kann man es bekommen?
Das Magazin gibt es seit Ende Mai. Es liegt in einer mittleren vierstelligen Auflage an allen teilnehmenden Büdchen, bei Kulturinstitutionen und kulturellen Hotspots in Düsseldorf kostenlos aus. Ganz sicher kann man am Büdchentag ein Exemplar ergattern. Im Notfall und auf dringenden Wunsch ist es auch direkt bei mir zu haben.

Was erwartet die Besucher:innen des diesjährigen Büdchentags programmatisch?
Ein Potpourri der vergnüglichen Freizeitgestaltung. Nachbarschaftsfeste, Hüpfburgen, Trödelmarkt und wahnsinnig viel Live-Musik der unterschiedlichsten Genres. Man kann eigene Magazine herstellen, sich Grillz anfertigen lassen oder internationale Speisen genießen.

Welche Veranstaltung willst du selbst auf jeden Fall beim Büdchentag besuchen?
Ich werde als erstes die Hüpfburgen am Münsterplatz besuchen. Danach beim Zine-Workshop von The Rapid Publisher am Margharita-Büdchen vorbeischauen. Ab 19 Uhr tourt der MuseumExpress mit der kleinsten Retrospektive der Welt über Tata Ronkholz durch Flingern. Sebastian Jung, der das Museum leitet und mit dem Fahrrad durch die Welt fährt, hat den kleinsten Museumsshop der Welt als neuen „Anbau“ dabei. Dort werde ich mich umschauen. Anschließend gehe ich zum Get Over It-Büdchen auf der Bahnstraße (Covergirls Büdchenzine) und lasse den Abend bei ein bisschen Glitch-Pop-Techno und einem eigens für den Büdchentag entwickelten Cocktail namens „Kiosk Punch“ ausklingen. Gerne würde ich alle 30 Büdchen besuchen. Aber bei dem diesjährigen Programm ist das schier unmöglich.

13.8. Düsseldorfer Büdchentag, mehr Infos hier

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