Ulrike Kraenz im Interview – „Jede Postkarte ist ein Unikat“

Zugegeben, eine Nachricht über WhatsApp ist schneller, unaufwendiger und billiger. Aber das Gefühl ist natürlich nicht das gleiche wie, wenn man eine geschmackvolle, mit Muße und Witz getextete Postkarte aus dem Briefkasten fischt! Trotzdem scheint der Urlaubsgruß auf Pappe ähnlich en vogue zu sein wie das Bakelittelefon. Die meisten Menschen sparen sich den Aufwand mittlerweile. Nicht so Ulrike Kraenz. Die Oberbilkerin verschickt von ihren Tripps bis zu 40 Postkarten. theycallitkleinparis hat mit ihr gesprochen.

Ulrike, du bist ja ziemlich viel unterwegs. Wohin führten dich deine letzten Reisen?
Im April war ich zum Wandern auf der Insel Korfu, ein paar Wochen später ging’s dann nach Rügen – mit Fahrrad und Zelt einmal rund um die Insel.

Du gehörst zu den wenigen Menschen, die noch Postkarten aus dem Urlaub versenden. Wie groß ist der Kreis der Menschen, die du beschickst?
Das variiert. Je nachdem, wie lange ich unterwegs bin, sind es fünf bis 20. Früher waren es auf längeren Reisen durchaus bis zu 40. Meine Geschwister – das sind allein vier – und mein Papa bekommen immer eine, die sind gesetzt, obwohl mir nicht alle von ihnen auch selbst welche schreiben. Ansonsten ziehe ich häufig diejenigen vor, die mich auch ab und zu mit einem Kartengruß bedenken.

Lass uns mal mit den Motiven anfangen. Wenn man nicht gerade in Bitterfeld urlaubt, gibt es ja da in der Regel eine große Auswahl. Ich zum Beispiel gehe gerne auf Suche nach Postkarten aus den Siebzigern, die nachträglich über die Maßen koloriert wurden. Das Meer muss die Farbe von Schlumpf-Eis haben – dann ist es für mich persönlich genau richtig. Wenn ich keine geschmackvollen Postkarten finde, verschicke ich auch nichts. Wie ist das bei dir? Wie sind deine Vorlieben, was die Gestaltung angeht? Eher ein Motiv – oder viele kleine? Mit Text oder ohne? Oder vielleicht sogar was Humoriges, Schlüpfriges mit barbusigen Frauen, dickbäuchigen Herren oder ähnlich?
Am liebsten sind mir Karten, auf denen ein Ort zu sehen ist, an dem ich tatsächlich war. Meistens sind das Landschaften, da ich vorwiegend wandernd unterwegs bin. Wenn es nichts dergleichen gibt, greife ich auf Alltagsmotive zurück, etwa ein Marktstand, ein typisches Gericht, ein Esel, Obst, Blumen und so weiter. Im Notfall gehen diese Karten mit den vielen kleinen Motiven und einem Schriftzug drauf. Klamaukige Karten verschicke ich aber eher nicht, dann lasse ich’s lieber. Wenn’s nur ein schönes Motiv gibt, bekommen auch mal alle die gleiche Postkarte. Für meinen kleinen Bruder suche ich immer eine mit Katzen drauf. Einmal gab’s keine, da habe ich eine genommen, auf der Kartoffeln abgebildet waren. Immerhin derselbe Anfangsbuchstabe.

Werden die Postkarten gleich zu Beginn des Urlaubs gekauft – Stichwort: Pflichterfüllung – oder auch schon mal last minute?
Ich kaufe die Karten im Laufe des Urlaubs, sobald ich einen Laden sehe, denn ich weiß ja nie, ob es später auch nochmal welche gibt. Geschrieben werden sie aber oft erst last minute. Ich habe sogar schon welche den Mitarbeiter:innen am Check-In-Schalter in die Hand gedrückt, mit der Bitte, sie für mich einzuwerfen, weil ich’s vorher nicht geschafft hatte. Den Gefallen haben sie mir offensichtlich auch immer getan.

Kommen wir zum Text. Wie darf man sich den bei dir vorstellen? Wovon erzählen deine Postkarten – Wetter, Essen, Unterkunft?
Ja, genau. Früher war ich etwas kreativer und hab schon mal ein kleines Gedicht verfasst, aber so viel Muße habe ich heute nicht mehr. Ich versuche aber, einen Bezug zum Adressaten herzustellen. Also wenn jemand gern Wein trinkt, erwähne ich halt, wie mir der Wein vor Ort schmeckt. Oder Leuten, die selbst schon mal in dem Land oder der Region waren, erzähle ich, wie es mir an den Orten gefallen hat, die sie mir im Vorfeld empfohlen haben. Außerdem starte ich fast immer mit einem „Hallo“ in der Landessprache. Wenn die Karte aus Portugal kommt, eröffne ich mit „Bom día“. „Ayubowan“ heißt es aus Sri Lanka oder „Ni Hao“ aus China. Von der Ostsee „Moin“ und aus Bayern natürlich „Servus“.

Erlaubst du es dir, ein und denselben Text an mehrere Empfänger:innen zu schicken? Oder bekommt jede:r etwas Individuelles?
Inhaltlich wiederholen sich die einzelnen Texte, aber was die Formulierungen angeht, ist jede Postkarte ist ein Unikat.

Schon mal eine Postkarte an dich selbst verfasst?
Nein und das habe ich durchaus schon bereut, weil es schöne Erinnerungen gewesen wären oder sogar eine Chronik aller meiner Reisen. Aber nun mag ich auch nicht mehr damit anfangen.

