Unter dem Titel „From Disco to Disco“ hat Katja Vaders einen Stadtrundgang konzipiert, der wie eine Zeitreise funktioniert: Gemeinsam mit Herbert Druschke, selbst DJ und Musikproduzent, wirft sie einen Blick auf Locations, die längst aus der hiesigen Szene verschwunden sind, aber in der Erinnerung vieler, die dort waren, bis heute lebendig sein dürften, EGO, Poison Club, Relaxx oder Bhaggy Disco. Für Anfang November sind drei Termine geplant, die aber alle bereits ausgebucht sind. theycallitkleinparis hat mit Katja Vaders und Herbert Druschke gesprochen.
Katja, in welchem Alter hast du angefangen auszugehen? Und wo ging es damals hin?
Ich war wahrscheinlich 14 oder 15 Jahre alt, als ich angefangen habe, ins Café Spilles zu gehen. Das Spilles war ein selbstverwalteter Jugendclub, in dem auch viele ältere Musiker:innen und Szene:gänger:innen abhingen, die sonst in der Stadt unterwegs waren. Dort lief immer total coole Musik und wenn ich mich richtig erinnere, gab es mittwochs, aber auch immer wieder an den Wochenenden wilde Tanzveranstaltungen mit Independent-Musik. Das Spilles hat viel zu meiner musikalischen Sozialisation beigetragen.
Welche Bands und Musiker:innen lieferten den Soundtrack dieser Zeit für dich?
Definitiv The Cure – das war damals DIE Band für mich. Aber natürlich habe ich auch andere Indiebands gehört wie Joy Division, später Sonic Youth, Violent Femmes, britischen Punk, B-52‘s und so weiter.
Du bist Jahrgang 1972, wir sind fast gleich alt. Zu unserer Oberstufenzeit war der donnerstägliche Schwoof im zakk ein Muss. Wie hast du die Veranstaltung in Erinnerung?
Ja, der Donnerstag im zakk war wirklich ein Muss. Ich erinnere mich daran, dass man zu Beginn immer wieder in einer ellenlangen Schlange warten musste, bis einem endlich Einlass gewährt wurde, an die Pfandsammler, die die unzähligen Bierflaschen, die wir in der Wartezeit austranken, in ihren Einkaufswagen horteten, aber natürlich auch an die Abende selbst, an denen man die ganzen anderen Kids aus allen Stadtteilen traf, die zum Tanzen und Musikhören ins zakk kamen. Es lief auf jeden Fall JEDEN Donnerstag „Should I stay or should I go“ von The Clash. Einer der Gründe, warum ich diesen Song bis heute nicht mehr hören kann.
An welchen Club erinnerst du dich besonders gerne? Vielleicht auch an einen speziellen Abend?
Ich erinnere mich an viele Clubs, aber ganz besonders wichtig für mich war das Unique, mit dem ich eine unglaublich schöne, unbeschwerte Zeit, viele Freundschaften, Musik und durchgetanzte Nächte verbinde. Später gingen wir ins Coffy, das so etwas wie die „kleine Schwester“ vom Unique war und wo wir total gerne abhingen. Irgendwie legte mein halber Freundeskreis da auf und so wurde das Coffy zu einem Treffpunkt, in dem man auch in der Woche ständig vorbeiging. Auch das EGO ist für mich bis heute sehr wichtig, weil der Club zu einer Zeit existierte, die für mich in vieler Hinsicht sehr prägend war.
Für Visit Düsseldorf hast du jetzt einen Rundgang zu den Highlights der Düsseldorfer Clubbing-Szene konzipiert. Die ersten Termine sind Anfang November. Wie häufig wollt ihr den Rundgang anbieten?
Zunächst sind drei Termine geplant. Was danach passiert und ob wir die Führung noch zu weiteren Terminen anbieten, kann ich derzeit noch nicht sagen.
Wie entstand die Idee?
Cynthia Blasberg von Visit Düsseldorf ist im Sommer an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, eine Tour zum Thema Clubbing zu konzipieren. Ich habe gleich ja gesagt, weil ich das Thema sehr spannend fand und ich mir auch sicher war, dass ich aufgrund meiner eigenen Erfahrung die Richtige für diese Tour sein könnte. Mir war aber schnell klar, dass ich die Tour auf gar keinen Fall alleine durchführen möchte. Daher habe ich Herbert mit ins Boot geholt, da er aus der Perspektive des DJs und Musikproduzenten noch einmal einen komplett neuen Blickwinkel und seine Expertise mit reinbringen konnte, was die Tour absolut bereichert.
