Eine Dattel, ein Glas Wasser. Ramadan im Selbstversuch #1

Noch zwei Wochen bis zum Beginn des Ramadan

Wie es zu der Idee kam, kann ich letzten Endes gar nicht mehr sagen. Irgendwann war sie einfach da. Wie wäre es, einmal das Ramadan-Fasten mitzumachen? Einen ganzen Monat lang von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nichts zu essen und nichts zu trinken. Wie gläubige Muslime es jedes Jahr tun. Würde ich das schaffen?

Ich wohne in Düsseldorf-Oberbilk, einem Stadtteil, der stark muslimisch geprägt ist. Seit mehreren Jahrzehnten leben hier zahlreiche Menschen aus Marokko, Tunesien und Algerien, den sogenannten Maghreb-Staaten. Die maghrebinische Community der Stadt gehört zu den größten in ganz Deutschland. Der Islam ist in Oberbilk ziemlich präsent. Gebetsteppiche gehören selbstverständlich zum Sortiment hiesiger Einzelhändler. In den nordafrikanischen Restaurants rund um die Ellerstraße sucht man Alkohol auf der Karte vergebens. Und Freitagmittag pilgern meine Veedel-Nachbarn zur Moschee auf der Adersstraße, um dort dem Freitagsgebet beizuwohnen. Während der Fastenzeit Ramadan schließen viele der nordafrikanischen Cafés, in denen man den für die Region so typischen Minztee trinken kann und die ausschließlich von Männern besucht werden. Das „Mamounia“ an der Kreuzung von Ellerstraße und Willi-Becker-Allee geht noch einen Schritt weiter: Dort verschwinden während Ramadan sogar die Möbel. Scheint also, als wäre das Ganze eine ernste Angelegenheit.

Leidenserprobt? Eher nicht
Ich bin Christin. Die christliche Fastenzeit habe ich noch nie mitgemacht. Meine letzte Diät liegt über 30 Jahre zurück. Und von Experimenten wie Detoxen oder Intervall-Fasten habe ich bisher die Finger gelassen. Eine Weile habe ich mal auf Zucker verzichtet. Ein paar Tage habe ich es geschafft, mich vegan zu ernähren. Besonders leidenserprobt bin ich, was das angeht, also nicht. Mal schauen, ob ich das mit dem Ramadan trotzdem hinbekomme. Vielleicht bedarf es entsprechender Vorbereitung? Vielleicht sollte ich mit jemandem sprechen, der mehr Ramadan-Erfahrung hat als ich, auch um sicherzugehen, dass sich durch meinen Selbstversuch niemand verletzt fühlt. Über Dirk Sauerborn, der durch seine Arbeit als Kontaktbeamter und Ansprechpartner für interkulturelle Angelegenheiten im Polizeipräsidium viele Kontakte zur muslimischen Community knüpfen konnte, komme ich an Erdin Kadunic. Der dreifache Familienvater ist Muslim. Kadunic wurde in Bosnien geboren, aufgewachsen ist er in Berlin. Mittlerweile lebt er seit 12 Jahren in Düsseldorf. Von 2017 bis 2021 war Kadunic Vorsitzender der Bosnischen Moscheegemeinde in Düsseldorf-Bilk.

Erdin Kadunic, Foto: privat

Gefüllte Paprika vor Sonnenaufgang
Ich treffe ihn in einem Café in Pempelfort. Schnell wird klar, wie wenig ich über Ramadan im Speziellen und den Islam im Allgemeinen weiß. Ein wahrer Fragen-Platzregen geht auf Kadunic nieder. Zunächst möchte ich herausbekommen, wie ich mich auf den Beginn der Fastenzeit vorbereiten kann. Früher Schlafengehen? Tagsüber schon mal weniger essen? Ernährung umstellen? Er selbst bereite sich nicht vor, lässt Kandunic wissen. „Ich springe jedes Jahr ins kalte Fastenwasser. Wenn es losgeht, geht es los.“ Die ersten drei, vier Tage seien nicht einfach, da sei man häufig ein bisschen müde. „Der Körper muss sich erst daran gewöhnen, dass er keine Nahrung bekommt. Und keine Flüssigkeit.“ Sein Frühstück falle während des Fastenmonats eher spartanisch aus. Joghurt, Obst, dazu vielleicht ein Butterbrot. Und Wasser oder Tee. Das war’s. „Manche essen aber auch nur drei, vier Datteln.“ Im Gegenteil zu derart Genügsamen kenne er aber auch Muslime, die in der Fastenzeit früh morgens schon eine warme Mahlzeit einnehmen. „Da gibt es dann vor Sonnenaufgang schon mal gefüllte Paprika.“ So oder so sei es nicht ganz einfach, bis zum Sonnenuntergang durchzuhalten. Wenn Ramadan im Hochsommer liege, auch das habe er schon mitgemacht, sei es natürlich noch schwieriger, weil der Zeitraum zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang wesentlich länger sei. Am 21. Juni, dem längsten Tag des Jahres, liegen zwischen Sonnenauf- und Untergang sechzehneinhalb Stunden. Zum Essen und Trinken bleiben folgerichtig gerade mal siebeneinhalb – und in denen schläft man gemeinhin.

