Praise the Lord. Ein Besuch in der Messe der nigerianischen Gemeinde

Bereits seit den 1970er Jahren werden Gottesdienste in Deutschland nicht ausschließlich in deutscher Sprache abgehalten, sondern auch auf Kroatisch, Polnisch, Italienisch oder Ukrainisch. „Auch in Düsseldorf hat mittlerweile fast jede Gemeinde eine Gast-Gemeinde“, weiß Stephan Pörtner, Pastor in St. Josef in Oberbilk. Für die Mitglieder habe das regelmäßige Zusammenkommen nicht nur religiöse Aspekte, es sei vielmehr identitätsstiftend. „Ein Stück Heimat“, so Pörtner. Die Räume von St. Josef werden von gleich zwei Gast-Gemeinden genutzt. Dort finden sich wöchentlich Mitglieder der eritreisch-katholischen und der nigerianisch-katholischen Gemeinde ein. Letztere feiert jeden Sonntag um 15 Uhr ihre Messe in dem Oberbilker Gotteshaus. Wobei der Begriff „feiern“ hier durchaus wörtlich zu nehmen ist, wie man bei einem Besuch vor Ort eindrucksvoll erfahren kann.

Foto: Markus Luigs

Ein Sonntagnachmittag in Oberbilk. Um kurz vor drei haben sich im Inneren der Kirche fünfzig bis sechzig Gläubige eingefunden. Der Unterschied zu deutschen Gottesdienst-Besuchern fällt auf den ersten Blick ins Auge: Die nigerianische Gemeinde ist wesentlich jünger, als man es hierzulande gewohnt ist. Seniorinnen und Senioren sind eher die Ausnahme. Stattdessen trifft man auf zahlreiche junge Familien, aber auch Paare und Einzelpersonen haben sich in der Oberbilker Kirche eingefunden. Während manche bereits auf den vorderen Sitzbänken Platz genommen haben und ins stille Gebet vertieft sind, stehen andere im Eingangsbereich der Kirche und plaudern. Die Stimmung: locker. Der Umgang untereinander: vertraut und freundschaftlich. Männer klatschen einander ab, Frauen umarmen sich. Der Mittelgang gerät dabei beinahe zu einer Art Catwalk, so sehr haben sich viele Messebesucher:innen in Schale geworfen. Die Damen tragen afrikanische Stoffe um die Hüfte und um den Kopf, elegante Kleider zu farbenfrohen Ketten. Bei den Herren ist vom dunklen Anzug bis zum traditionellen Samthemd mit Löwenköpfen, dem sogenannten Isiagu, von blitzeblanken Lederschuhen bis zu Sneakers alles vertreten.

Es ist Punkt drei, als es zur Messe läutet. Der Klang der Glocken mischt sich mit dem Sirenengeheul eines vorbeirasenden Krankenwagens. Ein akustischer Vorgeschmack auf das, was an diesem Nachmittag noch kommen wird. Während die Gemeinde „Into Your Sanctuary“ anstimmt, ist eine Gläubige bereits in Feier-Laune: Tänzelnd schwenkt sie ihre glitzernde blaue Handtasche, auf der ein goldener Löwenkopf prangt. Draußen machen sich derweil die rot-weiß gewandeten Messdiener:innen für ihren Einsatz bereit, ein buntes Trüppchen aus Jungen und Mädchen, allesamt mit afrikanischen Wurzeln. Feixend und schwadronierend ziehen sie von der Sakristei zum Eingang, um dann via Mittelgang ihren Platz nahe des Altars zu erreichen. Mittelpunkt der Gruppe ist derjenige, der die Zeremonie allsonntäglich leitet: Kaplan Agbo Chimezie Zephilinus. Der Geistliche betreut die nigerianische Gemeinde Düsseldorf bereits seit 2015. Zunächst ehrenamtlich, seit Juni 2021 als Kaplan in den Pfarreien St. Antonius, St. Apollinaris, St. Martin, St. Peter, St. Pius X und eben auch St. Josef. „Die Messe“, so hatte er kurz vor Beginn erklärt, „wird zweisprachig abgehalten“. Sowohl auf Igbo als auch auf Englisch. In Nigeria genießt Igbo neben Hausa und Yoruba den Status einer Nationalsprache.