Ich neige ja dazu, Postkarten bis auf den letzten Quadratmillimeter zu befüllen. Meist schreibe ich noch um das Adressfeld herum, weil ich so viel mitzuteilen habe, so viele Eindrücke, die ich gerne weitergeben möchte. Wie ist das bei dir?
Ich nutze den Platz auch gern bestmöglich und schreibe Sätze oft noch um die Ecke.

Als PR-Texterin bist du ja vom Fach: Wie lange brauchst du, um eine Postkarte zu verfassen?
Also wenn ich im Flow bin, dann brauche ich nicht länger als fünf Minuten für eine Karte. Ich habe mir abgewöhnt, daraus eine Wissenschaft zu machen, und schreibe einfach drauf los. Am liebsten irgendwo an einem Tisch mit einem Getränk vor der Nase. Oft schreibe ich dann alle auf einmal. Länger dauert es, auszuwählen, wer welche Karte bekommt, und die ganzen Adressen draufzuschreiben. Das mache ich immer vorher. Danach ziehe ich eine Karte aus dem Stapel und die wird dann betextet, es gibt also keine feste Reihenfolge.

Welches der von dir besuchten Länder ist besonders postkartenfreundlich, weil das Porto günstig ist?
In letzter Zeit kam mir das Porto überall teuer vor, ganz egal, wo ich war. Früher bin ich viel in Südostasien herumgereist, da fand ich’s vergleichsweise günstig.

Auf Korfu hingegen war das Porto unverschämt teuer.
Ich war im April auf der griechischen Insel. Eine Briefmarke sollte 2,20 Euro kosten. Erst dachte ich, das sei ein Scherz und ein Touristenaufschlag, aber an anderen Stellen wurde mir der Preis bestätigt. Letztes Jahr kostete der Versand wohl noch 1,10 Euro und wurde dann verdoppelt. Warum konnte mir niemand sagen. Von Korfu habe ich dann keine Postkarte verschickt – zumal mich noch nicht mal die Motive überzeugt hatten. Sonst hätte ich vielleicht zumindest dem Inner Circle eine zukommen lassen.

Aus welchem deiner Reiseländer hat die Postkarte am längsten bis nach Deutschland gebraucht?
Von manchen meiner Fernreisen kamen die Postkarten nie an oder waren ein halbes Jahr unterwegs, aber ich erinnere mich jetzt nicht konkret an ein Land. Aber auch innerhalb von Europa dauert es manchmal länger. Von La Gomera haben einige Karten vergangenes Jahr bestimmt vier Wochen gebraucht, der zweite Schwung – einen Tag später in denselben Briefkasten gesteckt – kam komischerweise nach nur drei Tagen an. Italien ist auch immer ein Garant für eine lange Leitung. Da ist vor zwei Jahren auch eine Postkarte ganz verlorengegangen, dabei hatte ich sie sogar im Postamt abgegeben.

Manchmal veranstaltest du über Facebook sogar Gewinnspiele, bei denen man eine Postkarte von dir gewinnen kann. Was muss man dafür tun? Welche Fragen galt es in der Vergangenheit zu beantworten?
Ich stelle dann eine Frage, die Bezug zu meinem aktuellen Urlaubsort hat, zum Beispiel „Wie heißt dein Lieblingsberg?“ oder „Was gefällt dir an Portugal am meisten?“. Aber auch „Welches Emoji beschreibt deine aktuelle Stimmung am besten?“ Im Anschluss lose ich wirklich ganz ehrlich aus. Einmal habe ich eine Kellnerin in einem Restaurant darum gebeten, Glücksfee zu spielen und eine:n Gewinner:in zu ziehen. Hat sie auch gemacht.

Postkarten gehören ja zu den wenigen Schriftstücken, die noch handschriftlich erstellt werden. Was schreibst du davon abgesehen noch mit der Hand?
Tatsächlich nicht mehr sehr viel: Einkaufszettel, Gesprächsnotizen beim Telefonieren, Einträge in meinen Tischkalender.

Bekommst du denn selbst auch Postkarten von anderen Leuten?
Oh ja, ich bekomme regelmäßig Postkarten, vor allem von meinem Papa und meinem großen Bruder. Beide reisen viel und so habe ich oft welche im Briefkasten. Auf zwei, drei Freundinnen ist ebenfalls immer Verlass. Mir schreiben aber auch Freunde, die sagen „Von dir habe ich schon so oft eine Postkarte bekommen, also kriegst du dieses Mal auch eine von mir.“ Und ich bin dann wirklich die einzige, der sie schreiben. Es gab schon Tage, da hatte ich gleich drei Postkarten im Briefkasten. Ich freue mich über jede einzelne total.

Und falls ja: Werden die aufbewahrt, eventuell sogar an die heimische (Pinn-)Wand gehängt?
Nein, ich hebe zwar alle Karten auf, die ich bekomme, aber eine Postkarten-Wand habe ich nicht. Dafür wäre meine Wohnung wohl inzwischen auch zu klein. Ganz wenige schaffen es an meinen Kühlschrank und dürfen sich zu ein paar Magneten gesellen. Darunter sind zum Beispiel eine Karte aus Santiago de Compostela, eine aus meinem liebsten Alpendorf Grainau und eine aus der Schweiz, die mir mein Patenkind geschrieben hat – bestimmt seine erste und einzige Karte an mich.

Wann steht deine nächste Reise an? Und wohin geht’s?
Im August geht’s für mich immer ins Hochgebirge, wohin genau, steht aber noch nicht fest. Während einer Bergtour ist es tatsächlich immer sehr schwierig mit dem Kartenschreiben, weil es eigentlich nur im Tal möglich ist, welche zu kaufen, also oft erst am Abreisetag. Besser stehen die Chancen auf einen Kartengruß von mir im September, da geht‘s nach La Palma.

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