Wie bist du bei der Konzeption vorgegangen? Wonach wurden die Clubs ausgesucht?
Cynthia hatte schon die Auswahl der Clubs mit in den ersten Ideenfindungsprozess gebracht und ich fand die Idee gut, sich auf „legendäre Clubs“ zu konzentrieren. Ich habe mich dann gleich hingesetzt und eine Route und ein Konzept ausgearbeitet, wie man die einzelnen Tourstopps thematisch miteinander verbinden kann. Und: Natürlich nennen wir auch noch ein paar mehr Clubs als die, die wir im Endeffekt anlaufen, der Schwerpunkt liegt aber auf Orten, an denen elektronische Musik gespielt wurde.
Wie lief die Recherche? Wer hat Infos geliefert? Woher kam Material?
Für die Recherchen habe ich mich natürlich nicht nur auf meine oder Herberts Erinnerungen verlassen, sondern Menschen kontaktiert, die auf irgendeine Art und Weise eng mit den jeweiligen Clubs verbunden waren. Dazu habe ich mich mit DJs, Clubbetreiber:innen, künstlerischen Gestalter:innen und natürlich auch Zeitzeug:innen getroffen und sie gefragt, wie sie die Zeit erinnern. Die Recherche im Internet gestaltete sich übrigens schwierig bis unmöglich, da alle Clubs unserer Tour zu einer Zeit existierten, als es noch gar kein Internet gab beziehungsweise es in den Kinderschuhen steckte. Was zunächst eine Herausforderung war, kristallisierte sich schnell als Vorteil heraus, da ich nun auf die persönlichen Kontakte angewiesen war, die natürlich viel mehr gebracht haben, auch auf der persönlichen Ebene. Meine Treffen haben nämlich zahlreiche spannende, witzige Geschichten und Anekdoten hervorgebracht. Teilweise kannte ich meine Interviewpartner:innen von früher und habe sie zu den Terminen das erste Mal seit 25 Jahren wieder gesehen. Diese Wiedersehen waren emotional und großartig, und wir wollen definitiv nicht noch einmal zwanzig Jahre warten, bis wir uns das nächste Mal treffen.
Mit dem Reinraum ist nur eine Location dabei, die noch geöffnet ist. Die anderen wie EGO, Poison Club oder Bhaggy sind Legende und längst geschlossen. Wird es für die Teilnehmenden die Möglichkeit geben, noch mal in die entsprechenden Räume zu gelangen? Oder wie macht ihr sie lebendig?
Der Reinraum ist der letzte Stopp unserer Tour und Mitglieder des Vereins werden uns an jedem Abend zum Abschluss noch einmal in die Räumlichkeiten lassen. Die anderen Locations sind geschlossen, existieren also nicht mehr beziehungsweise sind inzwischen in einer komplett anderen Nutzung. Wir haben aber Fotos dabei, über die wir versuchen, die Erinnerungen etwas plastischer zu gestalten. Außerdem haben wir Tracks ausgewählt, um die Atmosphäre und den Vibe der einzelnen Clubs erlebbar zu machen. Hinzukommen die Geschichten der Menschen und ihre Erlebnisse in den Clubs, die wir erzählen.
Ihr hättet ja auch eine Tour durch die aktuellen Highlights der Clubszene anbieten können. Warum habt ihr euch entschieden, zurückzuschauen?
Die Clublandschaft und die Ausgehszene haben sich gravierend verändert, das haben mir alle Veranstalter:innen und DJs erzählt, mit denen ich gesprochen habe und das deckt sich auch mit meiner Wahrnehmung. Ein Interviewpartner sagte mir, dass seiner Ansicht nach heute nicht mehr die Musik, sondern Ambiente, Interieur und Drinks ausschlaggebend seien, in einen Club zu gehen. Man könnte jetzt natürlich eine Tour durch die einzelnen Düsseldorfer Clubs anbieten, überall ein Getränk zu sich nehmen und dann weiterziehen – aber das kann meiner Meinung nach jeder besser für sich selbst machen, dazu braucht man keine Guides mit tiefergehenden Informationen zu den Clubs. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es derzeit so viele legendäre Clubs in Düsseldorf gibt, in denen Resident DJs auflegen, die auch überregional bekannt sind und die einen speziellen Sound prägen. Wie gesagt: Die Ausgehkultur hat sich verändert, zumindest in unserer Stadt. Aber da kann Herbert sicherlich auch noch etwas zu sagen.