Die nigerianische Gemeinde ist die erste und einzige in ganz Düsseldorf. Die Gläubigen, die sich sonntags in St. Josef einfinden, kommen keinesfalls nur aus der Landeshauptstadt, sondern reisen auch aus dem Umland an, aus Neuss, Wuppertal oder Grevenbroich. Seit man im Jahr 2016 von St. Elisabeth in Flingern nach Oberbilk umzog, ist St. Josef für die nigerianischen Katholiken eine feste Anlaufstelle geworden. Die Gemeinde St. Josef bekommt vom Erzbistum Köln einen jährlichen Pauschalbetrag dafür, dass sie den Afrikanern die Räume zur Verfügung stellt. Kaplan Agbo bestätigt das, was auch Pastor Pörtner gesagt hat: „Die Gemeinde spielt auch eine wichtige soziale Rolle für die Leute.“ Auch jenseits der Gottesdienste sei man als Gemeinschaft unterwegs, teile gute und schlechte Zeiten. „Für uns Nigerianer ist Familie sehr wichtig. Unsere Gemeinde funktioniert wie eine große Familie“, erklärt er.

Foto: Markus Luigs

Als die Messdiener:innen ihren Platz im Altarraum erreicht haben, beginnt Agbo, der optisch an den US-amerikanischen Sänger John Legend erinnert, mit der Zeremonie. Was die Liturgie angeht, gibt es keinen Unterschied zu deutschen Katholiken. Predigt, Glaubensbekenntnis („I believe in God“), Kollekte, Vater unser („Our Father“), Heilige Kommunion. Die Stimmung, die in dem Oberbilker Gotteshaus sonntags um 15 Uhr herrscht, unterscheidet sich allerdings gewaltig von dem, was man hierzulande kennt. Während es bei den Deutschen eher leise und getragen zugeht, feiert die nigerianische Gemeinde begeistert mit. Das fängt damit an, dass sie den Großteil der Messe über steht, nur selten kniet oder sitzt. Sitzend lässt es sich schließlich schlecht tanzen! Lieder werden eher geschmettert als geflüstert, ab und zu fliegen Arme in die Luft. Zephilinus befeuert das Ganze zusätzlich, indem er – ähnlich wie ein Torwart im Stadion – die Gemeinde motiviert. „Praise the Lord“ ruft er ihnen zu, „Look at somebody and smile“ oder „Let us do something for the Lord“. Die Gläubigen tun, wie ihnen geheißen und klatschen in die Hände. Es ist also nicht nur der Lord, der gefeiert wird. Sondern auch jeder und jede einzelne Gläubige.

Vorsängerin, Foto: Markus Luigs

Das Singen, in deutschen Messen oft nicht mehr als ein flüsterndes Murmeln, ist hier eher ein Rufen. Untermalt wird es nicht von der Kirchenorgel, sondern von einem E-Piano, das in der vordersten Kirchenbank steht. In manchen Phasen kommen auch afrikanische Trommeln wie Ichaka, Ekwe, Ogene oder Udu zum Einsatz. Zusätzlich haben einige Gemeindemitglieder Rhythmusinstrumente mitgebracht. Kleine Rasseln, metallene Gefäße, auf die mit einem Holz geschlagen wird. Entsprechend hoch ist der Lärmpegel. Er erinnert an ein volles Fußballstadion. Oder eine Silvesterparty um 0 Uhr.

Die Messe dauert ungefähr 90 Minuten. Dann kehrt wieder Ruhe ein. Es ist ein bisschen so, als sei ein Hurricane über Oberbilk gefegt. Ein Hurricane des Glaubens. Ein Hurricane der Lebensfreude. Für die Messebesucher:innen ist der Nachmittag noch nicht zu Ende. Mit Schüsseln und Töpfen voller Reis, gebratenen Kochbananen, Puten- und Hähnchenfleisch, Muffins und vielem mehr geht es in den nahen IHZ-Park, wo gemeinsam gegessen wird. Der informelle Austausch nach dem Gottesdienst „ist den Gemeindemitgliedern sehr wichtig“, hatte Kaplan Agbo erklärt. Während im IHZ-Park also mutmaßlich Jubel, Trubel, Heiterkeit herrscht, liegt St. Josef nunmehr still da. Vorübergehend jedenfalls. Bis zum nächsten Sonntagnachmittag.

Die Messe der nigerianischen Gemeinde Düsseldorf findet jeden Sonntag um 15 Uhr in St. Josef statt. Gäste sind herzlich willkommen.

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