Hunger und Durst spüren
2025 dauert Ramadan vom 28. Februar bis zum 30. März. 30 Tage. Immerhin liegt die Fastenzeit, die sich nach dem Mondkalender richtet und sich deshalb jedes Jahr um zehn Tage verschiebt, 2025 vergleichsweise günstig. Am ersten Fastentag, dem 1.3., geht die Sonne um 7:11 Uhr auf und um 18:20 Uhr wieder unter. Ein Zeitraum von knapp elf Stunden. Sollte zu schaffen sein, denke ich. Mehr Sorgen als das Nicht-Essen bereitet mir ohnehin der Verzicht auf Flüssigkeit. Aber vielleicht gibt es diesbezüglich ja eine gewisse Kulanz? Kadunic verneint: „Die Gelehrten sind sich in dieser Frage einig. Eine Aufweichung der Regeln ist nicht möglich. Das muslimische Fasten beinhaltet nun mal auch das Nicht-Trinken. Man soll den Durst genauso spüren wie den Hunger.“ Einer der Gedanken des Fastens ist es, Mitgefühl mit Menschen zu empfinden, die Hunger oder Durst leiden. Die kein Trinkwasser haben. Das könne man natürlich nur nachfühlen, wenn man konsequent bleibt – und tagsüber weder isst noch trinkt. Darüber hinaus geht es aber auch um eine spirituelle Reinigung, um Vergebung von Sünden.

Vorsicht beim Zähneputzen
Vom Ramadan befreit sind neben Kindern Schwangere, Alte und Gebrechliche sowie Kranke. „Wenn du beispielsweise eine starke Erkältung hast, bist du für diese Zeit entschuldigt“, so Kadunic. Man sei allerdings verpflichtet, die Tage, an denen man krank war, nachzufasten. Schwieriger sei es bei Patienten, die regelmäßig Medikamente nehmen müssen. Medikamente gelten nämlich auch als Nahrung. Das heißt, sie dürfen während des Ramadan tagsüber nicht eingenommen werden. Gleiches gilt für Kaugummis oder zuckerfreie Bonbons. Selbst beim Zähneputzen sei Vorsicht geboten, weder Zahnpasta noch Wasser dürften in den Magen gelangen. Auch vom Essen und Trinken abgesehen sollte man sich in Verzicht üben. Nicht rauchen, kein Sex, kein Parfum. Selbst reden sollte man tagsüber nur das Nötigste. Jenen, die komplett vom Fasten befreit sind, wird nahegelegt, einer bedürftigen Person für jeden Tag, an dem sie nicht gefastet haben, Nahrungsmittel zu zahlen. „Pro Tag rechnet man etwa 20 Euro“, so Kadunic. „Bei 30 Ramadan-Tagen kommt man also auf eine Gesamtsumme von 600 Euro.“

Natürlich kenne er auch Muslime, die bei all dem nicht mittun, lässt der Bosnier wissen. Für ihn sei das in Ordnung. Letztendlich sei jeder für sich selbst verantwortlich. „Niemand ist für mich ein schlechterer Mensch, weil er nicht fastet. Oder nicht betet. Oder nicht nach Mekka pilgert. Ich habe da eine sehr entspannte Haltung.“ Ich könne sich aber durchaus vorstellen, dass, wenn eine Gruppe von muslimischen Menschen eng zusammen lebt, eine gewisse Dynamik entsteht, die es schwieriger macht, sich auszuklinken.

Und wie sieht Kadunic mein Experiment? Glaubt er, dass Mitglieder der muslimischen Community meinen Selbstversuch missverstehen könnten? Er muss nicht lange überlegen: „Auf keinen Fall“. Man würde mir, der Christin, die sich an Ramadan versucht, eher Respekt zollen, so seine Einschätzung. Bei der Verabschiedung am S-Bahnhof Düsseldorf-Zoo betont Kadunic, dass ich mich mit Fragen rund um das Thema jederzeit bei ihm melden kann. Schon zuvor hatte er versprochen, mich zum abendlichen Fastenbrechen zu seiner Familie einzuladen. „Dann bist du jetzt so etwas wie mein Ramadan-Coach“, rufe ich ihm zum Abschied winkend hinterher. Und bin mir ganz sicher, dass ich ihn in den kommenden Wochen noch häufiger kontaktieren werde.

Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer Reihe, die im besten Fall bis zum Ende des Ramadans fortgeführt wird.

Schreibe einen Kommentar