Im Herbst vergangenen Jahres erreichte mich eine Nachricht aus einem winzigen Dorf in Brandenburg. Absenderin: Martina Bauchrowitz, eine ehemalige Oberbilkerin. „Liebe Frau Wehrmann, letztes Jahr zu Weihnachten hat man mir Ihr Buch Oberbilk. Hinterm Bahnhof geschenkt“, schrieb Frau Bauchrowitz. Bei der Lektüre habe sie sich in ihre Kindheit und Jugend zurückversetzt gefühlt. Die ersten 27 Jahre ihres Lebens, von 1956 bis 1983 verbrachte die Biologin nämlich hinter dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Als sie mich anschrieb, tat sie das natürlich nicht ohne Grund. Bauchrowitz war auf der Suche nach einem weiteren Exemplar des Buchs. Problem, Problem: Die 2000 Stück, die Markus Luigs und ich hatten drucken lassen, waren bereits vergriffen. Eine umfassende Recherche meinerseits ergab dann allerdings, dass im hintersten Winkel eines Küchenschranks noch eine eiserne Reserve existierte. Das allerletzte Buch hatte ich mir für einen besonderen Anlass aufgehoben. Der war mit der Anfrage von Frau Bauchrowitz gekommen. Sie wollte das Buch nämlich Klaus Posenauer schenken, ihrem Freund aus Kindertagen, der vor über 35 Jahren von Oberbilk nach Australien ausgewandert war.
Die Dinge nahmen also ihren Lauf. Das allerletzte Oberbilk-Buch ging auf eine große Reise, in deren Verlauf es über 16.000 Kilometer zurücklegte. Zunächst wurde es mit der Post in das brandenburgische Dörfchen verschickt. Von dort aus reiste es dann im November via Flugzeug über Singapur nach Sydney. Unweit der australischen 5-Millionen-Metropole lebt Klaus Posenauer, am Fuße der blauen Berge. Bevor er 1986 nach down under auswanderte, wohnte Posenauer 27 Jahre in Oberbilk. „Das war damals ein ganz normaler Stadtteil, weder arm noch übermäßig reich, bewohnt von Arbeitern und Angestellten überwiegend deutscher Herkunft, aber natürlich auch von Gastarbeiterfamilien aus Italien, Griechenland oder dem damaligen Jugoslawien“, erinnert er sich im Interview. Nachdem Posenauer die Schule abgeschlossen hatte, arbeitete er als Devisenhändler beim Bankhaus Trinkaus & Burkhardt. „Auf einer USA-Reise wurde mir dann ein Job bei einer Bank in San Francisco angeboten“, erzählt der heute 63-Jährige. Er begann, darüber nachzudenken, und merkte schnell, dass er der Idee etwas abgewinnen konnte: „Ich wollte gerne Auslandserfahrung sammeln.“ Also sprach er mit seinem Chef bei Trinkaus & Burkhardt, der daraufhin versuchte, ihm etwas Vergleichbares anzubieten, ihn aber in der Bankengruppe zu halten. „Letzten Endes fragte man mich, ob ich mir auch vorstellen könne, nach Sydney zu gehen.“ Posenauer wusste wenig über den fünften Kontinent. Gerade mal drei Dinge fielen ihm seinerzeit zu Australien ein: Kängurus, Koalas und das Opernhaus in Sydney. Er erbat sich Bedenkzeit und begab sich in die Stadtbücherei, um den kompletten Bestand an Australien-Büchern auszuleihen. Was er dort in den folgenden Tagen las, gefiel ihm: „Klang alles gut und die Fotos sahen auch sehr einladend aus.“ Er entschied sich also für Sydney. Sein Arbeitsvertrag lief zunächst mal drei Jahre. Aber schon nach sechs Monaten in Australien war Posenauer klar, dass er Oberbilk und mit ihm Düsseldorf und Deutschland für immer den Rücken kehren würde und in Australien bleiben würde.
Heute wohnt der Auswanderer am Westrand von Sydney, am Fuß der Blauen Berge. Dort hat er ein Einfamilienhaus gemietet, „in dem lebe ich mit Hugo, dem Kater meiner Tochter, der mich adoptiert hat, als sie nach Canberra zog“. Als Devisenbänker ist Posenauer schon lange nicht mehr tätig. Vor der Pandemie arbeitete er 20 Jahre lang als Tourguide für einen Reiseveranstalter, der sich auf deutschsprachige Kleingruppen spezialisiert hatte. „Derzeit fahre ich hauptsächlich Reisebusse, einschließlich Tour-Kommentare“, fügt er hinzu. In Oberbilk ist er das letzte Mal in den 1990er Jahren gewesen, damals wohnten seine Eltern noch im Viertel. Von da an hat er die Entwicklung des Stadtteils nicht weiter verfolgt: „Ich war daher sehr erstaunt, als ich in dem Buch gelesen habe, wie sehr sich Oberbilk offenbar in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.“
Klaus Posenauers Geheimtipps für Australien:
Packen Sie nicht zu viel in eine Reise. Lassen Sie sich stattdessen Zeit, bestimmte Gegenden etwas genauer zu erkundigen. Australien in drei Wochen sind meiner Ansicht nach nur Schnupperreisen, bei denen einem erst klar wird, wie viel mehr es in dem Land zu sehen gibt. Die Entfernungen in Australien sind sehr groß, entsprechend viel Zeit muss man für die Strecken zwischen den einzelnen Zielen einplanen.
Sydney ist nicht nur eine Großstadt mit mehr als 5 Millionen Einwohnern, sondern auch eine Region, in der man Urlaub machen kann. Nehmen Sie sich also einige Tage für Sydney Zeit, bevor Sie weiterreisen.
Sydney hat ein Netz von circa 1.300 Kilometern an Wanderwegen, man kann die Gegend also prima zu Fuß erkunden.
Der Hawkesbury River fließt entlang des Westrandes von Sydney, am Fuß der Blauen Berge, und dreht später nach Osten ab, um in den nördlichsten Naturhafen von Sydney, Pittwater-Broken Bay, zu münden. Der Hawkesbury River ist ein wunderschönes Erholungsgebiet. Dort kann man auch Hausboote mieten, einen Bootsführerschein braucht man dafür nicht. Wer nicht genug Zeit oder Geld für ein Hausboot zur Verfügung hat, dem empfehle ich den Riverboat Postman, einen Post-/Fährservice, der verschiedene kleine Siedlungen, die nur vom Wasser aus erreichbar sind, anfährt und auch Reisende mitnimmt.
Die Blauen Berge westlich von Sydney. 10.000 Quadratkilometer Natur pur, aufgeteilt in acht Nationalparks. Für viele ist Katoomba, der Hauptort in den Blauen Bergen, mit der Felsformation der 3 Schwestern der Höhepunkt der Gegend. Es gibt aber viel mehr als das. Wer ein bisschen mehr Zeit hat, sollte sich die Tropfsteinhöhlen der Jenolan Caves anschauen, meines Erachtens weitaus interessanter und imposanter als die three sisters. Auch die Wanderwege in dem Höhlengebiet sind sehr empfehlenswert. Wanderern mit guter Kondition empfehle ich, in die Täler und Schluchten hinabzusteigen. So lässt sich die Schönheit der Berge in vollem Ausmaß genießen.