Barbara Weitzel im Interview – „Private und globale Beben“

Bisher ist das Magazin „Fujikato“ beinahe ohne Texte ausgekommen. In der siebten Ausgabe wird sich das ändern, hier stehen die Worte sogar ausdrücklich im Mittelpunkt. Geschrieben hat sie die Autorin und Journalistin Barbara Weitzel. Zur Präsentation von Fujikato #7 wird die Berlinerin an den Rhein reisen, um in der alten Heimat aus ihren Texten vorzutragen. Bevor es so weit ist, hat theycallitkleinparis schon mal mit Barbara Weitzel gesprochen.

Barbara, deine Fujikato-Ausgabe trägt den Titel „Schlaft trotzdem gut“ und enthält Guten-Abend-Texte, die du schon seit einiger Zeit regelmäßig auf deinem Facebook-Account veröffentlichst, immer gegen Abend, immer kurz vor dem Zu-Bett-Gehen. Wann und wie entstand die Idee?
Ich weiß es nicht mehr. Nicht einmal, wann ich damit angefangen habe. Als ich meine Kolumnen für die „Berliner Zeitung“ noch auf Facebook veröffentlichte, jede Woche montags gegen 9 Uhr, begann ich immer mit „Guten Morgen“. Vielleicht war das „Guten Abend“ einfach eine logische Konsequenz für Beiträge zur oder nach der Dämmerung. Außerdem mag ich das zugleich Förmliche und Zugewandte an diesen zwei Worten.

War das Ganze von vorneherein als Reihe geplant?
Nein, kein Plan. Ich plane zwar viel, obsessiv geradezu, und verwerfe und ändere Pläne mit der gleichen Leidenschaft. Doch nichts, was ich in den Sozialen Medien mache. Das ergibt sich.

Es hätten ja auch Texte zum Tagesbeginn sein können. Warum hast du dich für den Abend entschieden?
Der Morgen gehörte lange Zeit den Kindern und einem zügigen Arbeitsbeginn. Derzeit gehört er mir allein oder mir und dem Liebsten. Außerdem kommen mir die Gedanken zu solchen „Plauderbriefen“, wie ein Freund sie einmal nannte, eher abends. Wenn der Tag vorbeizieht und sich langsam niederlegt.

Wie findest du deine Themen für die Guten-Abend-Texte?
Die suche ich nicht und finde sie folglich auch nicht. Sie werden geboren, ploppen auf, durch ein Erlebnis am Tage, ein Gespräch, einen Satz, der mich anspringt beim Lesen, Tagebuch schreiben oder einfach Vormichhindenken, oder aus einem Kummer, einer Sorge. Oft aus dem Bedürfnis nach Ermutigung, dem Wunsch nach Zuversicht. Große Worte. Anders: Kraft zu finden im Kleinen, im Detail. Und das zu teilen.

Welche Sujets tauchen immer wieder auf?
Private und globale Beben, die Suche nach Halt. „Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit“, so schreibt es Rilke. Eine Heimat finden in der Besinnung auf’s Wesentliche: Licht, Atem, Schönheit, Verbundenheit. Und der Blick auf all die, die davon viel weniger haben als ich und die meisten Menschen, die ich kenne.

Die Texte sind sehr nah dran an deinem Leben. An den Höhen. Und den Tiefen. Wonach entscheidest du, wie viel du von dir preis gibst? Und: Bist du immer sicher, wie nah die Lesenden dir kommen dürfen?
Ich entscheide beim Schreiben – und korrigiere oft nach, streiche, formuliere um. Ich habe auch schon Texte nach der Veröffentlichung wieder gelöscht, weil sie mir, so in der Welt, doch zu persönlich, zu nahbar waren.

Wie sind die Reaktionen deiner Leserschaft?
Überwiegend freundlich, dankbar, offen. Viele schreiben ihre Gedanken zu meinen in die Kommentare. Oder schicken persönliche Nachrichten. Ganz selten kommt mal Rotziges, Deplatziertes. Das habe ich gelernt zu ignorieren.

Die Texte bieten, so geht es mir zumindest, viel Identifikationspotential. Manches von dem, was du schreibst, kommt mir aus meinem Leben bekannt vor. Das dürfte anderen nicht anders gehen. Bekommst du auch persönliche Nachrichten, in denen dir Menschen von ihren Sorgen und Nöten berichten?
Ja, das kommt vor, doch nicht oft. Wenn ich es mit etwas zu Persönlichem zu tun kriege, überfordert bin, schreibe ich das möglichst sanft. Ich bin keine Ratgeberin, dafür bin ich selbst oft zu ratlos.

Hast du die Guten-Abend-Texte jemals vor Publikum vorgelesen?
Nein. Der 16. Mai ist eine Premiere.

Bei der Lesung in Düsseldorf wirst du zwischen den Lese-Parts Klarinette spielen. Ein Instrument, mit dem du in Berlin regelmäßig auftrittst. Du machst zum Beispiel einmal in der Woche mit anderen Musiker:innen in einem Berliner Seniorenheim Musik. Wie kam es dazu?
Ein guter Freund macht das seit über zehn Jahren. „Musik für die Seele“ heißt sein Tun, es gibt auch eine Website, für alle, die sich auch engagieren wollen. Wir kamen ins Gespräch über vernachlässigte Instrumente, da kannten wir uns kaum. Die Klarinette verstaubte zu dieser Zeit, etwas vor zwei Jahren, in der Ecke. Ich bin dann einfach mal hingegangen, hab’ das Instrument mitgenommen – und seitdem will ich diese Stunde am Donnerstagvormittag nicht mehr missen. Zusammen musizieren ist ja für sich schon beglückend ohne Ende. Und wenn dann noch alte Menschen anfangen zu leuchten und mitzusingen … es ist ein Geschenk.

Welche Art von Musik spielt ihr dort?
Schlager, Volkslieder, ab und zu Pop. Vor allem alte Sachen, deren Texte und Melodien im Langzeitgedächtnis der überwiegend dementen Bewohner:innen noch präsent sind. Viele können kaum etwas sagen zum vorherigen Tag, doch „Aber bitte mit Sahne, „Hoch auf dem gelben Wagen“ oder das „Rennsteig-Lied“ können sie mitsingen. Drei Lieder spielen wir jedes Mal: „Junge, komm bald wieder“, „Über den Wolken“ und, zum Abschluss, „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Ohne zu viel zu verraten: Worauf dürfen sich die Düsseldorfer:innen musikalisch freuen?
Das weiß ich noch nicht. Der Frühling wird eine Rolle spielen, Frieden, vielleicht Hildegard Knef. Und der Abend… auf jeden Fall was zum Mitsingen.

16.5.2025, 19 Uhr: Lesung mit Barbara Weitzel + Präsentation Fujikato #7 „Schlaft trotzdem gut“, Kölner Straße 240, Düsseldorf, Eintritt frei

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