Herbert: Warum haben wir uns der Vergangenheit zugewandt? Zum einen werden Clubs erst im Rückblick zur Legende. Auf unserer Tour wollen wir durch unterschiedliche Zeitfenster blicken von den Siebzigern bis zu den frühen 2000ern, um die damalige musikalische und feiertechnische Entwicklung zu beschreiben und zu würdigen. Wir berichten von Clubs, die seinerzeit auf die eine oder andere Art und Weise innovativ waren. Das hatte auch mit neuen musikalischen Richtungen wie House oder Techno und daraus resultierendem völlig neuem Ausgeh- und Feierverhalten zu tun. Den Blick darauf zu richten, fanden wir spannend.
Meiner Einschätzung nach ist die Clubszene in Düsseldorf in den vergangenen Jahren eher geschrumpft als gewachsen, aber das ist eine Einschätzung aus der Distanz, zumal ich nicht mehr wirklich viel ausgehe. Wie beurteilst du die Entwicklung der hiesigen Clubszene in den vergangenen Jahren?
Da hatte ich ja schon einiges zu gesagt. Ich möchte jetzt auf gar keinen Fall in diesen Früher-war-alles-besser-Modus verfallen – ich gehe wahrscheinlich inzwischen auch einfach zu wenig aus. Aber: Die Welt hat sich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren ganz erheblich verändert, auch was Kommunikation, Musikrezeption etc. angeht. Daher bin ich mir sicher, dass sich auch in der Clubbingszene einiges verändert hat. Aber dazu kann Herbert als DJ und Livemusiker sicherlich mehr erzählen, weil er ja bis heute selbst auftritt.
Herbert: Auf einer Tour durch die aktuelle Clublandschaft in Düsseldorf kann man natürlich über unterschiedliche Angebote berichten. Von Entertainment geprägten Großclubs im Medienhafen bis zum eher kleineren Technokeller in der Altstadt wird einiges geboten. Für mich persönlich befindet sich der Betrieb aber in einer Art Verwaltungsmodus. Das hat viele Gründe, vom veränderten Ausgehverhalten und Erwartungen der Clubgänger:innen und immer weiterer Professionalisierung von Angebot und Marketing. Das muss nicht schlecht sein, aber davon sollten andere berichten. Uns faszinierte die damalige „Goldgräberstimmung“ und davon wollen wir erzählen.
Bist du heute noch in der Clubszene unterwegs?
Clubben gehe ich schon lange nicht mehr, es gibt keine Clubs in Düsseldorf, in denen ich mich zugehörig fühle, anders kann ich es nicht ausdrücken. Wenn ich mal tanzen gehe, dann definitiv ins WP8, auf spezielle Veranstaltungen oder privat organisierte Partys.
Als Teil des DJ-Duos DJane Döfken und DJ Döfken bist du zusammen mit dem Musiker Andreas van der Wingen auch selbst Teil der Szene. Wie häufig legst du auf und an welchen Orten?
Unser DJ-Duo ist irgendwann in den 2000ern entstanden und wir haben seinerzeit sporadisch im WP8, der Brause oder Partys in Düsseldorf aufgelegt. Ich habe in den 1990ern als Teil des DJ-Kollektivs Tussi Deluxe angefangen aufzulegen, später war ich auch alleine als DJ unterwegs, unter anderem im Sixpack in Köln oder im Coffy, hier als Duo mit Anke Jühe aka Ankomas. Vander und ich haben jetzt eine Art Reunion geplant, in den letzten 12 Jahren habe ich nicht mehr aufgelegt, wahrscheinlich, weil ich einfach mit anderen Dingen beschäftigt war.
Am 16. November seid ihr als DJane Döfken und DJ Döfken im WP8 zu erleben. Welcher Sound erwartet die Besucher:innen an dem Abend?
Das kann ich aktuell noch nicht sagen – ich muss erst mal nach langer Zeit meine Plattensammlung durchforsten und in mich hineinfühlen, auf welchen Sound ich gerade Bock habe. Es wird aber etwas sein, was in meinem Plattenregal zu finden ist und das ist eine bunte Auswahl aus den verschiedensten Musikstilen und Zeiten, sicherlich eher aus dem Independent-Bereich, es kann aber durchaus auch Hip Hop oder elektronische Musik dabei sein. Vander und ich harmonieren schon immer sehr gut beim Auflegen, ohne uns vorher abzusprechen. Es ist aber definitiv Musik zum Tanzen, also bitte entsprechendes Schuhwerk anziehen!
From Disco to Disco: 7.-9.11., jeweils 19 Uhr, alle drei Touren sind ausgebucht
Ob weitere Termine angeboten werden, steht derzeit noch nicht fest.